„BITTE TÖTEN SIE KEINE PRÄSIDENTEN!“ – Jochen Frech im Interview

6. Februar 2015
dotbooks

Der Lektor will’s wissen und stellt dem Thrillerautor Jochen Frech fünf Fragen rund um seine Serie TÖDLICHE DISTANZ.

 

Lieber Herr Frech, als mir Ihre Agentin zum ersten Mal von Ihrer Thrillerserie erzählte, war ich sofort begeistert – nur den Titel PASSERELLE habe ich damals nicht verstanden und dachte mir nur: „Was soll denn das sein?“

PASSERELLEJochen Frech: „Ach, lieber Lektor, Sie kennen die Passerelle des deux Rives nicht? Die ästhetische Fußgänger- und Radfahrerbrücke verbindet auf eine außergewöhnliche Art die beiden Städte Kehl und Straßburg und hat sich zum Wahrzeichen der Region Bas-Rhin entwickelt. Und in meiner Thrillerserie TÖDLICHE DISTANZ spielt sie bekanntlich eine ganz entscheidende Rolle während des atemberaubenden Showdowns … aber das wissen Sie ja.

Die Brücke wurde von dem Pariser Star-Architekten Marc Mimram als Herzstück der grenzüberschreitenden Landesgartenschau im Jahr 2004 entworfen. Als Symbol für das zusammenwachsende Europa überspannt sie den an dieser Stelle zweihundertsiebzig Meter breiten deutsch-französischen Grenzfluss Rhein. Am 4. April 2009 trafen sich anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten auf der Rheinbrücke zum symbolischen Handschlag – ähnlich wie die beteiligten Akteure in Episode 7 meiner Serie, DAS ATTENTAT.“

 

Im Zusammenhang mit Ihrer Serie stößt man immer wieder auf die Abkürzung SAS … und ich frage mich: Ist das etwas zum Essen?

Jochen Frech: „Der Special Air Service (SAS) ist eine weltweit operierende Spezialeinheit der britischen Armee und zählt zu den ältesten und erfahrensten überhaupt. Wie in meiner Thrillerserie TÖDLICHE DISTANZ zitiert, lautet das Motto der ca. fünfhundert aktiven Elitesoldaten ‚Who dares wins’ (deutsch: Wer wagt, gewinnt).

SASSchon im Auswahlverfahren, das zweimal im Jahr in den Bergen von Wales stattfindet, scheitern 98% der Bewerber. Diejenigen die die ‚Selection’ geschafft haben, erwartet eine knallharte, 18wöchige Grundausbildung inkl. 6wöchiger Dschungelausbildung samt Abschlussübung.

Wer diese Zeit physischer und psychischer Extrembelastungen übersteht, lässt sich dann zu einem ‚Specalist in verschiedenen Bereichen ausbilden. Hier stehen beispielsweise die Fachgebiete Guerillakampf, Scharfschütze oder Sprengmeister zur Auswahl.

Ähnlich wie zu Beginn von Episode 1 meiner Thrillerserie, DIE VERSCHWÖRUNG, beschrieben, übernahm der SAS im Vorfeld des zweiten Golfkriegs tatsächlich sogenannte Sabotageeinsätze hinter den feindlichen Linien. Vorrangiges Ziel war es, Abschussrampen irakischer Scud-Raketen zu zerstören. Aber bereits beim Eindringen in den feindlichen Luftraum wurden das Kommando ‚Bravo Two Zero’ von den Irakern gesichtet und verfolgt. Mehrere Tage lang zogen sich die Elitesoldaten kämpfend zurück und töteten dabei ungefähr 250 ihrer Gegner. Lediglich einer schaffte es, sich bis zur knapp 200 Kilometer entfernten syrischen Grenze durchzuschlagen. Drei weitere wurden im Kampf getötet, die übrigen vier gefangen genommen und während der Verhöre brutal gefoltert.

Und darum, lieber Lektor: Nein, SAS ist nichts, was Sie essen können …“

 

Schade! Aber dann erlauben Sie mir doch gleich eine weitere naive Frage: Wie scharf schießen Schützen?

Jochen Frech: „Ein Wortspiel, lieber Lektor? Nun: Spätestens seit Mark Wahlberg in dem Film SHOOTER ein Millionenpublikum in die Geheimnisse militärischer Scharfschützen blicken ließ, wissen wir, dass gezielte Schüsse über eine Distanz von mehr als einem Kilometer Entfernung keine bloße Erfindung verrückt gewordener Drehbuchautoren sind.

In meiner Thrillerserie TÖDLICHE DISTANZ agiert der Attentäter Virgil mit einem sehr außergewöhnlichen Sniper-Gewehr der amerikanischen Firma Chey-Tac LLC. und der dazugehörigen Patrone im Kaliber ‚Punkt 408’, die von der Herstellerfirma für extreme Reichweiten entwickelt wurde. Die effektive Kampfentfernung wird von Chey-Tac mit 1500 bis 2500 Metern angegeben.

Über derartige Distanzen müssen Scharfschützen nicht nur die Luftdruck, Wind- und Temperaturverhältnisse, den Neigungswinkel zwischen Gewehr und Ziel, die Munitionstemperatur und die Dralllänge des Gewehrlaufs berücksichtigen, sondern auch die sogenannte Corioliskraft – den Einfluss der Erdrotation auf das Geschoss – in ihre Berechnungen mit einbeziehen.

Der bis dato weiteste Schuss eines realen Scharfschützen gelang dem britischen Soldaten Craig Harrison während eines Afghanistan-Einsatzes, wo er 2009 mit seinem Trupp in einen Hinterhalt geriet und das Kommandofahrzeug seines Vorgesetzten in Beschuss genommen wurde. Mit etwa 2.475 Metern Entfernung waren die gegnerischen Stellungen deutlich außerhalb der Reichweite seiner Waffe, einem weitaus schlechteren Gewehr, als es der Attentäter Virgil in TÖDLICHE DISTANZ benutzt. Dennoch gelang es Craig Harrison bei optimalen äußeren Bedingungen, einen feindlichen MG-Schützen und einen weiteren Gegner zu töten und mit einem dritten gezielten Schuss sogar das feindliche Maschinengewehr zu zerstören.

Und um auf Ihre Frage zurückzukommen: Sie schießen SEHR scharf!“

 

An einer provokanten Frage kommt man im Zusammenhang mit TÖDLICHE DISTANZ natürlich nicht vorbei – und auch, wenn die NSA vermutlich bereits mitliest und ein Sondereinsatzkommando auf den Weg ins dotbooks-Hauptquartier schickt: Wie tötet man eigentlich einen US-Präsidenten?

Jochen Frech: „Wenn Sie mich persönlich fragen: am besten gar nicht. Aber es gab in der Geschichte der vereinigten Staaten von Amerika insgesamt einundzwanzig bekannte Attentate auf Präsidenten, bei denen vier zu Tode kamen.

In den wenigsten Fällen erfuhr die Bevölkerung die wahren Motive der Attentäter oder möglicher Hintermänner. So wird Lee Harvey Oswald nach herrschender Meinung nach wie vor für einen Einzeltäter gehalten. Eine abschließende Klärung der tödlichen Schüsse auf John F. Kennedy in Dallas war unter anderem deswegen nicht möglich, da Oswald noch vor dem Verfahren von Jack Ruby, einem Nachtclubbesitzer, erschossen wurde.

Glück im Unglück hatte Ronald Reagan, als der Attentäter John Hinckley, Jr. am frühen Nachmittag des 30. März 1981 das Feuer auf ihn und seine Secret-Service-Agenten eröffnete: Reagan wurde schwer verwundet, konnte aber von einem seiner Agenten in die bereitstehende Limousine vor dem Washington-Hilton-Hotel gestoßen werden und überlebte.

Zu den wohl dilettantischsten Attentaten gehört der Versuch von Frank Eugene Corder, der es auf Bill Clinton abgesehen hatte und am 12. September 1994 mit einer Cesna ins Weiße Haus raste, um den Präsidenten zu töten. Der befand sich zu diesem Zeitpunkt außer Haus. Corder starb beim Absturz.

Wie in meiner Thrillerserie TÖDLLICHE DISTANZ gab es auch Versuche, den amtierenden Präsidenten mit Gewehrschüssen zu töten: Am Freitag, den 11. November 2011, schoss Ortega-Hernandez aus einer halbautomatischen Feuerwaffe mehrere Schüsse auf das Weiße Haus, in der Hoffnung, Barak Obama zu treffen. Der befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch in seiner Heimatstadt Honolulu.

Ich hoffe, dass auch alle weiteren Attentatsversuche erfolglos bleiben. Wobei ich tatsächlich schon gesagt bekam, dass TÖDLICHE DISTANZ ja eine ziemlich perfekte DO-IT-YOURSELF-Anleitung sei … Aber zum Glück gibt es ja auch noch diverse Spezialeinheiten der Polizei, um dies zu verhindern.“

 

Gibt es deutsche Spezialeinheiten?

Jochen Frech: „In Deutschland gibt es sogar fünf verschieden Spezialeinheiten. Zu den meist genannten zählt die Grenzschutzgruppe neun (GSG 9), die seit ihrer heldenhaften Geiselbefreiung der entführten Lufthansamaschine ‚Landshut’ 1977 auf dem Flugplatz von Mogadischu jedermann bekannt sein dürfte.

Weniger bekannt sind die fünfzig Kampfschwimmer der Bundesmarine und das rund tausend Mann starke Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, die beide vornehmlich in geheimen Auslandseinsätzen eingesetzt werden. Ebenso selten liest oder hört man von den circa vierzig Einsatzbeamten der zentralen Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ), die die Zolldienststellen bei riskanten Durchsuchungen unterstützen.

GSG9Häufiger im Fokus sind die insgesamt zweiundzwanzig Spezialeinsatzkommandos und mobilen Einsatzkommandos (Kriminalpolizei) der einzelnen Bundesländer, die beinahe täglich im Einsatz gegen Gewaltverbrecher sind.

GSG 9 und die SEKs der Länder pflegen einen regen Informationsaustausch mit Spezialeinheiten anderer Länder. In regelmäßigen Abständen kommt es sogar zu Vergleichswettkämpfen, bei denen bis zu fünfzig Teams von Spezialeinheiten aus der ganzen Welt teilnehmen.

Bei einem Großeinsatz, wie ich ihn in meiner Thrillerserie TÖDLICHE DISTANZ beschrieben habe, ist es wahrscheinlich, dass sämtliche deutschen Spezialeinheiten mit Teilkräften unterstützen und sich auf (fast) alle denkbaren Anschlagsszenarien vorbereiten. Wie Sie das machen, verrate ich hier nicht – das kann jeder selbst in meiner Serie lesen.“