Charlotte Richter-Peill im Interview zu ihrer Trilogie „Das Orakel von Farland“

17. Februar 2017
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Charlotte Richter-Peill (c) privat

„Ein Aussortieren findet ja in unserer Gesellschaft bereits statt.“

Ein Gespräch mit unserer Autorin Charlotte Richter-Peill über ihre dystopische Trilogie DAS ORAKEL VON FARLAND.

 

Liebe Frau Richter-Peill, Ihre Trilogie DAS ORAKEL VON FARLAND spielt in einer Zukunft, in der Menschen mit schlechtem Potential einfach aussortiert werden. Wie sind Sie auf diese Idee einer Zukunftsversion gekommen?

Charlotte Richter-Peill: „Schon lange beschäftigt mich die gesellschaftliche Tendenz, bestimmte Gruppen als ‚Störer‘ zu identifizieren. Mal geraten die Arbeitslosen ins Visier, mal Übergewichtige, Raucher oder bestimmte Glaubensgruppen, die Liste lässt sich fortsetzen. Ein Aussortieren findet ja bereits statt, aktuell will man etwa in der Asyldebatte ein ‚gutes Funktionieren‘ der Gesellschaft gewährleisten und denen den Zugang verwehren, die aus unserer Sicht nicht dazu passen oder andere soziale Verhaltensstandards haben.
Inspiriert haben mich außerdem Berichte über künstliche Intelligenzen und die Entwicklung, aus persönlichen Daten persönliche Zukunftsprognosen zu erstellen.
Auch die Kurzgeschichte ‚Genesis und Katastrophe‘ von Roald Dahl, die ich als junges Mädchen las, spielte eine Rolle. Sie beschreibt die Geburtsstunde Adolf Hitlers und ließ mich mit der beunruhigenden Frage zurück: Hätte man die Zukunft dieses Kindes vorhergesehen … was dann?“

 

Richter-Peil 1Wenn Sie sich Ihre eigene Zukunftsversion gestalten könnten, in der Sie selbst leben – wie sähe die dann aus? Gäbe es auch hier ein Orakel, wie in Ihrer Dystopie ELYSIUM?

Charlotte Richter-Peill: „Kein Orakel bitte – es sei denn, es würde statt ‚potenzieller Gefährder‘ die ‚gefährdeten Potenziale‘ identifizieren, dann könnte ich mich vielleicht dafür erwärmen.
In meiner Wunschzukunft haben die Menschen Raum und Zeit, zu erforschen, was sie zu einer inneren Zufriedenheit führt: Drachenfliegen, anderen etwas beibringen, Vögel beobachten, Bücher schreiben … Jeder findet einen Platz, ohne sich den Platz verdienen zu müssen, Worte wie ‚Leistung‘ und ‚Erfolg‘ werden vom gesellschaftlichen Erwartungsdruck befreit, größere Gemeinschaften übernehmen Aufgaben der Kleinfamilie, das bedingungslose Grundeinkommen und das Schulfach ‚Konstruktiv streiten (oder so ähnlich)‘ werden eingeführt – eine Gesellschaft, die für jeden da ist und allen Schutz gewährt.“

 

Fenja, die Protagonistin Ihrer dystopischen Trilogie, durchläuft eine dramatische Wandlung, muss ihr gesamtes Weltbild hinterfragen. Aber auch viele andere Ihrer Figuren sind sehr faszinierend: Merten, der sein wahres Gesicht verbirgt; Rasmus, der scheinbar Perfekte und viele mehr. Ist Ihnen eine der Figuren während des Schreibens besonders ans Herz gewachsen?

Richter-Peil 3Charlotte Richter-Peill: „Merten ist mir während des Schreibens sehr nah gerückt. Zunächst tritt er ja abweisend und schroff auf, versucht aber gleichzeitig, Fenja zu schützen und wurde auch für mich, die Autorin, ein Beschützer, ich fühlte mich im Schreibprozess immer sicher, wenn ich ihn in der Nähe hatte. Seine Jugend, die im dritten Band aufgerollt wird, beschäftigte mich besonders: Wie weit verbiege ich mich, um anerkannt zu werden, und wie finde ich da wieder raus?
Romilda mochte ich auch sehr, beim Schreiben konnte ich ausprobieren, wie es wäre, ihren Mut und ihre Frechheit zu besitzen …
Fasziniert hat mich außerdem eine Nebenfigur aus Band 2, NORDLAND, die ‚Friedhofsfrau‘. In ihre Welt würde ich gern noch einmal tiefer eintauchen.“