„Der Überläufer“ von Mark Chisnell

9. November 2015
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Michelle-Landau-smallMichelle Landau, Lektorat, stellt „Der Überläufer“ von Mark Chisnell vor:

 

Die menschliche Psyche ist sehr spannend. Ich kann davon ein Lied singen, denn ich habe zuhause einen professionellen Psychologen sitzen, der gerne neue Fragetechniken, psychologische Tests und Spiele an mir ausprobiert. Oft ist das für mich unterhaltsam und spannend … manchmal aber fast ein wenig erschreckend, wenn ich Dinge über mich erfahre, die mir bisher gar nicht bewusst waren.

Meistens geht es in diesen Spielen um Entscheidungen: „Was machst du, wenn deine Wahl nicht nur dein Schicksal bestimmt, sondern auch das der anderen?“ Oder: „Willst du gewinnen, egal um welchen Preis, oder liegt dir das Wohl der Gruppe am Herzen?“ Mit meinem Privat-Psychologen daheim auf der Couch geht es dabei zum Glück nur um fiktive Situationen. Selbst wenn ich eine schlechte Entscheidung treffe, passiert niemandem etwas. Martin hingegen, der Held in Mark Chisnells Thriller DER ÜBERLÄUFER, gerät an jemanden, der keine Spiele spielt – sondern dessen psychologische Manipulation knallharter Ernst ist …

Chisnell, Der Überläufer und Schiffe versenken 1Nach einem tragischen Verkehrsunfall, den Martin verschuldet hat, flüchtet er aus seiner britischen Heimat auf die thailändische Insel Koh Samui. Er hofft, in diesem tropischen Paradies seine Schuldgefühle vergessen und sein Leben wieder in den Griff bekommen zu können. Eines Abends begegnet er Janac. Der zunächst freundlich wirkende Fremde stellt sich bald als gefährlicher und mächtiger Drogenboss heraus – und er hat Gefallen an Martin und dessen Hang zu Wetten gefunden. Es fängt ganz klein an, ein einfaches Glückspiel darum, wer die Restaurantrechnung übernimmt. Aber schon bald werden die Einsätze immer höher. Janac ist nicht nur eiskalt und grausam, er hat auch diabolischen Spaß daran, die dunkelsten Seiten der menschlichen Psyche zum Vorschein zu bringen. Mit seinen verstörenden Spielen bringt er Martin nach und nach in seine Gewalt– bis er ihn schließlich zum größtmöglichen Einsatz zwingt: sein eigenes Leben. Martin soll Drogen für ihn nach Australien schmuggeln. Nun hat er die Wahl

Tut er es nicht, ist er tot.
Versucht er Janac übers Ohr zu hauen und die Polizei einzuschalten, ist er tot.
Nimmt er den Auftrag an, ist er für all den Schaden verantwortlich, den diese Drogen anrichten können.

Was soll er tun? Selbstsüchtig seine eigene Haut retten und die negativen Auswirkungen verdrängen? Oder wird er sein eigenes Leben opfern, um dem Schurken endlich das Handwerk zu legen? Nur eins ist klar: Aufgeben ist keine Option.

Aber mehr soll ich hier nicht verraten werden, denn dieses spannende und mitreißende Lesevergnügen will ich Ihnen auf gar keinen Fall verderben!

Mark Chisnell (c) Tina Chisnell

Mark Chisnell (c) Tina Chisnell

Ich habe mich beim Lesen von DER ÜBERLÄUFER mehr als einmal gefragt, wie ich mich entscheiden würde. Der ein oder andere Psychotest hat mir ja bereits verkappten Egoismus diagnostiziert – aber da ging es ja immer nur um fiktive Einsätze, um Punkte auf Papier. Doch was würde passieren, wenn das eigene Leben auf dem Spiel steht, das Leben anderer? Eine sehr spannende, aber auch beängstigende Frage, der sich zum Glück kaum jemand von uns jemals in Realität stellen muss. In DER ÜBERLÄUFER aber hat man die Gelegenheit, genau dieses Horror-Szenario hautnah mitzuerleben. Mark Chisnell schreibt so eindringlich und direkt, dass man von Anfang bis Ende mit Martin mitfiebert – seine eigene Moral hinterfragt und am Ende heilfroh ist, dass man zuhause auf der Couch in Sicherheit ist. Wem dieser Nervenkitzel noch nicht genügt, kann sich übrigens in SCHIFFE VERSENKEN ein weiteres Mal in Janacs teuflische Fänge begeben, denn der hat noch ganz andere Spiele auf Lager, mit denen er seine Opfer bis an ihre Grenzen treibt …