„Die Tränen der Vila“ von Wolfgang Jaedtke

17. Februar 2016
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Programmleiter Timothy Sonderhüsken

Programmleiter Timothy Sonderhüsken

Timothy Sonderhüsken, Programmleiter, stellt „Die Tränen der Vila“ von Wolfgang Jaedtke vor:

 

Gute Bücher sind eine Zeitmaschine: Sie tragen uns komfortabel in eine weit vergangene Zeit und lassen uns Abenteuer (mit)erleben, wie wir sie heute in der Realität nicht mehr finden.

Wolfgang Jaedtke lädt uns ein, mit ihm eine Reise in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zu unternehmen. Im einen Moment sitzen wir noch bequem auf unserem Sofa – im nächsten finden wir uns am Rande des Harz wieder: Soldaten des Herzogtum Sachsen brennen ein friedliches Dorf nieder und töten die wehrlosen Bewohner. Nur der junge Odo kann entkommen. Sein abenteuerlicher Lebensweg führt ihn nach Brunsvik, heute als Braunschweig bekannt, zu einer Räuberbande, fast an den Galgen und schließlich in den Dienst eines Ritters. Dieser schließt sich im Jahre 1147 einem Kreuzzug an.

Der Autor, das Buch - JaedtkeNun werden Sie vielleicht denken: „Ach ja, Kreuzzug, das kennt man ja, ab ins Heilige Land und dann …“ Aber darum geht es nicht. Denn tatsächlich wurde damals von Sachsen aus eine Invasion des heidnischen Wendenlands geplant, jenes Gebietes zwischen Elbe, Trave und Oder, das wir heute als Mecklenburg-Vorpommern kennen. Dort lebt die schöne Svetlana, die von den anderen Bewohnern ihres Dorfes wegen ihrer zarten Gestalt und ihrer rabenschwarzen Haare für eine „Vila“ gehalten wird, ein Feenkind. Svetlana ist, den Traditionen des Wendenlandes folgend, im Einklang mit der Natur aufgewachsen. Und das wird sie retten, als die Kreuzritter angreifen …

Dass sich Odo und Svetlana begegnen werden, nun, das wird sich jeder erfahrene Leser an dieser Stelle denken können. Wer nun aber eine 08/15-Liebesgeschichte vor dramatischer Kulisse erwartet, der irrt. Wolfgang Jaedtke hat einen ganz besonderen historischen Roman geschrieben, den ich in eine Reihe mit den Klassikern des Genres wie zum Beispiel jenen von Tilmann Röhrig stellen möchte.

DIE TRÄNEN DER VILA hat mich begeistert, weil ich viel über die damalige Zeit gelernt habe, über die Sitten und Gebräuche im Wendenland und über ein Kapitel der deutschen Geschichte, von dem ich bisher nichts wusste. Odo ist ein spannender Weggefährte, den man gerne begleitet; seine Erzählung scheint teilweise wirklich aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen. Und doch findet man sich im nächsten Moment in einer Actionszene wieder, die an modernes Kino erinnert, nur um dann ruhige, fast mythische Augenblicke in tiefen Wäldern auf nebligen Lichtungen zu erleben. Und dann ist da natürlich noch Sventlana. LANA! Ich verliere mein Herz nicht so schnell an Romanfiguren, aber sie hat es vom ersten Moment an fest im Griff gehabt, weil … nein, das verrate ich Ihnen an dieser Stelle nicht.

Wolfgang Jaedtke (c) privat

Wolfgang Jaedtke (c) privat

DIE TRÄNEN DER VILA hat mich bestens unterhalten – und nach der Lektüre war mir wieder bewusst, wie viel Glück wir haben, in so friedlichen Zeiten zu leben und in einem demokratischen Land, in dem wir Zentralheizung und Supermärkte nur noch selten als den Luxus empfinden … So, und nun mache ich Ihnen Platz in der Zeitmaschine, stelle die Navigation noch schnell für Sie auf das 12. Jahrhundert – und wünsche Ihnen eine angenehme Reise!