Roland Mueller im Interview zu „Die Burgherrin“

9. Juni 2017
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Roland Mueller (c) privat

Roland Mueller (c) privat

„Die ‚Helden‘ dieser Saga sind widersprüchlich, berechnend und dann wieder pragmatisch, leidenschaftlich, liebevoll, kühn und auch erschreckend böse. Sehr menschlich eben.“

Ein Gespräch mit unserem Erfolgsautor Roland Mueller über besondere Helden, starke Frauen und seine historische Saga rund um DIE BURGHERRIN:

 

Lieber Herr Mueller, in Ihrer Trilogie rund um „Die Burgherrin“  verfolgt der Leser das Schicksal der Gräfin von Greifenberg und ihrer Kinder. Gibt es eine Figur, einen Erzählstrang, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

Roland Mueller: „Den gibt es tatsächlich. Neben Eleonore und ihrer Entwicklung zur Herrin der Burg war es immer mehr die Figur von Frieder. In den ersten Bänden war er nur der jüngere Bruder und Gefährte von Wolf. Ihm ergeben, fast hörig, ihn bewundernd und mit allem einverstanden, was Wolf tat, wandelte sich Frieder erst im Laufe der Zeit. Er war oft genauso hart und nicht weniger brutal wie sein dominanter Bruder. So war er zum Beispiel in einem der ersten Bände eindeutiger Mittäter, als es darum ging, einen Leibeigenen mitten im Winter zu bestrafen. Zur Erinnerung: Das einzige Vergehen dieses Mannes war, dass er für sich und seine Familie im lehnseigenen Wald Feuerholz schlug. Die beiden Brüder ertappten ihn auf frischer Tat und zwangen den Mann sich trotz der bitteren Kälte, splitternackt auszuziehen und so zur Strafe nach Hause zu laufen. Auch als Wolf in einer anderen Szene die Frau eines Bauern vergewaltigen will, hält sich Frieder aus der Sache raus und stellt seinen Bruder dafür nicht einmal zur Rede.
Doch bereits da beginnt sich etwas in ihm zu verändern und genau diese Wandlung macht seine Figur interessant. Ja, zugegeben, zu beschreiben, wie Frieder aus dem Schatten seines Bruders und auch seiner Mutter tritt, um eine eigenständige Persönlichkeit zu werden, das war schon interessant. Die anschließende Liebesgeschichte war dann sozusagen das ‚Highlight‘.
Aber auch die Frauengestalten immer wieder facettenreich und widersprüchlich zu schildern, war eine Sache, die mir wirklich wichtig war. Interessant war ja dabei besonders, dass alle Texte ja von einer weiblichen Lektorin gelesen und bearbeitet wurden. Sie betrachtete den Inhalt dabei aus der Sicht einer Frau, aus der Sicht des Lesers und natürlich mit dem Blick des Profis für Texte!“

 

Mueller, Die Burgherrin 1Die Ereignisse und Konflikte, spitzen sich in DIE BURGHERRIN und DIE KINDER DER BURGHERRIN immer mehr zu und erreichen in DAS VERMÄCHTNIS DER BURGHERRIN schließlich ihren dramatischen Höhepunkt. Waren alle Verstrickungen und Eskalationen von Ihnen von Anfang an geplant, oder haben sich manche Schicksale ganz anders entwickelt als ursprünglich gedacht?

Roland Mueller: „Geplant war natürlich eine grobe Rahmenhandlung für alle Figuren. Das war für mich sowas wie eine Wegbeschreibung durch all die Bücher hindurch.
Aber jede Figur hat innerhalb ihrer Geschichte Wendungen und neue Richtungen erfahren, die sich erst beim Schreiben ergaben. Vieles ergab sich vor allem dadurch, dass die Figuren im Laufe der Zeit für mich immer sehr nahe und lebendig waren. So entstand das Leben und Handeln der vielen Personen ganz von alleine.
Außerdem wollte ich ja von Anfang an nicht die klassische Rittergeschichte erzählen – also vom strahlenden Helden auf dem schneeweißen Pferd, der alle Probleme mit Mut, Güte und seiner Gabe als Held klärt. Nein, die ‚Helden‘ dieser Saga sind widersprüchlich und oft schwankend in ihren Entscheidungen, berechnend und dann wieder pragmatisch, leidenschaftlich, liebevoll, kühn und auch erschreckend böse. Sehr menschlich eben.
Außerdem wollte ich das Ende des Mittelalters als eine sehr unruhige und facettenreiche Zeit erzählen. Jahre, die sehr unsicher, hart und mühevoll waren und nichts Heroisches oder Verklärendes an sich hatten.“

 

Mueller, Die Burgherrin 3Die Familie von Greifenberg begleitet Sie nun schon einige Jahre. Haben Sie ein eigenes „Schreibritual“ für diese Geschichten? Musik, die für Sie mit der Burgherrin verbunden ist, eine Nascherei oder einen Ort? Wenn ja, warum?

Roland Mueller: „Eine schwierige Frage, denn was ist das genau? Schiller hatte angeblich immer eine paar angefaulte Äpfel in seiner Nähe liegen, weil ihm der Geruch beim Arbeiten behagte und Henry Miller mochte den Anblick einer nackten Frau beim Schreiben.
Zugegeben, solche Rituale pflege ich nicht. Angefaulte Äpfel werfe ich eher auf den Kompost und eine unbekleidete Frau würde mich ganz sicher vom Schreiben abhalten. Aber ich lese während der Arbeit viel und mir kommt dann meine Fähigkeit zu Gute, so eine Handlung vor meinem geistigen Auge wie einen Film zu sehen.
Tatsächlich kann ich mich in so in eine Handlung ganz intensiv hineinsteigern. Als ob ich dann Beobachter des Ganzen wäre, muss ich nur noch alles aufschreiben. Das passiert gar nicht mal so selten und ist dann jedes Mal wieder erneut sehr  aufregend. Die Arbeit geht dann leicht von der Hand, ich schaffe viel Pensum für den Tag und habe oft Texte, die ich kaum ändern muss. Übrigens, wenn mir gar nichts mehr einfällt, dann mache ich was ganz anderes. Ich räume im Haus auf, spüle Geschirr oder gehe Rasenmähen oder Schnee schaufeln. Das mache ich solange, bis mir wieder was einfällt. Dann eile ich zurück an meinen Schreibtisch. Manchmal steht am Abend irgendwo der Staubsauger rum und ich wundere mich, wie er da hingekommen ist …
Andererseits gibt es immer wieder Momente, in denen ich ein Kapitel wieder und wieder lese und ich fühle mich dann wie ein stiller Beobachter oder Zuhörer. Und so ein Moment ist dann magisch, denn selbst nach wiederholtem Lesen ändere ich nichts mehr.
Denn dann bin ich überzeugt, dass es so passt und auch meinen Lesern gefallen könnte …“