Swantje Oppermann über ihren Roman „Blindes Misstrauen“

29. März 2017
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Swantje Oppermann (c) Ingo Böhm

„Wie die Zukunft wirklich aussehen wird, entscheidet nicht die Technologie, sondern wir Nutzer. Dabei werden wir Schritte vorwärts machen, stolpern, auf die Klappe fallen“

Unsere Autorin Swantje Oppermann über ungewöhnliche Zeugen, die Tücken neuer Technologien und ihren Roman „Blindes Misstrauen“

 

In Bezug auf neue Technologien sind wir Menschen wie Rehkitze, die mit wackligen Beinen Laufen lernen. Manchmal gelingen uns ein paar Schritte vorwärts, manchmal stolpern wir und manchmal fallen wir richtig auf die Klappe. Dabei haben wir keine Ahnung, worauf wir uns einlassen. No risk, no fun.

Oppermann, Blindes Misstrauen 2Erst kürzlich haben US-amerikanischen Polizisten in einem Mordfall Sprachdaten des Audio-Geräts Amazon Echo eingefordert. Echo ist ein Lautsprecher, der von seinem Besitzer mit Sprachbefehlen gesteuert wird. Auf Zuruf spielt Echo deine Lieblingssongs, nennt die Wettervorhersage oder bestellt Hundefutter. Dafür werden die Stimmaufnahmen des Sprechenden gespeichert, analysiert und verarbeitet. Die obengenannten Polizisten aus Arkansas ermitteln in einem möglichen Mordfall und hoffen, dass Echo in der Todesnacht Gespräche aufgezeichnet hat, die Hinweis auf den Tathergang geben. Ein Home Assistant als „Zeuge“ in einem möglichen Mordfall? Das hatten die Entwickler von Echo sicher nicht im Sinn, als sie das Produkt auf den Markt brachten.

Oppermann, Blindes Misstrauen 4Doch nicht der Erfinder entscheidet, welche Auswirkungen seine Schöpfung auf die Gesellschaft hat, sondern die Nutzer. Und nicht jeder Nutzer hat Gutes im Sinn. Irgendwer wird sich die Schwächen des Systems zu Nutze machen. Damit reiht sich Echo in die lange Liste von Elektronikgeräten ein, die ihre Besitzer bespitzeln (können) und uns somit angreifbarer machen. Tag für Tag geben wir mehr Verantwortung ab – an unsere Handys, Laptops, Fernseher, Home Assistants und alles andere, was „smart“ ist. Hauptsache, es ist immer genug Hundefutter da.

In meinem Roman „Blindes Misstrauen“ gehe ich den Tücken neuer Technologien auf den Grund. Mal bitterernst, mal mit einem Augenzwinkern. Die Geschichte spielt im Jahr 2031. Jeder Mensch besitzt ein streng geschütztes digitales Profil, das über spezielle Kontaktlinsen gesteuert wird. Die Technologie fügt sich nahtlos in den Alltag seiner Besitzer ein. Wohnungen, Haushaltsgeräte und Autos sind mit dem persönlichen Profil vernetzt. Auch selbstfahrende Autos sind in dieser Zukunft längst Standard und sorgen dafür, dass die Insassen sicher an ihr Ziel kommen.

Oppermann, Blindes Misstrauen 3Ausgerechnet dieses durchreglementierte System wird unserer Protagonistin Mav fast zum Verhängnis. Denn wenn man vor einem Mörder fliehen muss, sind einem Verkehrsvorschriften egal. Ein Autopilot mit Geschwindigkeitsdrosselung ist wenig hilfreich, wenn der Verfolger in einem gehackten Auto mit 120 Stundenkilometer unterwegs ist. Das sichere System des selbstfahrenden Autos wird auf einmal zur Gefahr. Ähnlich verhält es sich mit den digitalen Kontaktlinsen in „Blindes Misstrauen“. Sie sind komfortabel und zugleich sicherer als alle mobilen Geräte zuvor – bis sie jemand hackt und deaktiviert.

„Blindes Misstrauen“ zeigt in einem von vielen möglichen Szenarien, wie unsere Welt in 14-15 Jahren aussehen könnte. Die Menschen haben so viel Verantwortung abgegeben, dass die neuen Technologien im Ernstfall hinderlich statt hilfreich sind. Wie die Zukunft wirklich aussehen wird, entscheidet aber nicht die Technologie, sondern wir Nutzer. Dabei werden wir Schritte vorwärts machen, stolpern, auf die Klappe fallen. No risk, no fun.