„Die Fantasy verfolgt mich! Oder ich sie?“

17. September 2021
dotbooks

Ein Gespräch mit Thomas Lisowsky über schüchterne Jungen, echte Helden und die Liebe zur Phantastik.

Lieber Thomas: Seit wann begeistert du dich für Fantasy?

Thomas Lisowsky: »Die Fantasy habe ich für mich entdeckt, sobald ich lesen konnte. In der Schule hatte ich es als kleiner und vor allem sehr schüchterner Junge nicht leicht. Darum haben mich damals die Romane vom Urgestein Wolfgang Hohlbein begeistert: Geschichten über Helden, die so stark waren, wie ich es gerne sein wollte. Skar aus der ENWOR-Saga und Talianna aus DIE TÖCHTER DER DRACHEN waren für mich die Vorbilder, die ich in meinem Umfeld nicht hatte. Sie gaben mir – wie Luke Skywalker, Frodo Beutlin oder Sailor Moon – ein Ideal, dem ich folgen konnte.«

Das hört sich an, als würdest du ein echtes Heldenleben führen …

Thomas Lisowsky (lachend): »Nun, soweit würde ich nicht gehen. Aber die Auseinandersetzungen mit diesen Figuren hat mir dabei geholfen, mutiger zu werden und selbstbewusst. Wenn ich mich heute daran erinnere, wie es sich angefühlt hat, der Kleine, der Schwache zu sein, dann denke ich auch zurück an Talianna (die einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat), und ich freue mich, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.«

Ist das der Grund, warum du heute Fantasy-Romane schreibst?

Thomas Lisowsky: »Es ist der Grund, warum ich überhaupt schreibe: Ich möchte sie selbst erzählen, diese Geschichten von Männern und Frauen, die vor unglaubliche Herausforderungen gestellt werden und die Stärke in sich finden, sie zu überwinden und für das zu kämpfen, an das sie glauben. Wichtig ist mir dabei, dass die Figuren ein bisschen wie wir alle sind – keine abgehobenen Helden, sondern so wie du und ich. Alt, jung, groß, klein, gut, böse, das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass man lernt, über sich hinaus zu wachsen.«

Ist ein Leben ohne Fantasy für dich denkbar?

Thomas Lisowsky: » Die Fantasy verfolgt mich! Oder ich sie? Ich habe bei den Berliner Noumena Studios als Game Writer das Fantasy-Rollenspiel DAS SCHWARZE AUGE: DEMONICON mitentwickelt, am Wochenende bin ich gern Spielleiter beim Klassiker DUNGEONS & DRAGONSund lasse mit meinen Freunden die Würfel rollen, und das nun schon seit über einem Jahrzehnt. Zu guter Letzt begeistere ich mich auch noch für das Theaterspielen. Eine meiner liebsten Rollen: Der Anführer einer Rebellentruppe im Jahr 2064 …«

Inwieweit inspirieren dich Vorbilder – also zum Beispiel HERR DER RINGE oder GAME OF THRONES?

Thomas Lisowsky: »Ist es möglich, nicht von DER HERR DER RINGE inspiriert zu sein? Ohne Tolkien gäbe es die Fantasy, wie wir sie heute kennen, nicht, wahrscheinlich nicht einmal diese Genrebezeichnung. Die größte Inspiration sind für mich aber immer einzelne Charaktere, mit denen ich mich verbunden fühle. Manchmal lese ich einen Roman, der mir eigentlich nicht gefällt, trotzdem mit großem Vergnügen, weil ich mich für einen Charakter – und sei es nur eine Nebenfigur – begeistere. Und wie man sich nach dem, was ich vorhin erzählt habe, denken kann, haben es mir besonders die Helden angetan, die für ihr Glück kämpfen müssen: Frodo, Faramir, Eowyn … und um auch noch auf GAME OF THRONES zu kommen: Jon Snow, Arya Stark, Brienne. Starke Frauenfiguren begeistern mich am meisten, da diese oft noch ganz andere Herausforderungen zu überwinden haben als ihre männlichen Gegenstücke.«

Und was hat dich nun konkret dazu inspiriert, MAGIE DER SCHATTEN zu schreiben?

Thomas Lisowsky: »Eigentlich waren es zwei Geschichten, so verschieden, wie sie nur sein können: RAMBO: FIRST BLOOD und DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY. Ich finde das beides ausgesprochen spannend – ein alter Krieger, der aus der Heimat vertrieben wird und damit umgehen muss, ein junger Mann auf der Suche nach der Unsterblichkeit, die für ihn zu treibenden Kraft wird … Die beiden Aspekte in MAGIE DER SCHATTEN wiederzufinden, dürfte nicht schwierig sein. Aber viel mehr will ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten.«

Aber verrate uns doch bitte, mit welcher der beiden Figuren du dich mehr verbunden fühlst: dem altgedienten Söldner oder dem jungen Magier?

Thomas Lisowsky: »Es mag erwartbar sein: Mir steht Nairod näher, der junge Magier. Als Autor ist man schließlich eine Art Zauberer.« (lacht) »Nairod ist von einer Leidenschaft hingerissen, die andere als Hirngespinst abtun: Von einer Magie, die Unsterblichkeit verleihen soll. Er verlässt seine Heimat und die Magierakademie, legt sich mit weit mächtigeren Zauberern an und fürchtet den Tod nicht. Doch seine Leidenschaft macht ihn blind … So eine alles verzehrende Leidenschaft kenne ich auch: das Schreiben. Was würde geschehen, wenn diese Leidenschaft verzehnfacht, verhundertfacht würde …? Ich will es lieber gar nicht wissen!«

Beide Helden müssen eine gefahrvolle Reise unternehmen. Wenn du einen begleiten müsstest, an wessen Seite würdest du dich besser fühlen?

Thomas Lisowsky: »Raigar, der alte Söldner, ist trotz seiner brutalen Vergangenheit so gutmütig, dass er vielen, denen er auf seiner Reise begegnet, naiv erscheint, und dabei schöpft er aus einer fast unzerstörbaren, inneren Kraft. Solche Menschen haben mich schon immer fasziniert, und bei Raigar ist es nicht anders. Wenn einer mich sicher irgendwohin bringen kann, dann er. Aber wenn es nicht um Sicherheit geht, sondern um Abenteuer: Wer erlebt wohl eine spannendere Reise als derjenige, der den Tod nicht fürchtet und auf der Suche ist nach der Unsterblichkeit?«

Nach deinem epischen Fantasyroman hast du dir ein ganz anderes Projekt vorgenommen, die Serie DIE SCHWERTER. Warum?

Thomas Lisowsky: „Ich bin schon immer ein Fan von Serien gewesen, zum Beispiel auch von der rund um Conan, den Barbaren. Es hat mich deswegen gereizt, meine drei Hauptfiguren – den Schwertkämpfer Dante, die Magierin Mel und den Halb-Oger Bross – neun Abenteuer erleben zu lassen, die sich schließlich zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Tatsächlich ist Bross ein wenig von Conan inspiriert worden – allerdings schlage ich in DIE SCHWERTER eine ganz andere Tonart an, frei nach dem Motto ›Das Leben ist immer so lustig, wie man es betrachtet!‹. Dante und Mel nehmen sich darum gerne gegenseitig oder auch mal selbst auf die Schippe. Besonders Dante, der Gauner und Schürzenjäger, vollbringt seine ›Heldentaten‹ oft mit einem Augenzwinkern. Und ich habe gerade ja schon erzählt, dass mich starke Frauenfiguren, die sich in rauen Männerdomänen bewähren, immer schon begeistert haben – und Mel ist so eine. Sie hat auf jeden Anmachspruch eine schlagfertige Antwort parat und immer den richtigen Zauber zur Hand. Wünschen wir uns das nicht alle manchmal?«

Das Gespräch führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.

Thomas Lisowsky wurde 1987 in Berlin geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie, bevor er als Autor bei einer Berliner Entwicklerfirma für Computerspiele arbeitete. 2009 wurde er mit dem ZEIT-Campus-Literaturpreis ausgezeichnet.

Bei dotbooks veröffentlichte Thomas Lisowsky den Roman MAGIE DER SCHATTEN und seine Serie DIE SCHWERTER:

»DIE SCHWERTER – Erster Roman: Höllengold«

»DIE SCHWERTER – Zweiter Roman: Drachenblut«

»DIE SCHWERTER – Dritter Roman: Duell der Klingen«

»DIE SCHWERTER – Vierter Roman: Hexenjagd«

»DIE SCHWERTER – Fünfter Roman: Schwarzer Turm«

»DIE SCHWERTER – Sechster Roman: Verbotenes Wissen«

»DIE SCHWERTER – Siebter Roman: Feuerteufel«

»DIE SCHWERTER – Achter Roman: Blutiger Sand«

»DIE SCHWERTER – Neunter Roman: Dämonenzorn«