»In einem guten Thriller müssen Überraschungsmomente mit unausweichlichen Geschehnissen zusammentreffen, es sollte kein Deus ex Machina auftreten!«

11. Februar 2022
dotbooks

Eine Unterhaltung mit unserer Autorin Jane Stanton Hitchcock über ihre Faszinationen beim Schreiben, die Oberflächlichkeit und den Konkurrenzkampf in der New Yorker High Society und ihre sympathische Protagonistin Jo Slater.

»Liebe Jane Stanton Hitchcock, verraten Sie uns, wie Sie ihre Spannungsromane wie PARK AVENUE KILLINGS und PARK AVENUE MURDERS entwickeln?«

JANE STANTON HITCHCOCK: »Die erste Idee für einen neuen Krimi tut sich in meinem Kopf immer auf wie eine Fata Morgana. Nach dieser ersten Vision mache ich mir genauer Gedanken über das Setting und die Charaktere. Wenn meine Figuren anfangen, mit mir zu sprechen und mich herumzukommandieren, dann weiß ich, dass ich wirklich dabei bin, ein neues Buch zu schreiben. Was meine Themen angeht, werde ich anscheinend besonders angezogen von der klaustrophobischen Stimmung und dem Egoismus, den Reichtum und Macht in der Regel mit sich bringen – zwei Themenbereiche, die heute mehr als je zuvor zusammenhängen. Es ist einfach faszinierend zu beobachten, was für fatale Probleme sich die Menschen einhandeln, die einfach zu viel von allem haben – einschließlich Zeit. Und natürlich gilt für meine Bücher wie für alle anderen des Genres: In einem guten Thriller müssen Überraschungsmomente mit unausweichlichen Geschehnissen zusammentreffen, es sollte kein Deus ex Machina auftreten!«

Jo Slater, die Hauptfigur in PARK AVENUE KILLINGS und PARK AVENUE MURDERS, ist ein Mitglied der New Yorker High Society. Wie viel Wahrheit über diese Menschen steckt in Ihren Büchern?«

JANE STANTON HITCHCOCK: »Mark Twain sagte: ›Schreibe über das, was du kennst.‹ Ich bin selbst in Manhattan aufgewachsen, und zwar während der Hochzeit der sogenannten ›New York Society‹. Eines Tages verrate ich vielleicht, wen ich alles in meinen Büchern versteckt habe …« (lacht) »Heutzutage mag man sich nur schwer vorstellen, wie viel Wert die New Yorker Schickeria auf Designermode und Einladungen zu den ›richtigen‹ Partys gelegt hat. Dort herrschte ein größerer Konkurrenzkampf als bei den Olympischen Spielen! Eine Handvoll Elite-Drachen herrschte über die Brut. Wenn sie dich mochten, hattest du es geschafft – wenn nicht, konntest du zur Hölle fahren. Mir war immer klar, dass man so ein oberflächliches Leben führen muss. Deswegen habe ich mich bewusst entschieden, nicht mehr zu dieser Gesellschaft zu gehören.

Am Anfang von PARK AVENUE KILLINGS ist Jo ganz oben in dieser Schicht. Ihr eigener ›Absturz‹ zeigt, wie oberflächlich Menschen sein können. Diese schillernde Welt, mit all ihrem Protz und ihrer Macht, ist heute zum Glück zu einer Bedeutungslosigkeit verblasst. Zumindest hoffe ich das. Aber es gibt etwas, das in diesem Milieu nie aus der Mode kommt: Rache – süß, aber kalorienarm. Und darum geht es in den Romanen.«

Jo Slater ist ja nun keine typische Romanheldin – und doch kann man nicht anders, als sie ins Herz zu schließen. Was macht Jo für uns so sympathisch?

JANE STANTON HITCHCOCK: »Oh, es war absolut essenziell, dass Jo von meinen Leserinnen und Lesern ins Herz geschlossen wird! Schließlich müssen sie auf ihrer Seite sein, wenn sie – und da verrate ich an dieser Stelle nicht zu viel – einen Mord begeht.

Jo ist eine ehrliche, unaffektierte Frau, die selbst mit humorvollem Esprit auf die New Yorker High Society blickt. Damals haben sich viele Mitglieder der High Society ›reichgeheiratet‹ und hatten im Anschluss das Bedürfnis, für sich selbst grandiose Ursprungsgeschichten zu erfinden. Jo selbst schert sich nicht um ihre bescheidene Herkunft. Dank ihrem Ehrgeiz und ihrer Klugheit ist sie zu einer Kunstexpertin geworden. Sie ist eine liebenswürdige Philanthropin und man liebt sie für ihre amüsanten Beurteilungen ihrer Bekannten und der Welt um sie herum. Sie tendiert außerdem zu einer gewissen Besessenheit, was sie sehr menschlich macht.

Im Endeffekt entpuppt sich Jos resolute Besessenheit ja auch als eine ihrer Stärken – ohne diese würde sie in PARK AVENUE KILLINGS wohl nicht weit kommen, oder?

JANE STANTON HITCHCOCK: Das stimmt. Als Jo von einer gerissenen Gegenspielerin gesellschaftlich ruiniert wird, hat diese keinerlei Absicht, sich – wie es in früheren Zeiten tatsächlich passierte – einfach hinzulegen und Laudanum [eine Opiumtinktur] zu trinken wie Lili Bart, die tragische Protagonistin in Edith Wartons ›Das Haus der Freude‹. Nein, Jo entscheidet sich dazu, erhobenen Hauptes Rache zu üben. Ich glaube, dafür kann man sie schon ein bisschen bewundern.

Wenn das Publikum sie dafür verurteilen würde, könnte das Buch nicht funktionieren. Es ist für mich immer sehr befriedigend zu hören, dass manche Lesende zwischendrin richtiggehend besorgt waren, dass Jo den Mord am Ende vielleicht gar nicht durchziehen würde – und erleichtert, als sie sich ihrer Erzfeindin endlich entledigt hatte! Zur Nachahmung in der Realität ist dies selbstverständlich nicht geeignet …«

Das Gespräch führte Alina Hettmann aus dem dotbooks-Lektorat.

Jane Stanton Hitchcock, in New York geboren und aufgewachsen, ist erfolgreiche Autorin von Bühnenstücken, Filmproduktionen und preisgekrönten Romanen. Neben dem Schreiben ist das Pokerspiel ihre große Leidenschaft: Jane Stanton Hitchcock nimmt regelmäßig an der World Poker Tour sowie den World Series of Poker teil.

Bei dotbooks erscheinen ihre mörderisch guten High-Society-Romane PARK AVENUE KILLINGS und PARK AVENUE MURDERS, sowie ihre psychologischen Spannungsromane DEINE SCHULD WIRD NIE VERGEBEN und DAS SCHWARZE BUCH.