Sandra Henke im indiskreten Interview

5. Juni 2015
dotbooks
Sandra Henke (c) Ricarda Ohligschläger

Sandra Henke (c) Ricarda Ohligschläger

„Manche Figuren müssen zu ihrem Glück gezwungen werden.“

Die Autorin Sandra Henke im Gespräch über starke Helden, die Vorzüge des Squirting und ihre erotischen Bestseller, die sie bei dotbooks und venusbooks veröffentlicht.

 

 

 

 

Liebe Sandra Henke, wie muss man sich den Arbeitsplatz der Autorin vorstellen, die als „Deutschlands Königin des erotischen Romans“ gefeiert wird – Lack und Leder, Samt und Seide … oder stapelweise Notizzettel und Recherchematerial?

Sandra Henke: „Um in Stimmung für Erotika zu kommen, schreibe ich täglich im Domina-Outfit in meinem als BDSM-Keller umgebauten Büro … (lacht) Wenn das die Vorstellung ist, die man von einer Erotikautorin hat, ist man auf dem falschen Dampfer. Wir sind normale Menschen – unsere multiplen Persönlichkeiten leben wir nur in Romanen aus, meistens jedenfalls. Wir tragen bei der Arbeit ganz normale Kleidung – ob wir in unserem Privatleben verführerische Dessous oder Windeln tragen, um uns wieder als Baby zu fühlen, geht niemanden etwas an. Und ja, wir schreiben an einem normalen Arbeitsplatz. Auch das Ausformulieren von erotischen Szenen ist und bleibt Arbeit – aber zugegeben, es macht mehr Spaß über Squirting anstatt über Fracking zu schreiben.“

 

Warum haben Sie Japan als Schauplatz Ihres Romans LOTOSBLÜTE gewählt?

Sandra Henke: „Nirgendwo ist der Kontrast zwischen Kultur und Moderne größer als in Japan, finde ich. Das reizt mich an diesem Land.“

 

Können Sie das etwas genauer erklären?

Sandra Henke: „Auf der einen Seite legen die Japaner extrem großen Wert darauf, ihre Kultur weiterzuleben und zu erhalten, auf der anderen sind sie eins der fortschrittlichsten Länder. Die Kluft ist immens. Es stellen sich mir zwei Fragen. Wie meistern die Japaner den Spagat im Alltag? Und wie lange werden sie es noch schaffen, ihre althergebrachte Kultur weiterleben zu lassen? Leider interessiert sich die Jugend in Japan mehr für Popstars als für Traditionen, genauso wie es in Deutschland der Fall ist. Eben jenen Zwiespalt habe ich als Basis für LOTOSBLÜTE ausgewählt, weil er eine außergewöhnliche und kaum zu lösende Ausgangssituation für mein Liebespaar Bree und Ryan bietet.“

 

Was mögen Sie an Ihrer Hauptfigur Bree?

Sandra Henke: „Sie ist eine Kämpferin, wie alle meine Heldinnen, und gleichzeitig verspürt sie den innigen Wunsch, sich in der Erotik zu unterwerfen. Im Inneren ringt sie mit ihrer Erziehung und mit Ängsten – und traut sich dennoch, ihrer Neigung nachzugehen, wenn auch zuerst zaghaft. Doch als Bondage-Model für ihre Freundin wird sie wohl kaum die Erfüllung ihres Sexlebens finden.“

 

Ich würde es nun nicht als zaghaft beschreiben, wenn man als Bondage-Model auftritt.

Sandra Henke: „Gemessen an dem, was in Bree schlummert, ist dies harmlos – sonst wäre sie keine Figur, die für Leserinnen und Leser attraktiv ist. Daher dränge ich sie frei nach dem Motto ‚Manche Figuren müssen zu ihrem Glück gezwungen werden‘ im Laufe der Romanhandlung, sich ihrer Lust zu stellen, wie eine Mutter, die ihre Tochter liebevoll ins kalte Wasser wirft, damit sie schwimmen lernt. Und siehe da, Bree bricht tatsächlich mit ihrem bisherigen Leben. Sie entdeckt ihre sexuelle und private Erfüllung. Dadurch hoffe ich den Lesern zu zeigen, dass es nur ein wenig Mut braucht, um sein Glück zu finden.“

 

Worin liegt für Sie der Reiz daran, über dominante Männer zu schreiben und die Frauen, die sich ihnen hingeben?

Sandra Henke: „Träumen wir nicht alle von einem starken Mann, der uns eine Lust bereitet, die uns in den Wahnsinn treibt? Das ist ein archaisches Muster, das in vielen von uns verankert ist.“

 

Manche Feministin würde Ihnen an dieser Stelle vehement widersprechen.

Sandra Henke: „Ich schreibe keine Sachbücher über das Leben, wie es ist oder wie es sein sollte – ich schreibe Romane über erotische Fantasien, die das eigene Kopfkino beflügeln. In diesem Sinn sind meine Bücher feministisch, denn ich erzähle von Frauen, die selbstbestimmt agieren und lernen, jenseits gesellschaftlicher Normen und Anforderungen zu sich selbst zu stehen. Allerdings muss ich betonen, dass sich das Machtverhältnis in meinen Romanen rein auf die Erotik bezieht. 24/7 in einer dominant-unterwürfigen Konstellation zu sein ist ein Lebensmodell, das sich nur wenige vorstellen können, und ich gehöre nicht dazu.“

 

Sie möchten also nicht mit Bree tauschen?

Sandra Henke: „Diese Frage stellt sich so nicht. Fantasien oder Rollenspiele beim Sex sind etwas anderes, als sich im Alltag einem Mann zu unterwerfen. Es geht mir in meinen Romanen ausschließlich um sexuelle Anziehungskraft, das Ausleben gemeinsamer Neigungen und eine Symbiose, die das Heldenpaar neben der Liebe noch stärker zusammenschweißt. Man könnte es als Magnet animalischen Ursprungs bezeichnen.“

 

Aber würde Sie ein Mann wie Ryan Ishikawa reizen?

Sandra Henke: „In der Realität wäre dafür meine Freiheitsliebe zu stark. (lacht) Er könnte mir seine Liebe nur beweisen, in dem er mich gehen ließe – und das kann er nicht, aus Gründen, die im Roman angesprochen werden. Ein nicht zu lösendes Dilemma! Aber die Fantasie ist grenzenlos. Ryan ist eine Sahneschnitte, naturdominant und zudem ein Martial-Arts-Kämpfer, also gewohnt, die Kontrolle über sich zu bewahren und im richtigen Moment zuzuschlagen. Gibst es bessere Voraussetzungen für einen Dominus? Dieser Kerl ist ein Traum! In zweifacher Hinsicht.“

 

Alle Ihre Romanhelden sorgen bei Leserinnen für viel Gesprächsstoff …

Sandra Henke: „Das freut mich als Autorin immer wieder sehr. Ich finde es aber extrem schade, dass über meinen Roman FLAMMENZUNGEN weniger diskutiert wird als zum Beispiel über die hocherotische, aber grenzwertige Auspuff-Szene in DIE MASKE DES MEISTERS oder den Sex mit dem Stein in GEBIETER DER DUNKELHEIT. Dabei ist der Held in FLAMMENZUNGEN ein Kracher – muskulös, braungebrannt und ein harter Kerl … Und das Dilemma ist ähnlich wie in LOTOSBLÜTE: Die Heldin Amy und der Held Lorcan können kein Paar werden.“

 

Nur stehen zwischen ihnen – anders als in LOTOSBLÜTEN – nicht Traditionen im Weg, sondern die Justiz.

Sandra Henke: „So ist es: Über Lorcan schwebt der Verdacht, seinen ehemaligen Freund und Geschäftspartner aus Eifersucht ermordet zu haben. Die Anschuldigungen haben ihm fast das Genick gebrochen, nach der Untersuchungshaft lebt er auf der Straße. Aber irrt er ziellos umher? Ist er tatsächlich der arme Kerl, nach dem er aussieht, als Amy ihn aus Mitleid und erotischer Anziehungskraft aufliest? Dadurch, dass sie sich auf ihn einlässt, schwebt sie bald selbst in großer Gefahr. Aber einem Mann wie Lorcan kann keine Frau widerstehen. Wer das nicht glaubt, der soll bitte FLAMMENZUNGEN lesen – und mir dann gerne ein ‚Sie hatten recht‘ schreiben an eMail@SandraHenke.de.“

 

Sie freuen sich also über direktes Feedback von Ihren Leserinnen und Lesern?

Sandra Henke: „Unbedingt! Ich empfinde konstruktive Kritik als sehr lehrreich … und wer bekommt nicht gerne ein Kompliment? Es passiert mir immer wieder, dass ich eine E-Mail bekomme oder auf einer Lesung, einer Buchmesse oder einem sonstigen Event angesprochen werde. So erfahre ich, dass meine Bücher Leserinnen und Leser berührt und ihre Einstellung zur Sexualität verändert haben. Das beschämt mich fast vor Freude – und motiviert mich, weiter zu schreiben!“