„Freiheit für Anfängerinnen“ von Daniel Oliver Bachmann
Timothy Sonderhüsken, Programmleiter, stellt „Freiheit für Anfängerinnen“ von Daniel Oliver Bachmann vor:
Glauben Sie an Gott? Ich nicht. Manchmal wäre es hilfreich, aber ich bekomme das einfach nicht hin. Stattdessen neige ich zum Aberglauben. Kennen Sie den „Fluch des zweiten Buchs“? In Lektorenkreisen ist dies ein gefürchtetes Phänomen: Es geschieht häufig, dass sich das zweite Projekt eines Autors aus unerfindlichen Gründen nicht so gut verkauft wie der Vorgänger. Da hilft auch keine Kerze für den Heiligen Bartholomäus, Schutzpatron der Buchhändler und vermutlich auch für uns Lektoren zuständig.
„All inclusive – Der Schein trügt“, der erste Roman von Daniel Oliver Bachmann bei dotbooks, schlug mich von der ersten Seite an in seinen Bann. Es ist eine abgründige, bitterböse Geschichte, eine Art literarisches Spinnennetz: vielschichtig gewoben, manchmal verwirrend und dabei so spannend, dass man gar nicht merkt, wie man sich immer mehr darin verstrickt. Ich habe Daniel Oliver Bachmann damals voller Überzeugung als „deutsche Antwort auf Bret Easton Ellis“ bezeichnet … und natürlich trat mir der Angstschweiß auf die Stirn, als ich erfuhr, dass er an seinem nächsten Roman für uns arbeitete. Was, wenn der Fluch des zweiten Buchs wieder zuschlagen würde? „Entschuldige bitte, Gott“, versuchte ich mich mit einem unsicheren Blick gen Himmel an einem gewagten Handel, „wir haben länger nicht gesprochen, aber das wäre jetzt wirklich eine gute Gelegenheit, mir zu zeigen, dass es dich gibt.“
Lag es nun an himmlischen Mächten oder am guten Geschmack vieler Leserinnen? Der zweite Roman von Daniel Oliver Bachmann stand unmittelbar nach Erscheinen auf Platz 1 der eBook-Charts einer großen deutschen Buchhandelskette! Es hätte aber wirklich mit dem Teufel zugehen müssen (an den ich, nebenbei bemerkt, auch nicht glaube), wenn „Freiheit für Anfängerinnen“ sich nicht durchgesetzt hätte – denn der Roman ist der Hammer!
Daniel Oliver Bachmann erzählt die Geschichte von Martha, deren Leben an ihrem 50. Geburtstag eine ungeahnte Wendung nimmt. Zuerst fällt ihr treusorgender, aber etwas langweiliger Gatte um. Herzinfarkt. Das war es dann mit der Ehe. Und das Adjektiv „treusorgend“ kann Martha auch direkt streichen: Ihr Mann hatte 35 Geliebte in Italien! Die mussten finanziell unterstützt werden, und deswegen steht Martha nun vor einem Schuldenberg. Da hilft nur eins: die beste Freundin einpacken, zügig in den fünften Gang hochschalten und nach Italien brausen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Und nicht nur das. „Eine Frau über 50 braucht keinen Sex“, heißt es an einer Stelle, „eine Frau über 50 braucht ein Haustier.“ Aber das sieht Martha deutlich anders!
Nach dieser kurzen Inhaltsangabe könnten Sie der Meinung sein, ich würde von einem heiteren Frauenroman berichten. Tatsächlich gibt es in „Freiheit für Anfängerinnen“ jede Menge Gelegenheiten, laut loszulachen – aber der Humor ist nicht etwa rosarot, sondern rabenschwarz. Und auch darüber hinaus hat Daniel Oliver Bachmann einiges zu bieten: Genüsslich zertrümmert er Marthas Leben, gibt ihr so aber die Möglichkeit, sich vollkommen neu zu erfinden. Welche Rolle dabei die bereits erwähnte beste Freundin Ursel spielt, außerdem deren Mann und schließlich Marthas Halbbruder, dürfte selbst die erfahrensten Romanleserinnen überraschen. Sie hin und wieder erröten lassen. Und natürlich bestens unterhalten!
An Gott glaube ich übrigens immer noch nicht. Aber umso mehr an Daniel Oliver Bachmann. Der hat mich von meiner Angst vor dem „Fluch des zweiten Buchs“ geheilt. Er hat bewiesen, dass er großartige Frauenfiguren schaffen kann, die auch Männer begeistern. Und er hat mir immer wieder etwas zum Nachdenken gegeben: „Fällt dir auf“, sagt Ursel im Roman, „dass Erlöser immer männlich sind? Die Erwartung aber, die ist weiblich!“
Wenn Sie also eine neugierige Leserin sind, die sich viel von ihrer Lektüre erwartet: Greifen Sie zu „Freiheit für Anfängerinnen“!