»AUCH DIE WELT IST EINE FIGUR MIT CHARAKTER!«

20. März 2020
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin E.S. Schmidt über World-Building, die Anziehungskraft von Gegensätzen und eine einzelne Idee, aus der eine ganze Trilogie erwuchs.

Liebe Frau Schmidt, woher stammt die Idee zu DAS ERWACHEN DER HÜTERIN und den beiden Folgeromanen der Fantasy-Trilogie »Die Chroniken der Wälder«?

E.S. Schmidt: »Den Ausschlag hat vor einigen Jahren die Ausschreibung zu einem Fantasy-Kurzroman gegeben. Ich dachte mir: ›Fantasy? Da müssen ja wohl Elfen drin vorkommen‹, und startete etwas renitent mit dem Satz ›Daric hasste Elfen‹. Davon ausgehend entwickelte sich eine Liebesgeschichte mit Hindernissen.«

Der Satz kommt in der jetzigen Version gar nicht mehr vor.

E.S. Schmidt: »Nein, er fiel einer Überarbeitung zum Opfer, und das Wort ›Elfen‹ wurde zu ›Elynn‹, damit es mich nicht zu Klischees verleitet. Der Kurzroman wurde tatsächlich veröffentlicht, und als Serienjunkie hat mich die Idee fasziniert, eine ganze Reihe von abgeschlossenen Kurzromanen zu schreiben, die durch einen fortlaufenden Story-Arc zusammengehalten werden. Daraus wurde schließlich die Trilogie DIE CHRONIKEN DER WÄLDER.«

Reden wir über ›World-Building‹, ein sehr wichtiges Thema in der Fantasy-Literatur. Was macht für Sie eine überzeugende Fantasy-Welt aus?

E.S. Schmidt: »Ich muss gestehen, mich interessieren vor allem die Figuren, ihre Beziehungen zueinander und ihre Entwicklung. Darum musste ich mir das World-Building erst erarbeiten. Der Rat eines befreundeten Autors hat mir dabei sehr geholfen: Auch die Welt ist eine Figur. Sie hat eine Vergangenheit, einen Charakter und eine Zukunft.

Durch das Studium anderer Fantasy-Autoren wurde mir klar: Es reicht, wenn es eine einzige Sache gibt, die von unserer Welt abweicht, aber diese muss so gravierend sein, dass sie die gesamte Welt beeinflusst. Diesen Einfluss durch die gesamte Welt hindurch im Detail erspüren zu können, das macht für mich gelungenes World-Building aus.«

Die beiden Hauptcharaktere von DAS ERWACHEN DER HÜTERIN und den beiden Folgeromanen scheinen auf den ersten Blick grundsätzlich verschieden. Hand aufs Herz: Mit wem können Sie sich besser identifizieren?

E.S. Schmidt: »Ich kann jeden der Beiden (und übrigens auch die Nebenfiguren) verstehen und ihr Handeln nachvollziehen, aber identifizieren würde ich mich weder mit einem Schwertsklaven noch mit einer Hüterin der Wälder. Vielleicht macht gerade das den Reiz von guten Geschichten aus: dass man in ein Leben eintreten kann, das einem vollkommen fremd ist, und sich am Ende doch irgendwo darin wiederfinden.«

In ihrer Trilogie existieren zwei Gruppen oder Völker mit sehr unterschiedlichen Auffassungen von der Welt. Haben diese reale Vorbilder oder sind sie komplett ihrer Fantasie entsprungen?

E.S. Schmidt: »Fantasy Welten orientieren sich ja zumeist an historischen Vorbildern, und seit Tolkien ist das häufig das europäische Mittelalter.

Bei der Menschenwelt habe ich mich einerseits an der Antike orientiert, andererseits habe ich viel zum Dreißigjährigen Krieg gelesen. Es ist vielleicht ein bisschen so, als wäre die Antike ohne das Christentum weitergegangen, das ja in Europa solche Dinge wie die Gladiatorenkämpfe, Sklaverei und einen dicht bevölkerten Götterhimmel abgeschafft hat.

Bei den Elynn habe ich mich einerseits an klassischen Naturgeister-Vorstellungen orientiert, und mich andererseits gefragt: wie müsste ein Volk leben, das tatsächlich null ökologischen (und historischen) Fußabdruck hat? Und wie kann eine ganze Art zu so einem Leben finden? Ich hoffe, dass wir Menschen nicht erst eine ähnliche Erfahrung wie die Elynn brauchen, um klug zu werden.«

Das Gespräch führte Conrad Gminder aus dem dotbooks-Lektorat.

E. S. Schmidt wurde 1970 in Frankfurt am Main geboren und erfindet seit dem 6. Lebensjahr Geschichten. Einige davon sind in Zeitschriften und Anthologien vertreten und haben bereits Preise gewonnen.

Bei dotbooks erscheint ihre Fantasy-Trilogie »Die Chroniken der Wälder«, die die folgenden Einzelbände umfasst:

»Das Erwachen der Hüterin«
»Die Rückkehr der Elynn«
»Der Tod der Götter«