Cordula Hamann im Interview
»Man möchte die Abgründe des menschlichen Lebens wenigstens einmal beobachten.«
Ein Gespräch mit Cordula Hamann über Ermittler wider Willen, die Gedankenwelt eines Mörders und ihren Thriller GLASGESICHTER:
Liebe Cordula Hamann: Was hat Sie dazu inspiriert, GLASGESICHTER zu schreiben?
Cordula Hamann: »Zuerst war da natürlich die Idee der grausamen, aber auch faszinierenden Gemälde, die im Mittelpunkt stehen. Daraus entwickelte sich die Idee zu meiner Hauptfigur. Von einer Ausnahme abgesehen, schreibe ich meine Romane grundsätzlich ohne berufliche Ermittler als Hauptpersonen. Ich denke, es gibt inzwischen genug Polizisten, Detektive und Kommissare, die sich im Figurenaufbau teilweise stark ähneln. Viel spannender empfinde ich die Vorstellung, was passiert, wenn eine ›Person wie du und ich‹ plötzlich mit einer Straftat konfrontiert wird. Speziell für GLASGESICHTER bot sich eine berufliche Umgebung der Protagonistin an, die bisher eher selten in Thrillern vorgekommen ist – deswegen ist Andrea Wahrig nun Galeristin.«
Sie schildern die Täterperspektive ausgesprochen eindringlich – ist es Ihnen schwergefallen, in die Haut eines Mörders zu schlüpfen?
Cordula Hamann: »Ja. Es ist emotional nur bedingt möglich, sich wirklich in eine solche Figur hineinzuversetzen. Allerdings stelle ich an meine Romane – neben dem Unterhaltungswert für den Leser – auch den Anspruch an größtmögliche Realitätsnähe. Schriftstellerische Freiheit: ja. Unrealistisch sein: nein. Deshalb habe ich unter anderem mehrere Sachbücher des Kriminalisten Stephan Harbort gelesen: Der Autor hat nahezu alle deutschen Serienmörder interviewt und gilt als Spezialist auf diesem Gebiet. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema gelang es mir, mich in einen Täter hineinzudenken und herauszuarbeiten, wie die Biografie des Mörders in GLASGESICHTER aussehen könnte. Das ist mir oft sehr nah gegangen. Trotzdem bleibt es natürlich – und zum Glück – für einen Schriftsteller letztlich immer nur ein Blick über die Schulter des Mörders, kein Versinken im moralischen Abgrund.«
Wenn man sich wie Sie so intensiv mit dem Täter auseinandersetzt – wünscht man sich für ihn dann am Ende nicht doch ein Happyend?
Cordula Hamann: »Nein. Eher so etwas wie Erlösung oder Erleichterung. Auch wenn sehr oft bei einem Serienmörder ein ausgeprägter Realitätsverlust vorliegt, so hat er diesen Verlust in der Regel erst im Laufe einer langen Zeit – und ausgelöst durch viele Aspekte seines Lebens – erworben. Ab und zu dringt in sein Bewusstsein, dass seine Taten und seine persönlichen Einstellungen dazu grausam und falsch sind. Nicht selten liest man davon, dass Serienmörder am Ende gefasst werden wollen, damit sie dem innerlichen Drang nicht mehr nachgeben müssen beziehungsweise können. Der Mörder, über den ich in GLASGESICHTER schreibe, war eine echte Herausforderung, und es hat Mut gekostet, mich ihr zu stellen.«
Die Gemälde, um die es in GLASGESICHTER geht, erstrahlen auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Perversion. Würden Sie sich eine solche Ausstellung ansehen?
Cordula Hamann: »Würde ich so eine Ankündigung in der Presse lesen, wäre ich wahrscheinlich viel zu neugierig, um sie mir nicht auch anzuschauen. Alles, das weit außerhalb der eigenen Erfahrungs- und Erlebniswelt liegt, übt ja eine gewisse Faszination aus: Man möchte die Abgründe des menschlichen Lebens wenigstens einmal aus sicherem Abstand beobachten. Während das Verantwortungsgefühl für das eigene Leben und das seiner Mitmenschen in der Realität dafür sorgt, dass man diesem Wunsch nicht nachgeht beziehungsweise gar nicht nachgehen will, kann man sich dem in einer fiktiven Welt gefahrlos hingeben. Ich denke, das ist auch ein Grund, weshalb so viele Menschen Krimis und Thriller lesen oder entsprechende Filme und Serien anschauen. Mit GLASGESICHTER gebe ich meinen Lesern die Chance, in eine für sie fremde, erschreckende Welt abzutauchen – aus der sie aber jederzeit zurückkehren können, wenn ihnen die Erfahrung zu intensiv wird.«
Andrea Wahrig beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, nachdem sie zu Beginn von GLASGESICHTER einen anonymen Brief bekommen hat – würden Sie sich so etwas auch trauen?
Cordula Hamann: »Ich vermute, ja – weil ich sehr wahrscheinlich, ähnlich wie Andrea Wahrig, an den schlechten Scherz eines Konkurrenten oder an die Rache eines beleidigten anderen Künstlers denken würde. Ich würde es nicht für möglich halten, dass ausgerechnet ich Berührung mit einem ›echten‹ Mörder hätte. Deshalb sähe ich die Gefahr nicht. Und ehe man sich versieht, ist man dann bereits mittendrin. Wäre noch dazu ein enger Angehöriger das bedrohte Opfer, könnte ich wie Andrea nicht mehr untätig bleiben. Die Sorge würde vermutlich die Angst zurückdrängen. Allerdings hätte ich – anders als Andrea in GLASGESICHTER – früher die Polizei eingeschaltet. Zumindest hoffe ich das. Denn wer weiß, wie man sich durch eine Person wie Oleg, der in Andreas Augen mehr Erfahrungen mit Straftaten hat, beeinflussen lassen würde, wenn man selbst bisher keinerlei Berührungen mit einem kriminellen Umfeld gehabt hat.«
Haben Sie als Krimiautorin nicht automatisch Berührungspunkte oder ein Verständnis für kriminelle Umfelder?
Cordula Hamann: »Lesen Sie GLASGESICHTER. Wenn Sie – wie viele andere Leser – nach der Lektüre davon überzeugt sind, dass es so ist, habe ich meinen Job gut gemacht.«
Das Interview führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.
Die Autorin:
Cordula Hamann, geboren 1959 in Hannover, arbeitete nach einer juristischen Ausbildung lange als Unternehmerin im Immobilienbereich, bevor sie begann, Thriller zu schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Berlin und Spanien.
Mehr Informationen über Cordula Hamann im Internet: http://www.cordulahamann.de/
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