Daniel Scholten über die Entstehung seiner Cederström-Krimis
„Ein guter Mord ist nicht das Ende, sondern der Anfang“
Ein Gespräch mit Daniel Scholten über ungewöhnliche Ermittlungen, das Lebensgefühl echter Stockholmer und seine Kriminalromane rund um Kommissar Cederström.
Sie sind Deutsch-Isländer – warum siedeln Sie die Kriminalromane rund um Kommissar Cederström nicht in Reykjavik oder Berlin an, sondern in Stockholm?
Daniel Scholten: „Ich lebte in Stockholm, als ich mit dem Schreiben anfing, und kannte als Nachtfotograf jeden Winkel dieser Stadt, deren dramatische Geografie mich zur Cederström-Action verleitet hat: Durch das viele Wasser sind die Stadtteile verdichtet und alles liegt nah beieinander. Ständig geht es auf und ab. Deswegen ist die schwedische Hauptstadt für mich der perfekte Schauplatz für eine Krimiserie.“
Viele Kriminalromane, die aus Skandinavien kommen, haben schwermütige oder anderweitig herausgeforderte Protagonisten – Kjell Cederström ist dagegen auffallend normal und sympathisch. Warum?
Daniel Scholten: „Diese Frage hat mir einmal eine Journalistin gestellt, während wir am Rande des leeren Werftbeckens auf Beckholmen standen, das in einem Cederström-Fall eine besondere Rolle spielt. Im nächsten Augenblick kam ein Postauto ums Eck gerast – der Fahrer wurde von dem riesigen Loch im Boden überrascht und konnte gerade noch bremsen. Während er den Rückwärtsgang einlegte, reckte er den Kopf aus dem Fenster, warf einen Blick in den Abgrund und sagte: ‚Heute ist nicht mein Tag.‘ So lebt es sich als Stockholmer: mit einer gehörigen Portion Ironie. Und so lebt Kommissar Cederström: Er führt seine Ermittlungen mit Karacho – und sitzt regelmäßig in der Patsche.“
Wenn Sie einen Kriminalroman schreiben, was ist dann zuerst da: die Leiche, der Täter, die Auflösung?
Daniel Scholten: „Das Tatortbild! Und mittendrin ein verstörender Widerspruch, vor dem ich zuerst so fassungslos stehe wie der Kommissar. Während die Ermittler versuchen, das Rätsel zu lösen, verändert es sich fortlaufend. Ein guter Mord ist nicht das Ende, sondern der Anfang unerhörter Ereignisse und Wendungen.“
In Ihre Kriminalromane mischt sich immer ein ungewöhnliches Element – ein Geheimnis aus der Bronzezeit oder eine Frau mit einer ungewöhnlichen Genstruktur. Was reizt Sie daran?
Daniel Scholten: „Die tote Frau aus meinem dritten Cederström-Krimi ‚Der kopflose Engel‘ hat nicht nur eine ungewöhnliche Genstruktur, sondern ist mit keinem Menschen auf der Erde entfernt verwandt! Außerdem trägt sie keine Papiere bei sich, aber ein verschlossenes diplomatisches Kuvert. Wenn Cederström am Tatort eintrifft, sind herkömmlichen Ermittlungsmethoden immer schon ausgereizt. Er muss ungewöhnliche Dinge tun, und die haben immer überraschende Folgen. Warum? Weil dies mich als Autor reizt – und meine Leser so etwas bekommen, was sie immer wieder überrascht.“
Neben Ihrer Hauptfigur Kjell Cederström gibt es tolle Nebenfiguren in Ihren Krimis. Haben Sie einen besonderen Liebling?
Daniel Scholten: „Kjell ist in den ereignisreichen Ermittlungen eher das Zentrum für Erkenntnistheorie und Sarkasmus. Er ist mir selbst natürlich am nächsten, und mit ihm mache ich mich über alles lustig, was ich privat ernst nehme. Meine Lieblinge sind aber die Frauenfiguren wie Sofi, Kjells Partnerin, und seine Tochter Linda. Ich habe große Freude an ihrem Innenleben und entwickle daraus die gesamte äußere Handlung.“