»DEM WAHNSINN DES ALLTAGS KANN MAN MANCHMAL NUR MIT HUMOR ENTKOMMEN«

19. Juli 2019
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin FRANZISKA WEIDINGER über die Eigenarten von bayerischen Dörfern, die schönsten und heitersten Fluchtwege aus dem Alltag und ihre charmanten Provinz-Romane KEINE SAU HAT MICH LIEB und AUCH HÜHNER TRÄUMEN VON DER LIEBE.

In KEINE SAU HAT MICH LIEB und AUCH HÜHNER TRÄUMEN VON DER LIEBE zeigen sich Ihre Leser begeistert von der Protagonistin Burgi, die voller Energie und Witz steckt. Welche weiteren Gründe gibt es, Ihr Buch zu lesen?

Franziska Weidinger: »Man sollte das Buch lesen, wenn man aus einem Dorf kommt und etwas davon zwischen zwei Buchdeckeln wiederfinden möchte, oder aber, wenn man aus der Stadt kommt und sich traut, ein literarisches Dorfsurvivaltraining zu absolvieren.

Wenn man, wie Burgi, Lust hat, sich zu verlieben, aber nicht den oder die Richtige(n) findet, oder, wie Anni, sich heftig verliebt, obwohl’s grad gar nicht passt …

Wenn man Sehnsucht nach Poesie hat und Lust auf deftiges Essen und wenn man bayerisch fluchen lernen will.

Und nicht zuletzt, wenn man der Meinung ist, dem Wahnsinn des Alltags nur mit Humor beikommen zu können.

So gesehen gibt’s keinen Grund, das Buch nicht zu lesen!«

Liebe Frau Weidinger, warum haben Sie sich für das Dorf als Schauplatz Ihres Romans KEINE SAU HAT MICH LIEB entschieden?

Franziska Weidinger: »Ich wollte eine regionale Geschichte schreiben, möglichst authentisch und da bietet sich natürlich ein Dorf an. Das ist der Mikrokosmos, in dem alle Typen sehr konzentriert vorkommen, was viel Platz für Komik bietet. In der Stadt gibt es das nur ansatzweise und eben nicht so auf den Punkt gebracht. Ich mag das. Den Leuten aufs Maul schauen, den Witz und den Charme hinter den Alltagsdingen zu entdecken, aber auch die Dinge, über die man sich nur hinter vorgehaltener Hand unterhält.«

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Dorfmetzgerin und Hauptfigur Burgi den schwierigen Roman „Ulysses“ in KEINE SAU HAT MICH LIEB und AUCH HÜHNER TRÄUMEN VON DER LIEBE als Orakel benutzen zu lassen? Gibt es eine besondere Anekdote dazu?

Franziska Weidinger: »Die gibt es: Mein Onkel hat James Joyce sehr verehrt und als er gestorben ist, habe ich seine Joyce-Bibliothek quasi geerbt. Darunter natürlich auch Ulysses. Damals war ich siebzehn – und seitdem begleitet mich dieses Buch. Immer wieder habe ich versucht, es zu lesen. Aber es ist zu verrätselt, um es einfach so verstehen zu können, finde ich. Dennoch fasziniert mich das Buch noch immer, vor allem die Sprache und eben die Tatsache, dass es so geheimnisvoll ist. Ich dachte mir daher, wenn man als junge, toughe Metzgerin in einem kleinen Dorf von einem anderen Leben träumt, ist Ulysses genau das Richtige, um zwischen Schweineschnitzeln und Leberkäs eine kleine Pforte in eine andere Welt zu öffnen.«

Haben Sie selbst im Dorf gelebt und decken sich Ihre Erfahrungen mit denen von Burgi & Co. in KEINE SAU HAT MICH LIEB?

Franziska Weidinger: »Ja, auf alle Fälle. Ich komme ja aus Garmisch-Partenkirchen, also auf der Deutschlandkarte ganz, ganz unten, wo es nicht mehr weitergeht und man umzingelt von Bergen ist. Der Ort ist mit seinen rund 30.000 Einwohnern zwar kein kleines Dorf, aber in der Ecke, in der ich aufgewachsen bin, im ›tiefen‹ Partenkirchen, ist es doch sehr dörflich und traditionell geblieben. Es gibt viele Vereine, Stammtische, den ›Dorfmetzger‹ und den ›Dorfpfarrer‹. Jeder kennt jeden, was Vor- und Nachteile hat. Man fühlt sich gut aufgehoben. Manchmal kann es aber auch schwierig sein: Wenn man aus der Reihe tanzt, muss man ein dickes Fell haben und sich durchsetzen, bzw. darf sich einfach nicht drum kümmern, was die Leute sagen. Das kenne ich gut. Ich habe mich also bei Burgis Umfeld so nahe wie möglich an meine eigenen Erfahrungen gehalten und dann eine Geschichte drumherum gesponnen.«

In KEINE SAU HAT MICH LIEB fliegen die Frauenherzen dem knackigen norddeutschen Hinnerk nur so zu – aber es gibt durch ihn auch viel Unruhe. Möchten Sie Außenstehende vor dem Dorfleben warnen – oder Dorfleute vor Fremden?

Franziska Weidinger: »Auf keinen Fall! Hinnerk bringt ja erst so richtig Schwung in das kleine Untermarktlbrunn. Gerade wer nicht aus dem Dorf kommt, wird sich köstlich über seine Wirkung auf die Dorfleute amüsieren. Und viel gibt es auf dem Dorf ja nicht zu beachten: Wer nicht besserwisserisch daherkommt, beim Bäcker Semmeln bestellt, statt Brötchen und weiß, dass der Leberkäs eine Wurst und kein Käse ist, ist schon mal gut beraten. Wer dann noch ab und zu mal eine Halbe Bier in der Dorfwirtschaft trinkt und nicht gleich beleidigt ist, wenn einem der etwas raue Charme der Stammgäste begegnet, kann nicht mehr viel falsch machen.«

Das Gespräch führte Agnes Ejma aus dem dotbooks-Lektorat.

Franziska Weidinger, Jahrgang 1968, hat Rechtswissenschaften und Sprachen studiert und einige Zeit in Italien gelebt. Während ihres Studiums arbeitete sie als Kioskverkäuferin auf der Zugspitze und hat jahrelang die Werdenfelser Hornschlittenfahrer vor ihrem waghalsigen Rennen mit Schnaps und aufmunternden Worten versorgt.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre beiden Provinz-Romane KEINE SAU HAT MICH LIEB und AUCH HÜHNER TRÄUMEN VON DER LIEBE.

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