Doris Heinze im Interview
„Unsere Welt ist voller absurder Ereignisse“
Doris Heinze über die Vorteile des Krimischreibens, die verwirrende Normalität von Hortensien und ihren Ermittler Karl Hieronymus Schröder.
Liebe Doris Heinze: Sie haben erfolgreiche Drehbücher geschrieben, nun widmen Sie sich Kriminalromanen. Welche Form ziehen Sie vor?
Doris Heinze: „Das Schöne ist, dass man beides nur schwer miteinander vergleichen kann.
Beim Drehbuch gibt es eine Längenvorgabe, in der eine Geschichte erzählt werden muss; es gibt kurze Motivbeschreibungen und vor allem Dialoge. Das hat sehr viel Spaß gemacht, vor allem, wenn ich beim Schreiben bestimmte Schauspieler im Kopf hatte.
Heute ziehe ich das Romanschreiben eindeutig vor. Es gibt mir die Möglichkeit, Menschen, Welten zu beschreiben, zu charakterisieren, sehr viel mehr ins Detail zu gehen und damit auch genauer über Geschehnisse zu reflektieren. Das habe ich übrigens erst einmal lernen müssen. Und bei manchen Figuren habe ich auch heute bestimmte Schauspieler im Kopf, ohne dass es für den Leser ersichtlich wird.“
Sie haben maßgeblich an der Entwicklung bekannter TATORT-Figuren mitgewirkt. Was ist Ihnen bei der Gestaltung eines Ermittlers in einem Kriminalfall wichtig?
Doris Heinze: „Als Autor möchte ich alles über meine Hauptfigur wissen: Elternhaus, Kindheit, Jugend, Werdegang, Freunde, Lieben, auch wenn kaum etwas davon für eine Geschichte relevant wird. Das alles formt den Charakter, die Art zu denken und zu handeln. In vielen Situationen muss ich als Autor dann gar nicht lange darüber nachdenken, wie sich die Figur in bestimmten Situationen verhalten wird. Sie wird das tun, was ihr aus ihrer Perspektive richtig erscheint. Sie kann gar nicht anders.“
Was mögen Sie an Ihrem Ermittler Karl Hieronymus Schröder – und was nicht?
Doris Heinze: „Schröder ist ein eigenwilliger Charakter, der vor allem mit sich selbst nicht immer gut zurechtkommt. Seine Persönlichkeit ist geprägt von all den Widersprüchen, die sein Leben begleitet haben. Hinzu kommt sein nicht unerhebliches Dissonanzpotential. Das allerdings mag ich besonders an ihm. Ganz im Gegensatz zu seinem Namen. Angeblich werden Kinder, die einen Hubertus oder Konstantin mit auf den Weg bekommen, es im Leben eher zu etwas bringen als beispielsweise ein Kevin. Schröders Diplomateneltern wollten dem offenbar noch eins draufsetzen. Daher der Hieronymus. Kein Wunder, dass alle ihn nur Schröder nennen. Ich übrigens auch.“
Viele deutsche Kriminalautoren konzentrieren sich auf Fälle, die vor unserer eigenen Haustür spielen – Sie gehen genau den anderen Weg und rollen in EIN FALL FÜR SCHRÖDER – DER SPIELER ein internationales Verbrechen auf. Warum?
Doris Heinze: „Geschichten, die einfach so vor der Haustür spielen, die ihren Reiz daraus ziehen, dass jeder Baum, jede Telefonzelle am richtigen Platz steht, haben mich nie interessiert. Weder als Autor noch als Leser. Für mich ist es spannender, meine Hauptfiguren dabei zu beobachten, wie sie sich einer auch ihnen unbekannten Materie nähern, wie sie sich einlassen auf fremde Menschen und Orte.
Unsere Welt ist voller absurder Ereignisse, es lohnt sich, genauer hinzuschauen, wobei eine gewisse ironische Distanz durchaus von Vorteil sein kann. Bei DER SPIELER war für mich die Parallelität der explodierenden Finanzkrise mit ihren geschäftigen Managern und des Ausbruchs des Vulkans auf Island, der kurzerhand den internationalen Flugverkehr lahmgelegt hat, faszinierend. Das Spannende für mich war auch, dass Schröder und der schlammgrüne Cordhosen tragende Scotland-Yard-Inspector so gar nicht in diese pseudo-wichtige Finanzwelt passen. Sie wirken fast wie aus einer anderen Zeit – und haben der Welt, in der sie sich bewegen müssen, doch einiges voraus.“
In Schröders zweitem Fall DIE TOTE IM KOFFERRAUM spielen der Kalte Krieg und seine Folgen, die in der Gegenwart immer noch zu spüren sind, eine Rolle. Was hat Sie an dieser Idee gereizt?
Doris Heinze: „Auch zu dieser Geschichte kam die Anregung aus der Realität. Eines Tages las ich von russischen Spionen in den USA, die als unauffällige Familien in gepflegten Reihenhäusern mit Hortensien im Vorgarten lebten. Eine Model-Agentin gab es natürlich auch. Als dann beim Neubau des BND in Berlin Baupläne verschwanden, hat das meine Phantasie lustvoll angeregt. Noch heute sehe ich Hortensien in Vorgärten mit anderen Augen.“
Schröder will eigentlich Ruhe erleben – kann diese aber nur schlecht aushalten. Geht es Ihnen genauso?
Doris Heinze: „Wenn es um die Ruhe der Nordseewelt geht, die Stille mancher Tage, an denen man kaum mehr wahrnimmt als Wind und Vogelstimmen – und irgendwann zuverlässig auch Rasenmäher und Motorsägen –, trifft das auf mich nicht zu. Und ich glaube, auch nicht auf Schröder. Es ist eher die phantasiegeladene Unruhe kreativer Menschen, die wir beide teilen und die uns antreibt.“
Das Interview führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.
Doris Heinze, geboren in Mülheim an der Ruhr, arbeitete als leitende Redakteurin für Kino- und Fernsehfilme des NDR. Außerdem schrieb sie zahlreiche Drehbücher und war an der Entwicklung erfolgreicher TV-Charaktere wie Charlotte Lindholm aus dem TATORT Hannover und Klaus Borowski aus dem TATORT Kiel maßgeblich beteiligt. Doris Heinze lebt heute mit ihrer Familie in Nordfriesland.
Bei dotbooks veröffentlichte Doris Heinze die beiden Kriminalromane rund um den Ermittler Karl Hieronymous Schröder: „Der Spieler“ und „Die Tote im Kofferraum“.
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