E.W. Heine im Interview

4. März 2016
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E.W. Heine (c) privat

E.W. Heine (c) privat

„Wer einen Fluss ergründen will, muss seine Quellen kennen.“

Ein Gespräch mit unserem Autor E.W. Heine über Morde in der Vergangenheit, Gewalt in der Gegenwart und seinen Roman DAS HALSBAND DER TAUBE.

 

Der Geheimbund der Assassinen spielt in DAS HALSBAND DER TAUBE eine zentrale Rolle spielt. Wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworden?

E.W. Heine: „Als Projektleiter einer Stadt in Saudi-Arabien fand ich in der Einsamkeit der Wüste viel Zeit zum Schreiben. Als Berater beim dortigen Innenministerium bot sich mir in den 80iger Jahren außerdem die Gelegenheit, die fremdartige Welt der Wahabiten aus der Nähe kennenzulernen. In langen Gesprächen an Lagerfeuern und in Nomadenzelten erzählten meine arabischen Freunde von den Assassinen, von Alamut und dem Alten vom Berge. Sie sprachen auch, wie kann es unter Männern anders sein, von den Frauen, von der Liebe, von ihren Träumen und Ängsten, vom wahren Glauben und dem Wesen der Wüste. Intime, sehr persönliche Dinge, die man in keiner Niederschrift findet. Diese Gedankenwelt hat mich nie wieder ganz losgelassen. Als ich ein paar Jahre später in Bayern von Ludwig dem Kelheimer hörte, der nach urkundlicher Aussage der umliegenden Klöster von einem Assassinen erdolcht wurde, schloss sich der Kreis, und die Idee zu DAS HALSBAND DER TAUBE war geboren. Meine Tagebuchnotizen aus jener Zeit in Saudi-Arabien dienten mir als Grundlage für meine Recherchen.“

 

Heine, Das Halsband der Taube 3Wie genau kamen Sie auf die Idee, den Mord an besagtem bayerischen Herzog Ludwig im Jahre 1231 als Ausgangspunkt Ihres Romans zu benutzen?

E.W. Heine: „An der Außenwand des alten Rathauses in Kelheim steht in Stein gemeißelt: ‚1231, den 16.Sept. wurde Herzog Ludwig getötet durch Meuchelmord auf der Donaubrücke.‘ Geht man dem auf den Grund, so erfährt man, dass Ludwig während eines Spazierganges in seiner Residenzstadt erdolcht wurde, und zwar von einem Assassinen. Für die Menschen des 14. Jahrhunderts war das ein undenkbares Sakrileg: Attentate gab es in den oberitalienischen Stadtstaaten, aber nicht in Bayern! Hier wurde von Gottes Gnaden regiert. Ein Attentat auf einen Regenten war nicht nur ein Schwerverbrechen, sondern Gotteslästerung und damit eine Todsünde. Zudem erfreute sich Ludwig großer Beliebtheit. Als er während eines Kreuzzuges in Gefangenschaft geriet, kauften ihn seine Kelheimer für einen hohen Betrag in reinem Silber frei. Und Kaiser Friedrich, der auf Sizilien residierte, hatte ihm seinen eigenen Sohn geschickt mit der Bitte: ‚Mach einen Mann aus ihm!‘ Warum fällt so ein hoch angesehener Regent einem Attentat zum Opfer? Meine Neugierde war geweckt. Und die Spuren, die ich verfolgte, führten mich bis weit in den Orient – und zu den Assassinen.“

 

DAS HALSBAND DER TAUBE ist der erste Roman in einer Trilogie, in der Sie sich mit den Weltreligionen Judentum, Islam und Christentum auseinandersetzen. Was reizt sie an der Thematik?

E.W. Heine: „Mit Hilfe des historischen Romans gelingt es dem modernen Menschen, über die Vergangenheit zu philosophieren. Der Glaube an Gott hat im Angesicht der gotischen Dome einen anderen Stellenwert als das ‚Wort zum Sonntag‘ im Fernsehen. Bedingungslose Hingabe zu Gott, Volk und König, Standesehre, unbeugsamer Stolz, Heldentum bis in den Tod, Zweikampf – das waren einst hohe Ideale, davongetragen vom Strom der Zeit. Judentum, Islam und Christentum haben über weite Strecken diesen Strom beherrscht, auf dem wir immer noch treiben. Und wer einen Fluss ergründen will, sollte seine Quellen kennen.“

 

Heine, Das Halsband der Taube 1Warum glauben Sie, sollte man Ihren Roman unbedingt lesen?

E.W. Heine: „DAS HALSBAND DER TAUBE ist nicht nur ein spannender historischer Roman, der von einer geheimnisvollen Zeit erzählt und einlädt zu einer sinnlichen Reise in die Vergangenheit. Der Roman vermittelt auch eine erschreckend aktuelle Erkenntnis: Der Terror der Assassinen liegt nicht hinter uns, er beginnt immer wieder von neuem. Nach ismaelitischer Überlieferung hat der Alte vom Berge eine Botschaft hinterlassen, der zufolge er nach eintausend Jahren wiederkehren werde, um sein Werk zu vollenden. Fast auf den Tag genau nach eintausend Jahren arabischer Zeitrechnung wurde in Ghom, der heiligen Stadt der Schiiten, der Ayatollah Chomeni geboren. Nach dem Terroranschlag auf die amerikanische Marinebasis in Beirut im Oktober 1983, bei dem zweihundertvierzig Menschen getötet wurden, verkündete er: ‚Es wird Zeit, den Großmächten in Ost und West zu zeigen, dass wir es mit der ganzen Welt aufnehmen können. Je mehr Fedawis sich für unsere Idee opfern, umso mehr wird man uns fürchten und respektieren.‘ DAS HALSBAND DER TAUBE erhebt nicht den Anspruch, uns verstehen zu lassen, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die heute in einen angeblich ‚heiligen Krieg‘ ziehen. Aber der Roman erzählt davon, wie dies alles vor langer Zeit begonnen hat.“

 

Mit 500.000 verkauften Exemplaren ist DAS HALSBAND DER TAUBE ein echter Bestseller. Haben Sie dies während der Arbeit am Roman schon geahnt?

E.W. Heine: „Goethe hat einmal gesagt, wer ein Buch schreibt und nicht davon überzeugt ist, dass sein Werk ein großer Erfolg wird, sollte es besser sein lassen. Natürlich habe ich an den Erfolg geglaubt! Dass es solch ein Erfolg werden würde, war allerdings nicht vorauszusehen. So etwas lässt sich nicht planen. Es heißt: Drei Dinge sind wichtig, um einen Bestseller zu schreiben. Das Dumme ist nur, dass keiner diese drei Dinge kennt …“