»Ein spannendes Romansetting: Besatzer und Besetzte, die auf den malerischen Inseln im Ärmelkanal auf engstem Raum miteinander leben, ja überleben müssen.«

6. Mai 2022
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin Judith Nicolai darüber, was sie zu ihrer Inselsaga DIE TÖCHTER DER STURMINSEL inspirierte, warum der Roman nur auf der Kanalinsel Guernsey spielen konnte und welche außergewöhnliche Rolle viele Frauen während der Kriegsjahre dort einnahmen:

Liebe Frau Nicolai, Ihr neuer Roman DIE TÖCHTER DER STURMINSEL spielt während des Zweiten Weltkriegs auf der britischen Insel Guernsey – wie kamen Sie auf diesen ungewöhnlichen Schauplatz?

Judith Nicolai: »Die Kanalinseln als Romanschauplatz schwirrten mir schon im Hinterkopf herum, seit ich vor Jahren das erste Mal darüber gelesen habe, dass sie während des 2. Weltkriegs von der deutschen Wehrmacht besetzt waren. Zum einen ist das ein Teil der deutschen Geschichte, der wohl nur wenigen bekannt ist, zum anderen bietet sich diese Konstellation ideal als spannendes Romansetting an: Besatzer und Besetzte, die auf den malerischen Inseln im Ärmelkanal auf engstem Raum miteinander leben, ja überleben müssen. Anfangs war diese erzwungene Koexistenz tatsächlich vergleichsweise friedlich, soweit man das über eine Besatzung überhaupt sagen kann. Die Inselbewohner versuchten, diese ›lästige‹ Situation mit typisch britischer ›stiff upper lip‹ durchzustehen und die Deutschen mehr oder weniger zu ignorieren. Die Wehrmachtssoldaten wiederum waren angewiesen, sich – im Gegensatz zu den anderen besetzten Gebieten – auf den Kanalinseln anständig zu verhalten. Doch mit der Zeit wurde die Situation immer angespannter; nach der Befreiung Frankreichs waren die Inseln fast ein Jahr lang völlig von der Außenwelt abgeschnitten, und Inselbewohner und Deutsche hungerten gleichermaßen. Und natürlich schwelen bei einem Zusammenleben auf so engem Raum bald Hass und Liebe gleichermaßen …«

Sie erzählen die Schicksale zweier außergewöhnlicher Frauen: der kämpferischen Alice und der sanften Friederike. Welche Gegensätze prallen bei ihnen aufeinander – und was verbindet sie trotz allem?

Judith Nicolai: »Auf den ersten Blick könnten Alice und Friederike vermutlich gar nicht unterschiedlicher sein: Alice ist auf der Kanalinsel Guernsey geboren, sie ist eine energische Farmerin, die, während ihr Mann bei der britischen Air-Force gegen die Deutschen kämpft, ihre Farm im Krieg allein bewirtschaften muss. Von den Wehrmachtssoldaten, die bei ihr auf dem Hof einquartiert sind, lässt sie sich nichts gefallen. Friederike dagegen scheint anfangs ein zartes, zerbrechliches Wesen, umso mehr in dieser dunklen Zeit des Krieges. Von ihrem Ehemann, einem deutlich älteren Wehrmachtsoffizier, wird Friederike bevormundet; um mehr als um Heim und Herd soll sie sich nicht kümmern. Doch beide Frauen wachsen über sich hinaus, als es gilt, diejenigen zu beschützen, die sie lieben. Und plötzlich sind sie einander gar nicht mehr so unähnlich. Ich denke fast, dass sie gute Freundinnen hätten werden können …«

Wo bewegen Sie sich in Ihrem Roman zwischen Fakten und Fiktion?

Judith Nicolai: »Ich sag’s mal so: so viel Fakt wie möglich, so viel Fiktion wie nötig. Natürlich versuche ich für meine Romane, wie vermutlich alle Autoren historischer Bücher, solide und ordentlich zu recherchieren. Das ist bei den großen politischen Ereignissen kein Problem, bei den Dingen aber, die sich im Kleinen, Privaten abspielen, bei den ganz belanglosen Alltäglichkeiten also, zum Teil ein ganz gewaltiges. Da muss man sich als Autor manchmal einfach auf seinen Instinkt verlassen oder etwas übertragen, was man für ein ähnliches Projekt recherchiert hat.

Die politischen Rahmenbedingungen und Ereignisse in meinem Roman beruhen zumeist auf Fakten, zum Beispiel die Tatsache, dass einige Inselbewohner von Guernsey entflohene russische Zwangsarbeiter versteckt und dadurch ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben. Als ich Friederike als Frau eines Wehrmachtsoffiziers auf die Kanalinseln schickte, habe ich mich dagegen eher ein bisschen in Richtung Fiktion bewegt – denn dafür, dass deutsche Besatzungssoldaten ihre Ehefrauen in die jeweiligen Länder nachgeholt haben, konnte ich tatsächlich keine Belege finden. Diese dichterische Freiheit habe ich mir dann einfach mal genommen.«

Das Gespräch führte Ronja Beck aus dem dotbooks-Lektorat.

Judith Nicolai wurde 1976 in Karlsruhe geboren. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bereits mit 14 Jahren. Dennoch machte sie erst eine Ausbildung zur Buchhändlerin und studierte anschließend Gartenbauwissenschaften. Heute lebt sie in der Nähe von Karlsruhe.

Bei dotbooks veröffentlichte Judith Nicolai ihre Bestseller-Romane »Schneetänzerin«, »Das Herz der Schneetänzerin«, »Der Traum der Schneetänzerin«, »Die Frauen vom Schlehenhof« und »Die Töchter der Sturminsel«. Die drei Romane der »Schneetänzerin«-Saga sind auch im Sammelband »In Zeiten des Sturms« erhältlich.

DIE TÖCHTER DER STURMINSEL von Judith Nicolai – überall erhältlich, wo gute eBooks angeboten werden, und natürlich auch auf unserer WEBSITE, wo die eBooks für Sie im Mobi-Format für den Kindle und als ePubs für alle anderen Lesegeräte bereitstehen.