»Es ist unglaublich interessant, Figuren zu schaffen, die Grenzen überschreiten.«

17. Mai 2024
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin Susanne Schemper über Spannungserzeugung, die perfekte Kulisse für einen Thriller und ihren Roman SANDENGEL.

Liebe Susanne Schemper, die meisten skandinavischen Thriller, die in Deutschland erscheinen, erzählen von brutalen Verbrechen, die von Ermittlern mit düsteren Abgründen aufgeklärt werden – warum hast Du dich für eine ganz andere Spielart der Spannung entschieden?

Susanne Schemper: »Ich habe schon immer gerne die Art von Spannung gelesen, bei der sich die Geschichte und die Figuren quasi an einen heranschleichen. Und als ich anfing zu schreiben, wusste ich, dass ich auch Geschichten schreiben wollte, in denen die Charaktere eine große Rolle bei der Erzeugung der Spannung spielen. Ich möchte, dass sie launisch sind, ein bisschen eigentümlich, dunkle Geheimnisse haben, unberechenbar sind – aber gleichzeitig Figuren, mit denen sich viele von uns identifizieren können. Denn es ist sehr beängstigend, eine Geschichte zu lesen, die in einer vertrauten Umgebung wie dem eigenen Zuhause, der Arbeit oder der Schule spielt. Und in dieser Umgebung Figuren zu platzieren, die ›wie einer von uns‹ zu sein scheinen und dem Leser dann langsam ein dunkles Innenleben und ein Verhalten präsentieren, das alle Grenzen überschreitet. Ich scheine auch zu bestimmten Themen zurückzukehren, und in meinen Büchern spielen starke Emotionen immer eine große Rolle. Ich liebe es, über Rache zu schreiben!«

Saltmålla, der Urlaubsort, an dem Dein Thriller SANDENGEL spielt, ist ein Paradies – was reizt Dich als Autorin daran, dort einen psychologischen Albtraum anzusiedeln?

Susanne Schemper: »Ich liebe die Idee, eine grandiose Landschaft als Kulisse für einen Psychothriller zu nutzen. In SANDENGEL spielt sich ein großer Teil der Geschichte in einem Resort ab, und obwohl das Hotel ein fiktiver Ort ist, existiert die Umgebung wirklich. Das Naturschutzgebiet, in dem ich das Hotel angesiedelt habe, liegt in der Küstenstadt Halmstad – wo ich herkomme – und es ist ein fantastischer Ort; eine perfekte Kulisse für ein Drama. Der nahe gelegene Wald mit seinen niedrigen Bäumen, deren Äste von den Meereswinden gebogen werden; das Meer, ruhig und freundlich … oder tosend und gefährlich. Und ein Hotel ist ein interessanter Schauplatz: Niemand weiß, was hinter diesen Türen vor sich geht. Als ich die Idee zu SANDENGEL hatte, war ich in einem Resort auf Mallorca. Ich sah eine Person in einem Fenster, die zu beobachten schien, was um den Pool herum geschah. Meine Vorstellungskraft sagte mir, dass es sich um einen Außenseiter handelte … jemand, der am Spaß teilhaben wollte, es aber nicht tat. Und in diesem Moment begann sich meine Figur Ingela zu formen. In SANDENGEL checken die Leserinnen und Leser in das nagelneue Hotel ein, zusammen mit den ersten Gästen. Und ich hoffe, dass es ihnen genauso gut gefällt wie mir, so dass sie wiederkommen wollen!«

Im Mittelpunkt von SANDENGEL stehen zwei sehr unterschiedliche Frauen – und die Frage, wie schnell aus Bewunderung eine Obsession werden kann. Glaubst Du, dass wir alle zu so einer Grenzüberschreitung fähig sind?

Susanne Schemper: »Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke oft über diese Dinge nach, wenn ich schreibe. Und nein, ich glaube nicht, dass wir alle in der Lage sind, so weit zu gehen. Deshalb ist es unglaublich interessant, Figuren zu schaffen, die Grenzen überschreiten. Wie kommt es, dass sie das tun? Was aus ihrer Vergangenheit hat sie geprägt? Was genau ist es, das sie über die Grenze treibt? Bei Ingela in SANDENGEL bekommt der Leser bzw. die Leserin kleine Einblicke in ihre Kindheit, und ein Teil davon erklärt ihr Handeln. Und hoffentlich werden wir mit der Frau mitfühlen, auch wenn das, was sie tut, alles andere als gut ist.«

Kannst Du uns ein bisschen mehr über Ingela und Paulina, die Protagonistinnen deines Psychothrillers SANDENGEL, erzählen? Aus welcher Perspektive hast Du besonders gerne geschrieben?

Susanne Schemper: »Ich habe beide Figuren sehr gerne geschrieben, aber Ingela war besonders spaßig und interessant zu schreiben. Sie war auch die erste Figur, die mir in den Sinn kam. Ich sah diese seltsame, sehr einsame, sozial unbeholfene Frau ganz klar vor mir, sobald ich mit dem Schreiben begann. Und als ich sie kennenlernte, wusste ich, dass sie mich beim Schreiben überraschen würde. Ein großer Spaß! Und Ingela ist noch immer im Gedächtnis, und ich würde gerne eines Tages einen eigenständigen Roman über sie schreiben, um zu sehen, was sie als ältere Frau so treibt …

Mit Paulina hingegen konnte ich mich besser identifizieren, denn sie ist eine Schriftstellerin wie ich. Aber es hat mir Spaß gemacht, ihre inneren Gefühle zu erforschen, wenn sie Mitleid mit Ingela hat und gleichzeitig neugierig auf sie wird. Auch die Tatsache, dass sie in einer Beziehung mit einer Frau ist, die extrem eifersüchtig ist, machte es sehr interessant, sie kennenzulernen. Als ich mit dem Schreiben begann, war ich mir nicht sicher, wie weit diese Eifersucht gehen würde und welche Auswirkungen sie auf die Geschichte haben würde.«

Das Gespräch führte Frederik Bahr aus dem dotbooks-Lektorat.

»Sandengel« ist Susanne Schempers fünfter Spannungsroman seit ihrem Debüt 2018. Handlungsort ist das südschwedische Halmstad, wo die Autorin geboren wurde und aufgewachsen ist. Heute lebt sie in Lerum bei Göteborg.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihren psychologischen Thriller »Sandengel«. Das Hörbuch und die Printausgabe sind bei SAGA Egmont erschienen.

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