»Für mich als Autorin ist es einfach ungemein spannend, komplexe Figuren zu erschaffen.«

Ein Gespräch mit unserer Autorin Helga Beyersdörfer über die vielen Seiten der Spannung, unterschätzte Frauenfiguren und ihre Kriminalromane EIN MÖRDERISCHES HOBBY, DIE FRAU IM BLAUEN KOSTÜM und DIE TOTEN VON WORPSWEDE.

Liebe Frau Beyersdörfer, Sie haben sich vom Cosy-Krimi bis zur raffinierten psychologischen Unterhaltung einmal durch die ganze Bandbreite der Spannungsliteratur geschrieben. Was macht das Genre für sie so besonders – und gibt es ein Buch, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Helga Beyersdörfer: »Mir liegen alle meine Bücher am Herzen. Egal ob die unscheinbar wirkende Haushälterin Doris, die in DIE FRAU IM BLAUEN KOSTÜM plötzlich beginnt, Fäden zu spinnen, oder der Engländer John Magnus aus DIE TOTEN VON WORPSWEDE, der in die berühmte Künstlerkolonie reist, um einem Freund die letzte Ehre zu erweisen – ich habe beim Schreiben viel Zeit mit den handelnden Personen verbracht, habe sie kennengelernt und auch die einschneidenden Momente, die sie dazu brachten, Risiken zu wagen und Grenzen zu überschreiten. Für mich als Autorin ist es einfach ungemein spannend, komplexe Figuren zu erschaffen … und es muss erst recht spannend sein, als Leser genau diese Charaktere kennenzulernen, ihre Abgründe zu verstehen – und natürlich an der Entschlüsselung der Verbrechen teilzuhaben, die unvermittelt in ihr Leben dringen. Dabei ist es immer wieder eine Herausforderung, auf der einen Seite mitreißende Spannungsbögen zu schreiben und auf der anderen Seite logische Auflösungen zu finden, die trotzdem beim Lesen überraschen. Interessant ist für mich auch die Recherche: Ich besuche, bevor ich mit dem Schreiben beginne, immer alle Spielorte der Handlung, um später ein möglichst differenziertes Bild von den Milieus erzeugen zu können, in denen sich meine Kriminalfälle abspielen. Daher habe ich viele Städte, ihre Bewohner, ihre Dialekte – und, nicht zu vergessen, ihre regionalen Speisen – kennengelernt.«

Ihr Cosy-Krimi EIN MÖRDERISCHES HOBBY handelt von einer Witwe, die für ihren Traum über Leichen geht. Was für eine Romanheldin ist Annika in Ihren Augen?

Helga Beyersdörfer: »Bei meinen Begegnungen mit Leserinnen und Lesern habe ich immer wieder festgestellt, dass sie ihre eigenen Bilder und Vorstellungen von den handelnden Personen haben. Das ist auch gut und genau richtig so. Ich stelle ihnen als Autorin die Romanheldin Annika in all ihren Facetten vor und überlasse sie ihrer Vorstellungskraft – denn gerade zu Annika kann die Reaktion je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich ausfallen. Das macht sie als Protagonistin in meinen Augen auch so spannend und faszinierend: Annika ist eine Frau, die übersehen und unterschätzt wird. Nach 32 Ehejahren im Schatten ihres Gatten, hat sie genug davon, sich in ihrem Leben von Männern fremdbestimmen zu lassen. Was in ihr brodelt, nimmt niemand wahr – und wenn doch, dann womöglich erst, wenn es bereits zu spät ist …«

Clevere Psycho-Spannung über das gefährliche Spiel mit der Wahrheit – genau das liefert Ihr Kriminalroman DIE FRAU IM BLAUEN KOSTÜM. Welche Szene aus dem Roman haben Sie noch besonders gut vor Augen?

Helga Beyersdörfer: »Eine der Schlüsselszenen des Romans ist ein Aufeinandertreffen der Protagonistin Doris mit dem ebenso launischen wie vermögenden Hausherrn Henning Borsig im fünften Kapitel. Weil die Szene sehr eindringlich und überzeugend sein musste, erinnere ich mich an die Arbeit daran noch besonders gut: In diesem Moment nämlich rafft sich die scheue, unscheinbare Doris endlich auf, Borsig, dem sie seit vielen Jahren als stets verfügbare Haushälterin gedient hat, zur Rede zu stellen. Dreh- und Angelpunkt des Kriminalromans ist eine kleine Zweitwohnung in Weimar, die Borsig ihr zur Absicherung im Alter überschreiben will. So jedenfalls hat er es versprochen. Nun aber hat sie durch Zufall erfahren, dass er ganz andere Pläne mit der Wohnung hat. Aber die steht doch ihr zu!, denkt sich Doris. Allein ihr … Und so baut sie sich, entgegen ihrer sonstigen Art, gerade und entschlossen vor Henning Borsig auf, immer noch in der vagen Hoffnung, alles könnte ein Irrtum sein. Borsig aber lacht sie aus und wehrt ein Gespräch ruppig ab. Ab diesem Punkt ist alles anders. Doris zieht ihre Schürze aus, ignoriert Herd und Backofen und verlässt das Haus, entschlossen, sich die ihr versprochene Wohnung zu sichern – und dafür schreckt sie vor keinem Mittel zurück …!«

Das atmosphärische Teufelsmoor ist Schauplatz Ihres Regio-Krimis DIE TOTEN VON WORPSWEDE. Was macht das Setting für Sie so faszinierend – und warum musste der Roman gerade hier spielen?

Helga Beyersdörfer: »Alles begann damit, dass ich ein Buch über die Malerin Paula Modersohn geschenkt bekam. Darin abgedruckt war unter anderem ein Foto von ihr, in dem sie ihr neugeborenes Kind im Arm hielt. Wenige Tage nach der Aufnahme, im November 1907, ist sie an einer Embolie gestorben. Sie war 31 Jahre alt. Mich hat das Foto sehr angerührt. Ihr Grab, so las ich, befindet sich in Worpswede. Ich beschloss, die kleine Gemeinde nordöstlich von Bremen, mitten im Teufelsmoor gelegen, zu besuchen. So lernte ich den einzigartigen ›Hügelwald‹ (›Worps‹ bedeutet Hügel, ›Wede‹ Wald) kennen, machte Streifzüge durch die einzigartige, ursprüngliche Landschaft, entdeckte das Flüsschen Hamme, besuchte Galerien, das Modersohnhaus, und kaufte weitere Literatur zur Künstlerkolonie, der auch Paula Modersohn angehörte. Ich bin noch etliche Male nach Worpswede zurückgekehrt, dann schon zur Recherche für den Roman – denn es war schnell eine erste Idee für einen Kriminalroman inmitten dieser faszinierenden Umgebung in meinem Kopf herangereift. Darin gibt es inhaltlich starke Bezüge zu Paula Modersohn, der Künstlerkolonie, und, wie es sich für einen Krimi gehört, dem Friedhof mit seiner sehenswerten alten Kirche. Es hätte gar nicht anders sein können.«

Margot Thaler, die Ermittlerin in Ihren drei DIE REPORTERIN-Krimis, ist eigentlich Journalistin und keine Detektivin. Wieso haben Sie Ihre Hauptfigur genau so gestaltet? Und was hat Ihnen beim Schreiben am meisten Spaß gemacht?

Helga Beyersdörfer: »Ich kannte mich gut in dem Metier aus, deshalb war es für mich naheliegend aus Margot Thaler eine Reporterin zu machen: Als ich den ersten Roman schrieb, war ich bereits seit 22 Jahren als Journalistin unterwegs, unter anderem für den STERN und SAT1. Ich wählte also ein vertrautes Umfeld und sattelte das Fiktive drauf. Schon beim zweiten Buch, in dem Margot Thaler im Falle einer toten Wahrsagerin Recherchen betreibt, war das anders. Ich habe das Hellsehermilieu gründlich recherchiert, ehe ich darüber schrieb. Und das Prinzip der gründlichen Recherche gilt für alle weiteren Romane, die ich bisher veröffentlicht habe.

Besonders Spaß beim Schreiben hat mir übrigens gemacht, dass ich die Protagonistin in allerlei brenzlige Situation bringen konnte, und doch immer wusste: Ich rette sie, wenn sie auf die Nase fällt. Bei den beiden Folgebänden war schon allein die Recherche höchst spannend. Ich habe viel Neues, Interessantes entdeckt, zum Beispiel über die Hamburger Künstlerszene, die im dritten Band der Reihe von einem Mord erschüttert wird.«

Das Gespräch führte Frederik Bahr aus dem dotbooks-Lektorat.

Helga Beyersdörfer studierte Germanistik in Frankfurt am Main und machte danach eine Ausbildung zur Journalistin. Zunächst war sie als freie Autorin u.a. für das ZEIT-Magazin, dann als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau, STERN und SAT1 tätig. Helga Beyersdörfer lebt in Hamburg.

Bei dotbooks erscheint bereits ihre Krimi-Reihe um die Journalistin Margot Thaler mit den Bänden DIE REPORTERIN UND DER FALSCHE MÖRDER, DIE REPORTERIN UND DER FAULE ZAUBER und DIE REPORTERIN UND DER TOTE MALER.

Außerdem veröffentlicht sie bei dotbooks die Kriminalromane EIN MÖRDERISCHES HOBBY und DIE FRAU IM BLAUEN KOSTÜM sowie ihre Regio-Krimis DIE TOTEN VON WORPSWEDE und DIE MORDE VON WORPSWEDE.

EIN MÖRDERISCHES HOBBY, DIE FRAU IM BLAUEN KOSTÜM und DIE TOTEN VON WORPSWEDE von Helga Beyersdörfer – überall erhältlich, wo gute eBooks angeboten werden, und natürlich auch auf unserer WEBSITE, wo das eBook für Sie im Mobi-Format für den Kindle und als ePub für alle anderen Lesegeräte bereitsteht.