GLASGESICHTER von Cordula Hamann

16. Mai 2022
dotbooks

vorgestellt von Timothy Sonderhüsken, Programmleiter

Wenn man im Lektorat arbeitet, muss man natürlich jedes Genre schätzen. Es ist aber kein Geheimnis, dass ich für meine ganz persönlichen Lesestunden bevorzugt zu Romanen greife, in denen Gefühle im Vordergrund stehen – umso wählerischer bin ich bei den wenigen Spannungstiteln, die ich mir privat auf den eReader lade. Ein besonderes Faible habe ich für die Faszination des Bösen: Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“, die großartige Gretchen Lowell aus den Thrillern von Chelsea Cain und natürlich Dexter aus der Roman- und TV-Serie werde ich vermutlich nie wieder vergessen.

Als eine Buchhändlerin, die meinen Geschmack manchmal besser kennt als ich, mir vor einigen Jahren GLASGESICHTER von Cordula Hamann in die Hand drückte, war ich zunächst skeptisch – eine Kunsthändlerin, die in eine perfide Mordserie verwickelt wird? Aber dann begann ich zu lesen … und konnte nicht mehr aufhören.

Darum geht es: Die Galeristin Andrea Wahrig ist sicher, vor dem großen Durchbruch zu stehen, denn die Kunstwerke, die sie bald ausstellen will, werden Kritiker und Käufer gleichermaßen in ihren Bann schlagen. Es sind farbenreiche, auf Glas gemalte Frauengesichter – wie im Todeskampf verzerrt. Diese Bilder sind gleichzeitig verstörend und faszinierend, eine Kombination, die jeden Betrachter tief in der Seele berührt. Dann aber erhält sie einen anonymen Drohbrief, der sie auffordert, die Vernissage abzusagen; gleichzeitig zieht der Künstler seine Werke zurück und verweigert jedes Treffen. Was hat das zu bedeuten? Andrea beginnt nachzuforschen – nicht ahnend, welcher dunkle Schatten dadurch auf sie fallen wird …

Es versteht sich von selbst, dass die beeindruckenden Kunstwerke eine brutale Geschichte haben – und darum gibt es neben Andrea eine weitere Hauptfigur, nämlich den Killer. Wir Leser erfahren lange nicht, wer er ist, aber wir sind hautnah dabei, wenn er auf die Jagd geht, wenn er mit eiskalter Präzision mordet: Diese Szenen haben mir einen Schauer über den Rücken getrieben! Es versteht sich von selbst: Ich las atemlos weiter und weiter und weiter … Unmerklich begann ich, die berühmte „Sympathy with the Devil“ zu empfinden, diese Mischung aus Abgestoßen sein und Hingezogen fühlen. Es gibt viele Autoren, die sich an dieser Königsdisziplin der Spannung versuchen – aber nur wenige, die mich dabei so überzeugen wie Cordula Hamann.

GLASGESICHTER ist ein Thriller, der fesselt, bestens unterhält und lange in Erinnerung bleibt. Umso mehr freue ich mich, dass Cordula Hamann den Weg zu dotbooks gefunden hat. Ja, ich werde es mir direkt noch einmal auf meinen eReader laden – und empfehle Ihnen, dies auch umgehend zu machen, wenn Sie die Faszination des Bösen erleben wollen.

Lesetipp der Woche:

GLASGESICHTER von Cordula Hamann

vorgestellt von Timothy Sonderhüsken, Programmleiter