Hanna Roos im Interview
»Mein Roman soll ein unterhaltsames Trostpflaster sein«
Ein Gespräch mit Hanna Roos über reale Hintergründe, Lachen in schwierigen Situationen und ihren Roman DER GESCHMACK VON KULLERPFIRSICH.
Was hat Sie dazu inspiriert, DER GESCHMACK VON KULLERPFIRSICH zu schreiben?
Hanna Roos: »Meine Mutter ist seit einigen Jahren an Demenz erkrankt. Es ist alles andere als leicht, damit umzugehen, und ich habe angefangen, mir die Probleme mit meiner mir immer fremder werdenden Mutter von der Seele zu schreiben. Es sollte mir auch dabei helfen, dass ich mich plötzlich in der Elternrolle für Mama wiederfand – etwas, das ich keinem Menschen wünsche, das aber auf sehr viele von uns zukommt. Das brachte mich auf die Idee, aus meinen Aufzeichnungen ein Sachbuch machen, das anderen Betroffenen Mut machen kann. Doch meine Agentin meinte, wenn jemand das als Roman schreiben könnte, dann ich. Und diese Herausforderung hat mich gepackt! So fand ich meine Hauptfigur Julia, die natürlich auch Züge von mir hat, aber die Geschichte ist ihre und nicht meine …«
Warum ist Demenz Ihrer Meinung nach ein Thema für einen beschwingten und amüsanten Roman?
Hanna Roos: »Ich halte grundsätzlich nicht viel von ›heiligem Ernst‹ und bin sicher, dass man auf verlorenem Posten steht, wenn man das Leben und seine Schicksalsschläge nicht mit einer ordentlichen Portion Humor nimmt. Eine Demenz ist nun alles andere als lustig, aber darüber, wie eine gestandene Frau von 50 Superplus mit den Ausfällen ihrer Mutter und deren kindlicher Sturheit kämpft, darf man getrost schmunzeln und lachen. Die Situationen, in die sich die permanent überforderte Lehrerin Julia bringt, beruhen zum Teil auf echten Erlebnissen, sind aber durchaus lustig. Also ist mein Roman für Betroffene sicher auch ein Mut-Mach-Buch … und für alle anderen Leserinnen einfach eine mitreißende Geschichte, die mehr zu bieten hat als die Suche nach Mr. Right.«
Julia ist eine tolle Protagonistin – warum wird sie Ihrer Meinung nach Leserinnen ans Herz wachsen: Weil sie eine patente »Macher-Frau« ist … oder weil sie auf einmal ganz verletzlich wird?
Hanna Roos: »Beides. Es ist herrlich, wie Julia sich ständig überfordert, es allen recht machen will und von ihrem Umfeld zunehmend als Nervenbündel wahrgenommen wird, bis sie wieder mehr mit sich selbst und ihren Bedürfnissen in Kontakt kommt. Und sie ist eine Frau, für die das Glas bei allen Problemen doch eher halbvoll ist statt halbleer. Allein die Idee mit dem ›Elterntausch‹, über den ich nicht mehr verraten möchte, beweist ihren Optimismus … und bringt sie zudem Wolfgang näher, dem Sohn eines Heimbewohners, den ihre Mutter gar nicht leiden kann.«
Julia hat das große Glück, dass es Menschen gibt, die ihr beistehen – auch wenn es für sie nicht immer leicht ist, diese Hilfe anzunehmen. Wie ist das bei Ihnen?
Hanna Roos: »GENAUSO! Bis ich kapiere, dass mir die wunderbaren Menschen, die mir nahestehen, auch mal helfen wollen, kann schon ein bisschen Zeit ins Land gehen. Werten wir das mal als festen Bestand meiner ganz speziellen Macke, dass ich meine, ich müsste alles allein machen und nebenbei noch die Welt retten…« (lacht)
Immer wieder durchwehen den Roman bekannte Lieder und Schlager der 50er Jahre – ist das Musik, die auch Ihnen ans Herz geht?
Hanna Roos: »Die Caprifischer und Peter Alexander? Also, meine Musik ist das nicht. Wenn Fünfzigerjahre, dann ist mir das Rat-Pack rund um Frank Sinatra musikalisch näher. Aber ich brauchte etwas, das die Mutter in meinem Roman an bessere Zeiten erinnert. Gerade die Musik unserer Jugend und jungen Erwachsenenjahre begleitet uns ein Leben lang. Und tatsächlich werden in dem Pflegeheim, in dem meine eigene Mutter lebt, solche Liederabende gegeben. Es ist faszinierend, dass die Menschen, die sich kaum daran erinnern können, was sie vor wenigen Minuten gesagt haben, auf einmal lange Liedtexte mitsingen und dabei glücklich sind. Dieses Gefühl habe ich für diverse Szenen eingefangen, die in DER GESCHMACK VON KULLERPFIRSICH eine wichtige Rolle spielen.«
Verraten Sie uns, was es mit dem Titel auf sich hat?
Hanna Roos: »Der Kullerpfirsich war in den fünfziger Jahren eine beliebte Partyattraktion. Man sticht dafür Pfirsiche mit einem spitzen Gegenstand wie einer Stricknadel oder einer Gabel zwanzig- bis dreißigmal rundherum an, legt sie dann in ein großes Glas und füllt dieses mit Sekt auf. Fragen Sie mich bitte nicht, warum, aber der Pfirsich beginnt, sich um die eigene Achse zu drehen – er kullert also im Glas herum. Für Ingelore, die Mutter in meinem Roman, ist dies eine besonders schöne Erinnerung. Und die wird zur Brücke zwischen gestern und heute, zwischen Ingelore und Julia und in gewisser Weise auch zwischen den Generationen … aber was das genau bedeutet, das sollen meine Leser selbst herausfinden.«
Warum sollte man Ihrer Meinung nach diesen Roman lesen?
Hanna Roos: »Zum einen ist DER GESCHMACK VON KULLERPFIRSICH ganz einfach ein unterhaltsamer und gefühlvoller Roman. Zum anderen hat er aber auch einen ernsten Hintergrund. Irgendwann hat jeder im Lauf seines Lebens mit den Tücken des Alters zu tun. Ich wünsche mir, dass der Roman für alle, die mit dem Thema Demenz zu tun haben – ob Enkel, Kinder, andere Familienangehörige, Pflegekräfte – ein unterhaltsames Trostpflaster ist, weil der Umgang mit dementen Mitmenschen nicht immer ganz einfach ist. Das Thema ist eigentlich so traurig, aber für mich war es wie eine Therapie, das Buch zu schreiben. Ich kann endlich akzeptieren, dass ich nicht alles richtig mache – und das ist auch das Feedback, dass ich von Lesern bekommen habe, die in der gleichen Situation sind wie meine Romanfigur Julia mit ihrer dementen Mutter. Es ist ein Roman aus dem wahren Leben, er gibt Hoffnung und zeigt, dass der achtsame Umgang mit sich selbst der Schlüssel dazu ist, auch anderen helfen zu können.«
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