»Ich lasse mich gern auf Reisen von Erlebnissen und Orten inspirieren und bin ständig auf der Suche nach spannenden Geschichten.«
Ein Gespräch mit Constanze Wilken über die Ursprünge ihrer Familiengeheimnisromane, ihre Leidenschaft für das Reisen in fremde Länder und wie Orte und Gegenstände aus vergangenen Zeiten sie immer wieder zu neuen Geschichten inspirieren.
Liebe Constanze Wilken, In Ihren Romanen entführen Sie die LeserInnen immer wieder in die verschiedensten Länder und Städte. Dort stoßen Ihre Heldinnen auf Spuren einer längst vergangenen Zeit – und eines Lebens, dessen Schicksal eng mit dem ihren verwoben scheint. Wie recherchieren Sie für ihre Geschichten?
Constanze Wilken: »Die Recherche macht einen Großteil des Schreibens aus und da ich für mein Leben gern reise, fotografiere und mich von Land und Leuten inspirieren lasse, freue ich mich bei jedem neuen Projekt auf diese Vorbereitungsphase. Dabei plane ich nicht alles, sondern lasse mich auch von dem begeistern, was mir unterwegs begegnet. Manchmal erzählen mir Menschen Geschichten, die bei mir lange nachklingen und sich irgendwann zu einer Romanidee verdichten. Auch kommt es vor, dass ich durch die Recherche zu einem Gemälde oder einer Antiquität auf eine Begebenheit stoße, die erzählt werden möchte.
Einmal war ich zum Beispiel in Lucca und kam mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der auf einer Bank vor der Steinmauer zu einem heruntergekommenen Palazzo saß. Hinter der Mauer verbarg sich ein wundervoller Garten und der Palazzo gehörte einer der ältesten Familien der Stadt. Was für ein Romanschauplatz!
Inspiriert hat er mich zu meinem Buch WAS VON EINEM SOMMER BLIEB. Laura, die Hauptfigur des Buchs, entdeckt hier in der Lombardei ebenfalls einen wunderschönen, versteckten Garten – und darin die Marmorbüste eine Frau, deren trauriges Gesicht dir unglaublich fasziniert. Was ist die Geschichte dieses rätselhaften Kunstwerks? Und was hat sie mit der Familie zu tun, der der Garten gehört? Das sind die Antworten, die Laura zu finden versucht.«
Sie sind besonders mit ihren berührenden Romanen vor der wunderschönen Kulisse Wales‘ bekannt geworden. In DAS GEHEIMNIS DES SCHMETTERLINGS entführen Sie Ihre Leserinnen und Leser jedoch ins alte Thailand. Wie kommt es zu diesem Ortswechsel?
Constanze Wilken: »Ich lasse mich gern auf Reisen von Erlebnissen und Orten inspirieren und bin ständig auf der Suche nach spannenden Geschichten.
Die Geschichte von Paolin und Lena ist für mich untrennbar mit meiner Reise nach Thailand im Jahr 2004 verbunden. Zwei Wochen vor dem verheerenden Tsunami verließ ich Thailand wieder, nachdem ich das Land bereist, Freundschaften geschlossen und unvergessliche Eindrücke gesammelt hatte. Master Jay brachte mir seinen Buddhismus auf einer Tempeltour durch den Dschungel nahe und versuchte, mir die Angst vor Schlangen zu nehmen. Ob ich tatsächlich die nötige innere Gelassenheit aufbringen werde, wenn sich vor mir eine Cobra aufbaut … wer weiß. (lacht) Aber der tiefe Respekt der Buddhisten vor jeder Kreatur hat mich beeindruckt, genau wie die Freundlichkeit der Thailänder und die Gastfreundschaft von Menschen, die nichts haben und alles geben.
Auch Lena, die Hauptfigur in DAS GEHEIMNIS DES SCHMETTERLINGS, ist von Anfang an von der Kultur des Landes fasziniert. Als ihr dann noch die Schriften von Paolin, die im Thailand des 17. Jahrhundert gelebt hat, in die Hände fallen, muss sie einfach mehr über das Leben dieser Frau erfahren. So beginnt Lenas fesselnde Reise in die Vergangenheit – die schließlich auch ihr eigenes Leben für immer verändert.«
EIN COTTAGE IN WALES – ODER: DIE FRAU AUS MARTINIQUE war ihr erster Roman: Eine mitreißende Geschichte über eine geheimnisvolle Spurensuche in der Vergangenheit. Was macht diese Geschichte für Sie zu etwas ganz Besonderem?
Constanze Wilken: »Dieses Buch wird immer etwas Besonderes für mich sein, weil es mein erster veröffentlichter Roman ist. Auslöser für meine Schriftstellerlaufbahn waren meine Jahre in Wales. Ich hatte das große Glück in Aberystwyth an der walisischen Westküste leben und Kunstgeschichte studieren zu dürfen. Während meiner Zeit in Großbritannien habe ich auch meine Liebe zu Antiquitäten beruflich und als Hobby entdeckt. Es fügte sich alles ineinander: Ich durfte mich für einen Antiquitätenhändler auf Spurensuche seltener kunstvoller Möbelstücke und Kunstobjekte begeben. Diese Recherchen haben mich letztlich zur Geschichte um die Künstlerin Alexandra inspiriert, die in einem Cottage an der walisischen Küste auf eine alte, wunderschöne Korallenperlenkette und einen geheimnisvollen Brief aus dem 19. Jahrhundert stößt. Mit diesem Fund beginnt für sie eine aufwühlende Reise in die Vergangenheit. Antiquitäten erzählen ganz oft einzigartige, faszinierende Geschichten der Vergangenheit und in EIN COTTAGE IN WALES wollte ich eine ganz besondere erzählen.«
Auch Oda, die Heldin Ihres Romans DIE FRAUEN VON CASOLE D’ELSA kommt in den Ort ihrer Kindheit zurück, um den Tod Ihres Vaters zu verarbeiten und mehr über Ihre Familie zu erfahren. In wenigen Sätzen, was macht Odas Geschichte so besonders?
Constanze Wilken: »Odas Geschichte ist eng mit der wahren Geschichte von Casole d’Elsa verbunden. Ich habe selbst einige Monate in diesem kleinen Ort in der Toskana gelebt und bin dort auf Spuren des Zweiten Weltkrieges gestoßen, die mich sehr berührt haben. Einmal zog ein Korso von Veteranen und deren Verwandten durch ein Dorf. Meine italienischen Freunde erklärten mir, dass die Erinnerung an die ›Resistenza‹, den Widerstand gegen die Nazis und Mussolini, noch sehr lebendig ist und in Vereinen gepflegt wird. Ich wollte den Bogen in den Norden schlagen, wo ich von einem KZ-Außenlager wusste, für das erst auf Drängen eines ehemaligen Häftlings 1987 eine Gedenkstätte errichtet wurde. Da kam mir die Idee zu Oda und ihrer Geschichte. Diese ist in Casole d’Elsa aufgewachsen und kehrt nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder in ihre alte Heimat zurück. Im Haus ihres verstorbenen Vaters entdeckt sie schließlich eine alte Fotografie ihrer Großeltern, und muss sich bald fragen, was für ein dunkles Geheimnis ihre Familie – und das ganze Dorf – seit Jahrzehnten verschwiegen hat.«
Ihre Leidenschaft für Antiquitäten und deren Herkunft hat schon so manchen Ihrer Romane inspiriert. Was war die Inspiration für DAS GEHEIMNIS DES SCHMETTERLINGS?
Constanze Wilken: »Viele Faktoren müssen zusammenfließen, damit sich irgendwann eine Romanidee herauskristallisieren kann. Ich hatte mich schon länger mit asiatischer Kunst befasst, unter anderem mit Inros, das sind kleine Behälter, die von Samurai oder reichen Männern des japanischen Bürgertums, am Gürtel getragen werden. Historisches Kunsthandwerk ist faszinierend, gibt es doch Aufschluss über das Leben vergangener Jahrhunderte. Im Victoria & Albert Museum in London gibt es eine wundervolle Sammlung asiatischer Antiquitäten und ein Kabinett aus dem 17. Jahrhundert erregte meine Aufmerksamkeit. Um es kurz zu machen, ich recherchierte die Legende des Stücks und stieß dabei auf die schillernde Figur von König Narai. Dieser weitsichtige, kluge und flamboyante thailändische König mit einer Vorliebe für europäische Kultur ließ mich nicht mehr los. Die Tochter eines königlichen Diplomaten, mit Namen Paolin begann mir von ihrem Leben am Hof zu ›erzählen‹ und als sie Bekanntschaft mit einem französischen Ingenieur machte, nahm das Schicksal seinen Lauf …«
In Ihrem Roman DIE VERGESSENE SONATE hat die Musik eine besondere Bedeutung – in der Geschichte verbindet sie das Schicksal mehrerer Menschen über Jahrhunderte hinweg. Gibt es die titelgebende Sonate tatsächlich bzw. welche Musik hat sie zu der bewegenden Geschichte inspiriert?
Constanze Wilken: »Musik spielt in meinem Leben eine große Rolle. Sie begleitet mich beim Schreiben, ich spiele selbst Violine und mein Bruder ist Profimusiker. Die Idee zur Vergessenen Sonate wuchs aus einem Zusammenspiel von einem Konzert mit Werken des russischen Komponisten Khandoshkin und einem Besuch in Prag. Die oft schwermütige, aber sehr leidenschaftliche russische Musik und das wunderschöne und historisch so beeindruckende Prag lieferten die Vorlage zu meinem Roman: Hier erbt die Hauptfigur Viviane unerwartet ein rätselhaftes Musikstück, dessen wehmütige Klänge sie so berühren, dass sie kurzerhand nach Prag reist, um mehr über die Geschichte der Melodie zu erfahren. Bald stößt sie auf die Spuren einer lang vergessenen Liebe – und verliebt sich selbst immer mehr in die geheimnisvolle Schönheit dieser Stadt …
Ein Schlüsselmoment für mich war ein Besuch auf dem alten Jüdischen Friedhof in Prag im Dezember. Es war kurz vor Toresschluss, dicke Schneeflocken fielen lautlos und hüllten die Grabsteine der Rabbiner mit den kleinen Gedenksteinen und den Weg vor mir in unschuldiges Weiß. Ein magischer Moment – genau wie im Roman.«
In DAS LICHT VON SHENMÓRAY kehrt Ihre Heldin Catherine zurück in ihre schottische Heimat. Das Familiengeheimnis, dem sie dort auf den Grund geht und die Mystik der Highlands ziehen einen gleichermaßen in den Bann. Was fasziniert Sie an diesem Setting?
Constanze Wilken: »Ich bin fasziniert von der abwechslungsreichen Landschaft, den alten Legenden, der Kultur und den Schotten, die ihr Land selbst so sehr lieben. Die Geschichte der Clans, die Highland Clearances, die Musik – wer einmal eine Livesession in einem Pub miterlebt hat, weiß vom Zauber der schottischen Folkmusik. Auf meiner Recherchereise nach Inveraray, dem Schauplatz von DAS LICHT VON SHENMÓRAY, hat mich meine englische Freundin begleitet und wir haben die wohl lustigste Whiskyverkostung in einem Pub gemacht. Für Catherine bedeutet Schottland aber noch viel mehr: Als sie nach Jahren zum ersten Mal wieder nach Inverary zurückkehrt, um nach ihrer verschwunden Großmutter zu suchen, fühlt sie sich sofort wieder in ihre Kindheit zurückversetzt. Die weiten Hügel der Highlands sind für sie, trotz aller ihrer Mystik, vertraut und geben ihr eine Kraft, die sie sonst nirgends finden kann.«
Dieses Gespräch führte Alina Hettmann aus dem dotbooks-Lektorat.
Geboren an der norddeutschen Küste, zog es Constanze Wilken nach einem Studium der Kunstgeschichte, Politologie und Literaturwissenschaft für einige Jahre nach England. Im wildromantischen Wales entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben, aber auch für Antiquitäten. Die Forschungen zur Herkunft seltener Stücke und ausgedehnte Reisen der Autorin sind Inspiration und Grundlage für ihre Romane.
Die Website der Autorin: https://constanze-wilken.de/
Die Autorin bei Facebook: www.facebook.com/Constanze.Wilken
Die Autorin/der Autor auf Instagram: www.instagram.com/constanzewilken/?hl=e
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die folgenden Romane »Ein Cottage in Wales«, »Das Geheimnis des Schmetterlings«, »Die vergessene Sonate«, »Was von einem Sommer blieb«, »Das Licht von Shenmóray«, »Die Frauen von Casole d’Elsa«, »Die Malerin in von Fontainebleau« und »Die Tochter des Tuchhändlers«.