»IM IDYLL VERBIRGT SICH DER SCHRECKEN.«

23. Mai 2019
dotbooks

Ein Gespräch mit Stephan M. Rother über die historischen Hintergründe seiner Romane, seine Lieblingscharaktere und die Magie beim Schreiben.

Lieber Herr Rother, in aller Kürze für Ihre Leser: Worum geht es in Ihrem Thriller DIE LETZTE OFFENBARUNG und was ist der Auslöser für die spannende Jagd des Protagonisten quer durch Europa?

Der eigentliche Auslöser für die Odyssee quer über den Kontinent ist im Grunde ein simpler Zufall: Wer hätte ahnen können, dass ausgerechnet der unscheinbare Bücherrestaurator Amadeo Fanelli eine historische Handschrift in die Hände bekommt, in deren Einband sich ein Textfragment verbirgt, das ein jahrtausendealtes Geheimnis birgt? Ein Geheimnis, das die Grundfesten der Christenheit erschüttern könnte und das finstere Strippenzieher hinter den Mauern des Vatikans hüten … Aber kann ein solcher Bücherwurm wie Amadeo ihren Zielen überhaupt gefährlich werden? Das können sie sich lange Zeit nicht vorstellen – mit dramatischen Folgen für alle Beteiligten.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in DIE LETZTE OFFENBARUNG und DAS BABYLON-VIRUS biblische Historie mit spannender Fiktion zu verknüpfen?

›En arche en ho logos – Am Anfang war das Wort.‹ Der Beginn des Johannes-Evangeliums und zugleich auch der Beginn unserer ‚Letzten Offenbarung‘. Wenn wir das allgemein auf Bücher und Geschichten übertragen, dann kommt es wirklich auf die eine große Idee an, die am Anfang steht. Diese Idee muss sich mit einem, maximal zwei Sätzen erzählen lassen. Dann ist es eine Geschichte, die etwas taugt. Die Bibel und ihre Gedanken sind bis heute die Grundlage der Welt, in der wir leben – ganz gleich, ob der konkrete Leser jetzt gläubig ist oder nicht. Die Fallhöhe, die in solchen Geschichten entsteht, ist gewaltig. Der Held meiner Geschicht, Amadeo Fanelli, nimmt uns mit seiner Begeisterung für alte Schriften und deren Bedeutung mit zu diesem Mythenschatz – und natürlich zu den Geheimnissen, die andere wiederum beschützen wollen, koste es, was es wolle!

Was ist es, das Ihren Protagonisten Amadeo Fanelli in Ihren beiden Romanen DIE LETZTE OFFENBARUNG und DAS BABYLON-VIRUS so besonders macht?

Amadeo zeichnet aus, dass er gerade nichts Besonderes ist. Natürlich: Er hegt eine spezielle Leidenschaft für historische Manuskripte, die über die Anforderungen seiner Arbeit hinausgeht. Was könnte da schließlich Faszinierendes drinstehen? Anders als seine Mitstreiter – die Powerfrau und Martial-Arts-Expertin Rebecca Steinmann und der stets etwas zerstreute, aber geniale Professor Helmbrecht – verfügt er aber über keine außergewöhnlichen Fähigkeiten. Von seiner chronischen Neugier einmal abgesehen. Jeder von uns könnte in Amadeos Geschichte stolpern und hätte sich dann ganz genauso zu bewähren. Immer wieder berichten mir Leser, dass sie sich genau deswegen mit unserem Helden identifizieren können, was mich natürlich freut.

Ihr Thriller IM DUNKLEN HOLZ handelt von dunklen Geheimnissen eines einsamen Dorfes, die seine Bewohner zu hüten suchen. Was hat Sie zu diesem Thema inspiriert?

Der konkrete, schreckliche Hintergrund dieser Geschichte ist ein reales Ereignis aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. 1945 wurde während eines Bombenangriffs auf Celle auch einer der letzten Transporte aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern getroffen. Den Häftlingen gelang so die Flucht in die Wälder am Rande der Lüneburger Heide. Bevor sie aber durch das Eintreffen der Alliierten wenige Tage später in Sicherheit gewesen wären, wurden sie gejagt und zum Großteil getötet – unter tätiger Mithilfe der heimischen Bevölkerung. Das Wissen um solche Geschehnisse ist Teil der Atmosphäre und der ganz eigenen, ersonnenen Geheimnisse, welche die Bewohner des Dorfes Hohenholz in unserer Geschichte hüten: Im Idyll verbirgt sich der Schrecken.

Was ist es, das die düstere Atmosphäre, die der Protagonistin in Ihrem Roman IM DUNKLEN HOLZ entgegenschlägt, so fesselnd und faszinierend macht?

In Hohenholz, diesem kleinen Ort inmitten eines Truppenübungsplatzes, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Auf eine Weise hat das etwas geradezu Malerisches, alte Bauernhäuser, eine intakte Dorfgemeinschaft wie zur Zeit der Großeltern oder Urgroßeltern: Wie eine Urlaubsreise in die Vergangenheit. Ich habe mehrere solcher Dörfer aufgesucht, und auch die Transitstraßen durch den militärischen Sperrbereich existieren wie geschildert. Nur gibt es eben auch die andere Seite, die dunkle Seite. Die Vergangenheit vergisst nicht. Die Vergangenheit tötet.

Haben Sie eine Lieblingsszene in STURMWELLE, die Ihnen während des Schreibens besondere Freude bereitet hat?

Das Faszinierende an dieser Erzählung waren ihre unterschiedlichen Zeitebenen. Das eigentliche Geschehen trägt sich über nur wenige Tage zu. Am Beginn der Kapitel ist das exakt festgehalten, inklusive Angaben zu Ebbe und Flut und aktuellem Wasserstand. Und doch sind alle diese Ereignisse abhängig von Geschehnissen, die Jahrhunderte in der Vergangenheit liegen. Und diese Szenen, die Szenen in der Vergangenheit mit ihrer ganz besonderen bedrohlichen, fast magischen Stimmung: Diese Szenen waren eine Herausforderung, und es war ein großes Abenteuer, diese Passagen zu schreiben.

Was hat Sie daran fasziniert, die Sage um Rungholt – das Atlantis der Nordsee – zum Mittelpunkt zu machen?

Rungholt hat existiert. Daran gibt es keinen Zweifel. Es handelte sich um eine Siedlung auf einer der Stadt Husum vorgelagerten Insel mit Namen „Strand“, die am 16. Januar 1362 während der Zweiten Marcellusflut, der „Groten Mandränke“, von der Nordsee verschlungen wurde. Die Fiktion beginnt an jener Stelle, an der meine Protagonisten, die Rasmussens, ins Spiel kommen. Wobei es ja auf einer bestimmten Ebene des Geschehens um nichts Geringeres geht als um Magie – was dann auch nur wieder ein Wort ist für Dinge, die sich die Menschen nicht oder noch nicht erklären können. Wer also will da so eindeutig entscheiden, was nun Geschichte und was die Geschichte ist? Als Schriftsteller beantworte ich diese Frage auf meine eigene Weise, und so ist meine Interpretation der Geschehnisse auf Rungholt nicht von der Historie bestimmt, dafür aber voll düsterer Geheimnisse und einfach etwas spannender…

Was macht Ihrer Meinung nach Ihre Bücher so spannend, dass man sie sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte?

Das ist eine Frage, die der Autor vermutlich am wenigsten beantworten kann. Wenn es die Neugier ist, welche die Protagonisten in diesen Geschichten antreibt, so gilt das genauso auch für die Leser, an die sich diese Erzählungen richten. Es handelt sich um Leser, die Geheimnissen und Abenteuern nicht aus dem Weg gehen: Los, komm, fang an zu lesen. Wir werden eine spannende Zeit erleben. Und natürlich macht es auch einfach Spaß mit existierenden Fakten zu spielen, Ereignisse zu ersinnen, die auf atemberaubende Weise logisch erscheinen – in der Wahrheit unserer Geschichte.

Das Interview führte Conrad Gminder, Junior-Lektor bei dotbooks.

Stephan M. Rother wurde 1968 im niedersächsischen Wittingen geboren, ist studierter Historiker und war fünfzehn Jahre lang als Kabarettist auf der Bühne unterwegs. Seit dem Jahr 2000 veröffentlicht er u. a. unter seinem Pseudonym Benjamin Monferat erfolgreich Romane für Erwachsene und Jugendliche. Der Autor ist verheiratet und lebt in einem verwinkelten Haus mit vielen Büchern und Katzen am Rande der Lüneburger Heide.

Die Website des Autors: www.magister-rother.de/
Der Autor im Internet: 
www.facebook.com/stephan.m.rother/

Stephan M. Rother veröffentlicht bei dotbooks:
»Im dunklen Holz«
»Sturmwelle«
»Die letzte Offenbarung«
»Das Babylon-Virus«