Interview mit Deana Zinßmeister

13. Dezember 2024
dotbooks

Die Zeit der Bauernkriege in Deutschland ist nun 500 Jahre her. Wir haben für euch unsere Autorin Deana Zinßmeister interviewt und sie gefragt: »Warum hast du dich entschieden, DIE GABE DER JUNGFRAU und DER SCHWUR DER SÜNDERIN ausgerechnet in dieser schrecklichen Zeit spielen zu lassen?«

Deana Zinßmeister: »Viele Kriege entstanden und entstehen immer noch, weil Herrscher die Grenzen ihres Reichs verschieben wollen. Sie erheben Anspruch auf mehr Land, mehr Reichtum und mehr Macht, was sie nur durch Kriege erreichen können.

Der Bauernkrieg hingegen hatte andere Beweggründe, die mich sehr interessierten. Zwischen 1524 und 1526 rotteten sich die Bauern in verschiedenen Regionen des Heiligen Römischen Reichs zusammen, um sich gegen soziale, wirtschaftliche und religiöse Missstände zu wehren. Das einfache Volk litt unter den hohen Abgaben und unter den Frondiensten, die sie an ihre Lehnsherren zahlen bzw. leisten mussten. Hinzu kamen Missernten, steigende Steuern und Inflation, die ihnen das Leben erschwerten. In den sogenannten Bundschuhaufständen kämpften die Bauern für soziale Gerechtigkeit. Sie verlangten die Abschaffung der Leibeigenschaft, die freie Wahl des Pfarrers sowie die Reduzierung von Abgaben.

Eine bedeutende Figur während der Bauernkriege war Joss Fritz. Bis heute gilt er als einer der Anführer und Symbolfigur des Widerstands gegen die feudalen Strukturen und die Unterdrückung durch Adel und Kirche. Als Schriftstellerin hat mich seine Person besonders fasziniert, da es kaum Informationen über ihn gibt. Weder weiß man, wann er geboren wurde, welchen Beruf und welches Leben er geführt hat, noch wann, wo und wie er gestorben ist. Joss Fritz war wie ein Geist, der unerwartet auftauchte, wenn seine Führungsqualitäten benötigt wurden, um die Bauern zu motivieren und zu mobilisieren. Angeblich hatte Joss Fritz eine charismatische Ausstrahlung. Auch soll er die Mengen mit seinen Reden begeistert haben, sodass sie ihm folgten.

Weil kaum etwas über diese historische Figur bekannt ist, konnte ich meiner Fantasie beim Schreiben freien Lauf lassen. So habe ich Joss Fritz eine Doppelrolle in meinen Romanen angedichtet, die sogar die Historiker und Fachleute begeistert hat. Wegen meiner Schilderungen wurden »Die Gabe der Jungfrau« und »Der Schwur der Sünderin« nicht nur in einschlägigen Fachbüchern erwähnt, sondern sogar inhaltlich abschnittsweise abgedruckt.

Nach Aussage der Historiker und Fachleute könnte sich Joss Fritz‘ Leben tatsächlich so abgespielt haben, wie ich es in meinen beiden Romanen über den Bauernkrieg schildere.«

Neugierig nachgefragt bei Deana Zinßmeister: »Was hat dich bei der Recherche zu deiner Hexen-Saga mit den Bänden DAS HEXENMAL, DER HEXENTURM und DER HEXENSCHWUR besonders fasziniert?«

Deana Zinßmeister: »Mich hat der tiefe Aberglaube in der frühen Neuzeit fasziniert, der für die Hexenverfolgungen verantwortlich war. Da es mit unserem heutigen Wissen und unserer Bildung schwer nachzuvollziehen ist, dass die Menschen damals an Hexen geglaubt haben, war es für mich wichtig, mich von einem Historiker, der sich mit diesem Thema auskennt, beraten zu lassen. Das Erste, was Prof. Dr. Johannes Dillinger, der über Hexenverfolgungen promovierte und einen Lehrstuhl in Oxford hat, mir erklärte, war, dass grundsätzlich alle Menschen des 17. Jahrhunderts an Hexen geglaubt haben. Sie waren tatsächlich der Ansicht, dass ZauberInnen für das Elend der Menschen verantwortlich seien, sie durch Schornsteine fliegen, Schadenszauber verrichten und Böses über die Welt bringen könnten.

Um diesen Aberglauben verstehen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass die damaligen Menschen ungebildet waren und nur selten über die eigene Dorfgrenze hinauskamen. Doch nicht nur deshalb war ihr Geisterglaube so stark ausgeprägt. Hinzu kam, dass im 17. Jahrhundert die kleine Eiszeit herrschte. Die Winter waren eisig, die Sommermonate kalt und verregnet. Die Frucht auf den Feldern faulte. Mensch und Tier litten unsäglichen Hunger. Viele starben an Kälte, Krankheiten oder verhungerten.

Da Gott den Menschen das nicht antat, denn Gott straft nicht, musste jemand anderes für ihr großes Leid verantwortlich sein. Indem sie anderen die Schuld an ihrem Elend gaben, bekamen sie Hoffnung, dass es besser werden würde, wenn derjenige sterben würde. Rasch wurden Schuldige gefunden, die beispielweise die Kuh verhext hatten, damit sie keine Milch mehr gab oder Wetterzauber verübten, wodurch Hagel die Ernte zerstörte. Man klagte Frauen, Männer und Kinder der Hexerei an, verurteilte sie und brachte sie auf den Scheiterhaufen.

Dank Prof. Dr. Dillinger stand mir einzigartiges Recherchematerial wie Anklageschriften und Prozessakten zur Verfügung. Allein die Vorstellung, mit welchen Methoden die angeblichen Geständnisse aus den Angeklagten buchstäblich herausgepresst worden sind, raubte mir so manche Nacht den Schlaf. In meiner Hexentrilogie schildere ich, wie solche Hexenprozesse abgelaufen sein könnten und welche Urteile ihnen folgten.

Besonders ergriffen war ich von dem Schicksal der elfjährigen Anna Paumann, die 1660 wegen angeblicher Hexerei in der Nähe von Rottweil angeklagt und verurteilt wurde. Weil mich die Geschichte dieses Mädchens nicht losließ, habe ich ihr Schicksal meiner Romanfigur Thea Hofmann in »Das Hexenmal« angedichtet.«

Unsere Autorin Deana Zinßmeister schreibt in ihrer Pest-Trilogie (DAS PESTZEICHEN, DER PESTREITER, DAS PESTDORF) über das harte Leben ihrer Protagonistin Susanna, und wir möchten von ihr wissen: »Welche Herausforderungen musste eine Frau wie sie in dieser Zeit bewältigen?«

Deana Zinßmeister: »Als ich mich entschied, historische Romane zu schreiben, sollten weder Adel noch Rittersleute meine Protagonisten werden. Ich wollte über das einfache Volk schreiben und Frauen die Hauptrollen überlassen. Die Recherche dazu stellte mich vor große Herausforderungen, da es über diese Menschen kaum Aufzeichnungen gibt. Deshalb musste ich tief in den Archiven graben, um an die wenigen Informationen zu gelangen. Auch beriet ich mich mit meinen Historikern, damit ich das Leben der Frauen im 17. Jahrhundert authentisch darstellen konnte.

Als Susannas Geschichte in »Das Pestzeichen« beginnt, war der Dreißigjährige Krieg erst seit kurzer Zeit zu Ende. Die Kämpfe, die von 1618 bis 1648 getobt hatten, hinterließen ein verwüstetes Land, in dem ganze Landstriche verwaist waren. Unzählige Väter und Ehemänner starben auf den Schlachtfeldern und ließen ihre Frauen und Kinder zurück, die sich nun allein durchs Leben schlagen mussten. Hunger, Kälte und die Pest forderten ebenfalls ihre Opfer. Immer mehr Haustüren waren mit dem schwarzen Kreuz versehen – als Warnung, dass in diesem Haus Pestkranke oder gar Pesttote zu beklagen waren.

Verhängnisvoll war außerdem, dass nach Kriegsende entlassene und mittellose Soldaten brandschatzend und plündernd umherzogen und den Menschen das Wenige wegnahmen, was sie noch besaßen. Dabei schreckten sie auch vor Mord nicht zurück.

Mit all diesen Schwierigkeiten hatte auch Susanna zu kämpfen, die wie viele andere in jener Zeit auf sich allein gestellt war. Um in diesen schwierigen Zeiten nicht wie andere zu straucheln oder unterzugehen, musste sie einen eisernen Überlebenswillen entwickeln. Mehrmals gelangte sie physisch und auch psychisch an ihre Grenzen. Doch was Susanna auszeichnete, war, dass sie trotz aller Entbehrungen, aller Strapazen, aller Qualen und Ängste niemals aufgegeben und weder ihren Glauben an das Gute noch ihre Menschlichkeit verloren hat.«

Das Gespräch führte Agnes Ejma aus dem dotbooks-Lektorat.

Deana Zinßmeister widmet sich seit einigen Jahren ganz dem Schreiben historischer Romane. Bei ihren Recherchen wird sie von führenden Fachleuten unterstützt, und für ihren Bestseller »Das Hexenmal« ist sie sogar den Fluchtweg ihrer Protagonisten selbst abgewandert. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Saarland.

Die Website der Autorin: deana-zinssmeister.de