Jo Schulz-Vobach im Interview

30. Juni 2016
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Jo Schulz-Vobach

Jo Schulz-Vobach (c) privat

„Dieser Drang, alles aufzuschreiben …“

Ein Gespräch mit Jo Schulz-Vobach über Heimat, starke Frauen und ihre historischen Frauenromane „Die Bernsteinfrau, „Das Lächeln der Wölfin“, „Die Sanddistel“.

 

Liebe Jo Schulz-Vobach, eines Ihrer Themen sind historische Frauenschicksale – und zwar solche, die sich nur selten in Geschichtsbüchern finden lassen. Was hat Sie dazu inspiriert Ihren Roman DIE BERNSTEINFRAU zu schreiben?

Jo Schulz-Vobach: „Es ist die Lust, die Freude, sicher auch der Drang, Gedanken und Gesehenes, Erinnerungen und Erfahrungen fest zu halten und in eine sichtbare Form zu bringen. Gerade mit Erinnerungen stößt meine mit und nach dem letzten Krieg aufgewachsene Generation zuweilen auf ‚taube‘ Ohren; doch Erlebtes, Erfahrenes ist es, was uns zu den Menschen macht, die wir sind und als die wir gesehen und verstanden werden möchten. Aus diesem Grund und weil meine Großmutter mit ihren Erzählungen über das ‚Früher‘ diesen Drang, alles aufzuschreiben, noch schürte, habe ich den Roman DIE BERNSTEINFRAU geschrieben. Er ist ein Teil der Geschichte meiner Familie, eingerahmt von vielen anderen Lebensbildern. Und eine Erinnerung an jenes Land, das man ‚Heimat‘ nennt: Ostpreußen.

 

Schulz-Vobach 3Das Thema Flucht, Vertreibung und Fremdheit bestimmt in DAS LÄCHELN DER WÖFLIN den Hintergrund. Wie ist es dazu gekommen?

Jo Schulz-Vobach: „Schicksale wie das meiner ‚Wölfin‘, der Königsbergerin Helene Wolf, hat es in Kriegszeiten immer gegeben und wird es wohl auch künftig immer geben – ohne dass viel darüber nachgedacht oder geredet wird. Und das Wort ‚Heimat‘ hat in einer Zeit mit neuen Kriegen und Flüchtlingsströmen an Bedeutung verloren; es ist für viele Menschen zum Synonym für Ängste, Verlust und traumatische Ereignisse geworden. Was bleibt, das sind Erinnerungen, das Erzählen über das, was war – und hier und da auch ein Lächeln, wie das Lächeln meiner ‚Wölfin‘. Es ist ein gegen das Vergessen geschriebenes Buch.“

 

Schulz-Vobach 2Nach Ihren vor allem in Ostpreußen angesiedelten Familiengeschichten spielt Ihre Familiensaga DIE SANDDISTEL auf Rügen. Was hat Sie dazu inspiriert?

Jo Schulz-Vobach: „Am Anfang war es meine eigene Kurzgeschichte ‚Elses Haus‘, vor etlichen Jahren nach Erzählung einer Freundin über Sommerferien ihrer Familie im Haus der resoluten und ihre Unabhängigkeit liebenden Großtante in Südtirol geschrieben. Dann, nach der deutschen Wiedervereinigung und ersten Urlaubstagen auf Rügen, wurde die Ostsee-Insel für mich zur Traum-Insel – und die in der allen Schreibenden bekannten Schublade lagernde Kurzprosa mit Else zum Roman-Projekt. Alles, was ich für meine Idee, aus diesem Zehn-Seiten-Text einen Roman zu machen, brauchte, fand ich auf Rügen: Eine faszinierende Landschaft, marode Gemäuer, die voller Geschichten und Geheimnisse sind, und liebevoll restaurierte Herrenhäuser und Schlösser, die an die wechselvolle Historie Rügens, an einstigen Glanz, an Vertreibung und Neuanfang erinnern. Aus ‚Else‘ – eine meiner Lieblingsfiguren – wurde ‚Sophie von Sand‘, so wie ihr Vorbild ebenso sperrig-stachelig wie sanft und verständnisvoll. Und aus Elses Familie wurden die von Sands – noch ein bisschen verrückter und liebenswerter als Elses Anhang.“

 

Schulz-Vobach 1Was ist das schönste Geschenk, das Ihnen ein Leser Ihrer Romane machen könnte?

Jo Schulz-Vobach: „Wenn sich die Leserin, der Leser dazu verführen lassen, in die Welt, in das Leben meiner Romanfiguren zu tauchen und wenn schon einzelne Worte aus meinem Text genügen, um ‚Bilder‘ im Kopf entstehen, meine Figuren lebendig werden zu lassen. Wenn meine Geschichte zum Nachdenken, zum Lachen und zuweilen auch zu Tränen verleitet und wenn mein Roman zu einem Lieblingsbuch im Regal wird. Wenn eine Geschichte auch nach dem letzten Satz noch lange im Kopf bleibt – und wenn jemand mich, die Autorin, dies auch wissen lässt, auf welchem Weg auch immer.“