„Der Duft der Seerosen“ von Kirsten John
Timothy Sonderhüsken, Programmleiter bei dotbooks, stellt „Der Duft der Seerosen“ von Kirsten John vor:
Es gibt Bücher, um die muss man kämpfen.
Ihr Name ist Hanna. Sie steht vor einem riesigen Ozeandampfer, vor dem sie sich klein wie eine Maus fühlt. Doch dieses Gefühl kennt sie im Jahr 1938 schon viel zu gut. Für die anderen Passagiere ist das Schiff nur ein Verkehrsmittel, um nach Amerika zu kommen – für Hanna, die deutsche Jüdin, symbolisiert es die Hoffnung, ihr Leben zu retten. Und sie ist bereit, dafür alles zu tun.
Rückblende, ein paar Jahre früher: Hanna ahnt noch nicht, dass ihr Lebensweg sie zu dem Schiff führen wird. Sie möchte einfach nur ein normales Leben führen, mit ihrem Freundinnen ins Café gehen. Doch da ist auf einmal dieses Schild: „Juden unerwünscht.“ Da sind die zunehmenden Diskriminierungen in der Schule, auf der Straße – und bald keine Freundinnen mehr. Hannas Welt wird immer kleiner, besteht bald nur noch aus der geliebten Großmutter und der deutschen Haushälterin, die mutig genug ist, nicht zu gehen. Der letzte Lichtblick für Hanna sind die kostbaren Stunden, die sie im Museum verbringt, mit dem jungen Mann, den sie liebt. Dort stehen sie gemeinsam vor den Schaukästen mit den ausgestopften Tieren, die für immer in einer Bewegung verharren müssen – und Hanna fragt sich: „Bin ich eins davon?“
Zum ersten Mal habe ich vor vielen Jahren in einem anderen Verlag von Kirsten Johns „Der Duft der Seerosen“ gehört, als eine Kollegin davon im Rahmen der wöchentlichen Lektoratsrunde berichtete. Sie war angetan, aber auch hin und her gerissen: „Ist die Geschichte groß genug, um ein breites Publikum zu erreichen? Ist die Sprache, mit der Kirsten John sie erzählt, laut genug, um die Massen zu erreichen?“ Ich bat darum, den Text lesen zu dürfen; einige Kollegen schlossen sich an. Eine Woche später sprachen wir erneut über das Buch. Die Fronten waren schnell klar abgesteckt und verhärteten sich im Minutentakt. Auf der einen Seite die Begeisterten: Jeden Satz hatten wir aufgesogen, jede Gefühlsregung von Hanna selbst gespürt – die Angst und den trotzigen Mut, das langsame Abstumpfen genau so wie die Hoffnungsschimmer. Auf der anderen Seite die Skeptiker, die immer wildere Theorien aufstellten, warum das Buch ihrer Meinung nach kein Erfolg werden könnte; auf einmal schien es nicht mehr um das Buch zu gehen, sondern darum, Recht zu haben.
Nach langem, zähen Ringen dann die Entscheidung: „Wir machen kein Angebot.“ Das Risiko eines kommerziellen Misserfolgs schien den Kollegen zu groß – und ich ging wie betäubt in mein Büro.
Jahre später fragt mich auf der Frankfurter Buchmesse der Agent von Kirsten John: „Kannst du dich noch an „Der Duft der Seerosen“ erinnern?“
„So ein Buch vergisst man nicht“, kann ich aus tiefstem Herzen antworten.
„Die Rechte sind noch frei“, sagt er. „Aber glaubst du, dass deine neuen Kollegen mutig genug sind, sich auf das Wagnis einzulassen?“
Ich denke an meine Verlegerin, an unsere Lektorin, an die Kollegin, die sich um Vertrieb und Marketing kümmert. Und strahle den Agenten so begeistert an, dass wir beide lachen müssen.
Hier ist es nun: das Buch, für das ich vor vielen Jahren vergeblich gekämpft habe und das nun bei dotbooks mit offenen Armen empfangen wurde. Es ist ein stiller Roman, der einen Sturm in sich trägt. Es ist eine niederschmetternde Geschichte, die federleicht erzählt wird. Es ist kein Buch, das behauptet: „Genau so war es!“ Aber eins, das hoffen lässt: „Ach, könnte es so gewesen sein …“ Ich bin glücklich, es Ihnen heute anbieten zu dürfen – und hoffe, Sie nehmen es an.