Kaja Vetter im Interview

3. Juli 2015
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Kaja Vetter (c) privat

Kaja Vetter (c) privat

„Jede der vier Frauen ist ein bisschen Kaja“

Ein Gespräch mit Kaja Vetter über Pannen beim Konzert-Catering, die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen und ihren Roman DAS LIED DER FREUNDSCHAFT.

 

 

Liebe Kaja Vetter, fangen wir direkt mit einer schwierigen Frage an: Ohne was könnten Sie am wenigsten leben – Bücher, Musik oder Freundschaft?

Kaja Vetter: „Das ist wirklich eine schwierige Frage! Ein Leben ohne Bücher? Ich liebe diese Stunden auf der Couch oder am Strand, am besten mit Tee und Schokolade, wenn ich den Abenteuern eines Romanhelden (oder einer Heldin!) folge.

Musik ist überall in meinem Leben, im Hintergrund beim Arbeiten, Schreiben, Kochen, im Vordergrund bei Konzerten meiner Lieblingsbands hier in Neuseeland.

Es würde mich sehr schwer fallen, ohne Bücher oder Musik zu leben. Aber am wenigsten könnte ich auf Freundschaft verzichten – besonders, weil ich so weit weg von meiner Familie lebe, sind meine Freunde hier eine Ersatzfamilie. Wir unternehmen viel miteinander in den guten Zeiten und helfen uns in den schwierigen Momenten.“

 

Sie waren selbst Musikerin: Wie stark haben Ihre Erfahrungen Sie zu diesem Roman inspiriert?

Kaja Vetter: „Die Jahre mit den wunderbaren Lemonbabies waren auf jeden Fall die Inspiration für meinen Roman DAS LIED DER FREUNDSCHAFT. Wir konnten am Anfang alle keine Instrumente spielen, haben viel improvisiert und so langsam dazu gelernt. Es war eine tolle Zeit, ganz egal, ob wir kleine Gigs hatten oder große, ob wir Song von den Beatles nachgespielt haben oder unsere eigenen Stücke.

Ich habe die Lemonbabies schließlich verlassen, weil ich mich entscheiden musste zwischen einem Studium und der Karriere als Musikerin – also ein Konflikt, vor dem die Hauptfiguren in meinem Buch auch stehen. Außerdem hat es mich gereizt zu zeigen, was wirklich hinter den Kulissen vor sich geht. Als Teenager hatte ich ein rosarotes Bild vom Musikerleben, und die Realität ist eben doch ein wenig anders – gerade als relativ unbekannte Band. Jennifer Lopez kann sich vertraglich zusichern lassen, dass in ihrer Garderobe nur weiße Blumen stehen – wir waren froh, wenn wir eine Garderobe bekamen.“ (lacht)

 

Verraten Sie uns mehr darüber?

Kaja Vetter: „Es gab immer wieder unschöne Überraschungen beim Catering – die meisten von uns waren Vegetarierinnen, gerade bei Auftritten auf dem Land konnte man sich aber darauf verlassen, dass wir einen Teller mit Wurstbroten auf den Tisch gestellt bekamen. Ein anderes Mal kamen wir im Programm eines Festivals gleich nach einer Stripperin – wen wundert’s, dass wir dann auch ‚Ausziehen, ausziehen‘-Rufe bekamen? Wir mussten mehr als einmal bei Gewitter unter freiem Himmel auftreten und konnten erst eine Pause machen, als der Regen so stark wurde, dass auch der letzte Rest des Publikums fortgeschwemmt worden war. Diese zum Teil kuriosen Erfahrungen – wie auch die guten, etwa wenn wir Anheizer für große Bands wie die ÄRZTE waren – haben mein Buch stark geprägt. Vor allem wollte ich aber einen Roman über vier unterschiedliche Frauen schreiben, die alle ihre eigenen Stärken und Schwächen haben und versuchen müssen, sich zusammenzuraufen.“

 

Ist auch das eine Erfahrung, die Sie selbst gemacht haben?

Kaja Vetter: „Vielleicht.“ (lacht)

 

Wenn DAS LIED DER FREUNDSCHAFT kein Roman, sondern Musik wäre – welche wäre das?

Kaja Vetter: „Die Band Beats Antique kombiniert geschickt die unterschiedlichsten Musikstile, von Electronic bis World Music, in ein wunderbares Ganzes. Ein tolles Beispiel ist der Song REVIVAL. Das erinnert mich schon an die Ladybirds aus meinem Roman: Die vier doch sehr unterschiedlichen Hauptfiguren kommen zusammen und schaffen etwas ganz Besonderes, gerade weil sie so verschieden sind.“

 

Tiffy, Johanna, Elisabeth und Maja: In welcher Ihrer Hauptfiguren steckt am meisten von Ihnen?

Kaja Vetter: „Vermutlich denkt man zuerst an Tiffy, die den Großteil der Handlung bestreitet und deren schwierige Familiensituation viele Leserinnen sehr bewegt. Aber Tiffy ist nicht mein Alter Ego. Jede der vier Frauen ist ein bisschen Kaja, und manche ihrer Leidenschaften sind – obwohl der Roman ja um Berlin herum spielt – auch von meiner Wahlheimat Neuseeland geprägt. Etwa bei Jo, denn Motorcrossfahren ist hier sehr beliebt. Jo ist überhaupt eine Figur, die ich sehr mag, wegen ihrer ‚femininen Ruppigkeit‘, wie es mein Lektor einmal genannt hat.

Majas Sportlichkeit ist mir wohl am ähnlichsten, im Gegensatz zu ihr spreche ich mit meinen Freundinnen allerdings sehr offen über Probleme.

Am schwierigsten fand ich es, über Liz zu schreiben und über ihre Beziehung mit Karl – ich will nicht zuviel verraten, aber für mich ist diese an der Grenze zur Gewalttätigkeit. Das gibt es leider viel öfter, als man es wahr haben will, und es ist hart, die eigenen Romanfiguren so leiden zu lassen.“

 

Ihr Roman handelt auch davon, wie schwierig es sein kann, befreundet zu sein – warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Kaja Vetter: „Eine der großen Herausforderungen unter Freunden ist, dass Menschen oder Lebensumstände sich sehr verändern können, etwa mit einem neuen Job, neuen Hobbies oder – wie es in meinem Fall war – dem Umzug in ein anderes Land; Deutschland und Neuseeland sind nicht nur aufgrund der Kilometerzahl weit voneinander entfernt. Oder eine Freundin wird Mutter und die andere eben nicht. Die alten Freunde passen dann manchmal nicht mehr, ohne dass jemand etwas falsch gemacht hätte. Der Wunsch, den man im englischen Sprachraum als BFF bezeichnet – best friends forever – kann mit der Realität nicht immer Schritt halten. Das ist eine Idee, die mich beschäftigt, und sie hat meinen Roman von Anfang an geprägt. – Ich habe darüber übrigens mit einer meiner BFF gesprochen, und sie merkte hierzu an: ‚Na, bei uns klappt das doch ganz prima – trotz der großen Entfernung.‘ Weswegen ich die Gelegenheit nutzen möchte, ihr hier öffentlich zu sagen: Danke für über 30 Jahre Freundschaft!“