»Man kann erst ein erfülltes Leben führen, wenn man seine Wurzeln kennt.«
Ein Gespräch mit unserer Autorin Beate Rygiert darüber, wie unsere Wurzeln uns prägen, wie eine einzelne Geschichte das Schicksal vieler spiegeln kann und ihren Roman AUF DEN SPUREN DER ERINNERUNG.
Liebe Frau Rygiert, mit AUF DEN SPUREN DER ERINNERUNG ist Ihnen ein sehr einfühlsamer Roman gelungen. Könnten Sie etwas zur Entstehung und dem Hintergrund des Romans erzählen?
Beate Rygiert: »Es ist ein sehr persönlicher Roman, der auf den Kindheits- und Jugenderinnerungen meines Vaters beruht. Er ist in Polen geboren und hat im 2. Weltkrieg Unglaubliches erlebt. Zusätzlich zur politischen Situation während der deutschen Besatzung, in deren Verlauf jeder um sein Überleben kämpfte, kam der Riss, der durch seine eigene Familie ging: Seine Mutter Bronja hat ihn und seinen Vater verlassen, als sie sich in einen deutschen Beamten verliebte und ihm mit dem jüngsten Sohn ins Reich folgte. Während der vielen Interviews, die ich mit meinem Vater führte, wurde die Vergangenheit wieder sehr lebendig. Für mich bedeutete die Reise, dich ich dann mit meinem Vater nach Polen unternahm, auch eine wichtige Zäsur in meinem Leben. Seither bin ich mir sicher: Man kann erst ein erfülltes Leben führen, wenn man seine Wurzeln kennt.«
In AUF DEN SPUREN DER ERINNERUNG machen Ewa und ihr Vater einen Roadtrip durch Polen. Haben Sie bei Ihren Recherchen für diesen Roman etwas Neues über dieses Land erfahren, das Sie überrascht hat oder das Sie spannend fanden?
Beate Rygiert: »Damals war Polen für mich ein unbekanntes Land und alles, was ich dort erlebt habe, war völlig neu für mich. Ich habe zum Beispiel zum ersten Mal Verwandte getroffen, Cousinen meines Vaters und deren Familien. Die Herzlichkeit der Menschen fand ich sehr eindrucksvoll. Und doch waren die Wunden, die die deutsch-polnische Geschichte hinterlassen hat, ständig spürbar.
Ich liebe übrigens seither Pierogi und die herrlichen, polnischen Blechkuchen.«
Janek Ziegler aus Ihrem Roman AUF DEN SPUREN DER ERINNERUNG musste als Kind den Zweiten Weltkrieg durchleben. Was macht sein Schicksal so besonders?
Beate Rygiert: »Janek gerät während des Kriegs quasi zwischen alle Stühle. Er ist 11 Jahre alt, als auf einmal streng unterschieden wird zwischen Polen, Deutschen, Juden, Ukrainern usw. Das stellt sein Leben völlig auf den Kopf. Für die Reichsdeutschen ist er als sogenannter Volksdeutscher Mensch 2. Klasse. Für die Polen gilt er als Verräter. Er versteht nicht, warum die Juden auf einmal in gesonderten Vierteln leben müssen und schließlich verschwinden. Viel zu früh zu einer Entscheidung gezwungen, beschließt er nach dem Weggang der Mutter, ein ›guter Deutscher‹ zu werden und meldet sich mit 15 Jahren zur Waffen-SS, nur um dort zu merken, dass er die schlimmste Entscheidung überhaupt getroffen hat. Doch genau dort kann er das Leben eines Jungen retten, der dem polnischen Widerstand angehört. Während der dramatischen Flucht vor der Roten Armee ist er dann völlig auf sich allein gestellt und folgt endlich seinem eigenen Überlebensinstinkt, was ihn am Ende als Einzigen seiner Gruppe rettet.
Sein Schicksal ist so individuell wie jedes Menschenleben. Und doch steht es für das von vielen, die jene Jahre miterlebt haben. Das haben mir Leser immer wieder bestätigt – sie fanden ihre eigenen Erinnerungen oder die Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern in dieser Geschichte beispielhaft gespiegelt.«
Ewa hat den Roadtrip mit ihrem Vater lange Zeit aufgeschoben. Warum scheint nun genau der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein?
Beate Rygiert: »Ewa steht selbst an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Genau der richtige Zeitpunkt, um herauszufinden, woher man eigentlich kommt. Denn das Schicksal unserer Eltern prägt auch unbewusst das unsere. Erst wenn wir das begreifen, können wir solche Krisen, wie die, in der Ewa sich befindet, wirklich überwinden und schließlich unseren eigenen Weg finden. Insofern kann Ewas Geschichte auch Mut machen, sich selbst mit seinen Wurzeln vertraut zu machen.«
Das Gespräch führte Agnes Ejma aus dem dotbooks-Lektorat.
Beate Rygiert studierte Theater-, Musik- und Italienische Literaturwissenschaft in München und war danach als Dramaturgin an verschiedenen Theatern engagiert, bevor sie sich auch als Buchautorin eine große Fangemeinde eroberte. Ihre Romane erscheinen auf den Bestseller-Listen und werden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Beate Rygiert lebt und arbeitet im Schwarzwald.
Bei dotbooks erschienen neben AUF DEN SPUREN DER ERINNERUNG auch Beate Rygierts Romane DIE FÄLSCHERIN und DER NOMADE.
Die Website der Autorin: www.beaterygiert.de
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