»Man muss nicht ALLES bierernst nehmen.«

23. September 2022
dotbooks

Ein Interview mit Bestsellerautor Sebastian Niedlich über seine Faszination für den Sensenmann, Humor und seine Bestseller wie DER TOD UND ANDERE HÖHEPUNKTE MEINES LEBENS und UND GOTT SPRACH: ES WERDE JONAS.

Lieber Sebastian, Du hast bei dotbooks bisher vier Romane und ebenso viele Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht – und bist dabei dem Humor immer treu geblieben. Was reizt Dich an diesem Genre … und wäre es nicht mal Zeit für den großen, politisch relevanten Gegenwartsroman?

Sebastian Niedlich: »Schön, dass wir darüber gesprochen haben – jetzt weiß ich ja, was ich euch als Verlag als Nächstes anbieten kann! Aber mal Ernst beiseite, denn der steht immer im Weg: Ich hatte und habe eigentlich immer noch vor, durchaus mal andere Genres auszuprobieren. Ich weiß allerdings auch, dass ich nicht aus meiner Haut kann, dass egal, was ich schreibe, es immer irgendwie humorig sein würde. Vielleicht nicht ganz so ausgeprägt, aber eben schon ein bisschen. Vor allem bin ich aber auch der Meinung, dass der große, politisch relevante Gegenwartsroman durchaus auch eine Portion Humor vertragen kann – man kann nicht behaupten, dass unser aller Leben in den letzten Jahren deutlich entspannter geworden ist. Und umso wichtiger ist es, Leserinnen und Lesern die Möglichkeit zu geben, einfach mal zu lachen.«

Du hast mit Deinem ersten Roman DER TOD UND ANDERE HÖHEPUNKTE MEINES LEBENS sofort einen Bestseller gelandet – was hat Dich damals an der Idee gereizt, über den leibhaftigen Tod und seinen besten Freund zu schreiben?

Sebastian Niedlich: »Ich fand die Figur des Sensenmannes schon immer faszinierend. Eine physische Manifestation des Todes: Wie wäre das für den Tod als Person so? Ich meine, diese Person wäre doch bestimmt einsam und heilfroh, mal jemand zum Quatschen zu haben. Und was für ein Stress der Job sein muss, bei der Anzahl an Leuten, die mittlerweile sekündlich so sterben. Wir sind ja doch deutlich mehr Leute auf der Erde als noch vor, sagen wir mal, zweihundert Jahren. Ein echter Knochenjob! Dabei wäre es doch bestimmt mal interessant zu hören, was der Tod in Person so zu sagen hätte … Auf der anderen Seite hat mich natürlich auch Martins Geschichte interessiert: Der will mit dem Tod nun wirklich nichts zu tun haben, aber hey, manche Freunde kann man sich eben nicht aussuchen. Indem ich den Tod und Martin zusammengebracht habe, nehme ich dem Thema zwar nicht seinen Ernst, mache aber eine humorvolle Geschichte daraus, die uns alle einen anderen Blickwinkel gibt auf das, was uns allen irgendwann passieren wird.«

In der Fortsetzung Deines Bestsellers DER TOD UND ANDERE HÖHEPUNKTE MEINES LEBENS steht die Welt Kopf, weil der Tod seine Arbeit nicht mehr so zuverlässig erledigt wie bisher – und obwohl DER TOD IST SCHWER ZU ÜBERLEBEN immer noch ein schnelles und humorvolles Lesevergnügen ist, mischen sich nun auch ernstere Töne in die Geschichte. Warum?

Sebastian Niedlich: »Na ja, ein Buch über den Tod zu schreiben und dann keine ernsten Töne drin zu haben, wäre ja auch irgendwie unpassend, oder? Irgendwie bringt das Thema das ja schon mit sich. Man muss nicht ALLES bierernst nehmen, aber der Tod ist nun mal die letzte wichtige Sache, die man im Leben hinter sich zu bringen hat. Da kann man es in Teilen auch mal etwas ernster sehen. Gleichzeitig bietet DER TOD IST SCHWER ZU ÜBERLEBEN aber auch wieder den Humor, den die Fans des ersten Romans so zu schätzen wussten – denn die besten Freunde, Martin und der Tod, bekommen es unter anderem mit denjenigen zu tun, die den Job ausgesprochen gerne übernehmen würde … und das nicht immer nur aus den menschenfreundlichsten Gründen … Mir ist es wichtig, auch ernste Themen mit Humor zu erzählen, auch wenn der nicht rosarot daherkommt. Es muss ja nicht jedes Mal, wenn einer stirbt, gleich ein Tod mit Akkordeon oder Kazoo erscheinen, um einen letzten Tusch zu spielen. Hmm … vielleicht sollte ich mir das für den dritten Teil aufschreiben?«

In Deinem Roman UND GOTT SPRACH: ES WERDE JONAS nimmst Du das Christentum und die Medien aufs Korn – wer, glaubst Du, hat eine Abreibung mehr verdient? Und hättest Du selbst auch das Zeug zum Messias?

Sebastian Niedlich: »Ich denke, grundsätzlich hat jeder irgendwie eine Abreibung verdient. Die Medien, mit ihren manchmal durchaus fragwürdigen Entscheidungen darüber, wie über etwas berichtet wird, und das Christentum, welches zu sehr viel Leid und Elend auf der Welt beigetragen hat, erst recht. Das eigentliche Problem ist aber, wie wir als Menschheit damit umgehen: Wir sind es ja, die aus guten Ideen – Jesus hatte davon durchaus einige – dann irgendwelchen Mist fabrizieren. Jesus hat sinngemäß gesagt: ›Leute, habt euch alle lieb!‹ Und einige meinen daraus ›Wat? Wir sollen Frauen, Schwulen und Lesben das Leben schwer machen?‹ zu interpretieren. Dieses gezielte Missverstehen ist ja auch ein Thema bei JONAS.

Auch die Medien richten sich natürlich nach den Vorlieben der Menschen. Wenn Leute meinen, nur das dümmste Zeug zu schauen und dumme Leute berühmt zu machen, dann werden die Medien natürlich darauf anspringen und entsprechend reagieren. Es liegt also an uns, das zu ändern. Wir bräuchten da also mal einen Messias, der entsprechend Tacheles redet … Ob ich dafür geeignet wäre? Eher nicht. Meine Bullshit-Toleranzgrenze liegt dafür zu niedrig, fürchte ich. Andererseits ist Jesus auch gern mal ausgerastet und hat Tische umgeworfen … Aber ich denke, ich überlasse das Feld jetzt erst einmal Jonas aus meinem Roman.«

In Deinen vier Kurzgeschichtensammlungen gibt es ein Wiedersehen mit den Figuren aus Deinen erfolgreichen Romanen, außerdem ganz andere humorvolle Geschichten und sogar Spaßgedichte und Limericks. Was reizt Dich an dieser kurzen Form, und wer sollte sie Deiner Meinung nach lesen?

Sebastian Niedlich: »Wer sie lesen sollte? Alle am besten, Sebastian braucht Geld für Futter! Aber im Ernst: Ich habe durchaus mitbekommen, dass einige Leute die Gedichte und Limericks nicht so toll finden. Das ist okay, nicht jeder muss ein humorvolles Versepos über ein schlechtgelauntes Einhorn mögen … Ich fand es spannend, auf diese Weise in wenigen Zeilen kurze Geschichten zu erzählen – und freue mich über alle, die das mit Humor nehmen. Die anderen können diese wenigen Seiten problemlos überspringen.

Was die Kurzgeschichten angeht: Manchmal hat man eben Ideen, die zwar durchaus gut, aber eben nicht über 400 Seiten tragfähig sind. Die Ideen möchte man ja deswegen nicht gleich wegschmeißen. Manche Schriftsteller haben ihre besten Sachen in Kurzgeschichten geschrieben, und ich persönlich mag Kurzgeschichten selbst sehr gern. Und vor allem geht es mir darum, meine Leserinnen und Leser humorvoll zu unterhalten – manchmal braucht man am Ende eines anstrengenden Tages doch einfach die Wahrheit über den Osterhasen, um abschalten zu können. Oder einen kleinen Weltuntergang, der selbstverständlich in einem amerikanischen Diner beginnt. Oder einen Drachen, der … ach, das verrate ich jetzt an dieser Stelle nicht. «

Im Mittelpunkt von DICKER TEUFEL UMSTÄNDEHALBER IN LIEBEVOLLE HÄNDE ABZUGEBEN steht Mephy, der gar nicht versucht, übermäßig sympathisch zu sein – schließlich ist er der Herr der Hölle. Wieviel Spaß hat es Dir gemacht, über einen richtigen Teufel zu schreiben … und warum, glaubst Du, mögen Deine Leserinnen und Leser ihn trotzdem?

Sebastian Niedlich: »Ich glaube, der Teufel, so wie ich ihn als Mephy beschrieben habe, kommt bei vielen so gut an, weil er nur so ›halb-böse‹ ist und das macht, was viele gerne im richtigen Leben tun wollen würden, aber sich nicht trauen. Im Grunde hat er ja einen recht strengen moralischen Code, der durchaus stärker ausgeprägt ist als bei manchen ›Guten‹: Gott, wenn man an ihn glaubt, bringt mal eben Tausende, wenn nicht Millionen Leute aus einer Laune heraus um. Mephy ist da eher nicht der Typ für. Er ist derjenige, der unangenehmen Leuten ordentlich die Meinung geigt oder etwas tut, was er in dem Fall für angemessen hält. Und wer von uns hätte sich nicht schon mal gewünscht, dass manche Leute richtig ihr Fett abkriegen, z.B. Autobahndrängler, brüllende Gäste in Restaurants, Helikoptereltern oder gewisse CSU-Politiker …«

Das Interview führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter bei dotbooks.

Sebastian Niedlich, 1975 in Berlin geboren, schreibt Langes und auch Kurzes, aber vor allem Merkwürdiges und Lustiges. Er lebt in Potsdam und muss deswegen viel Zeit damit verbringen, sich über den Verkehr aufzuregen.

Bei dotbooks veröffentlichte Sebastian Niedlich bereits die Romane »Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens«, »Der Tod ist schwer zu überleben«, »Und Gott sprach: Es werde Jonas« und »Dicker Teufel umständehalber in liebevolle Hände abzugeben« sowie die Erzählbände »Der Tod, der Hase, die Unsinkbare und ich«, »Ein Gott, drei Könige und zwei Milliarden Verrückte« und »Das Ende der Welt ist auch nicht mehr, was es mal war« (die auch als Sammelband erhältlich sind: »Am Ende der Welt gibt es Kaffee und Kuchen«) sowie »Mafiosi, Drache, Tod und Teufel«.

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