»Mir macht es Spaß zu zeigen, mit welchem Mut und Erfindungsgeist diese Frauen ihr Glück suchen.«
Ein Gespräch mit Bestsellerautorin Tania Schlie – auch bekannt als Caroline Bernard – über starke Figuren, persönliche Einflüsse und ihre Romane wie DIE SPUR DES MEDAILLONS, ELSAS ERBE und DER DUFT VON ROSMARIN UND SCHOKOLADE.
Liebe Tania, wie bist Du zur Schriftstellerei gekommen?
Tania Schlie: »Ich habe lange als Lektorin gearbeitet, erst in einem Verlag, dann freiberuflich, und ich wäre nie auf die Idee zu kommen, Autorin zu werden. Damals galt noch die Regel: ›Lektoren können keine Bücher schreiben.‹ Dann aber traf ich mich mit zwei Verlagsleitern. Beim Essen begannen wir zu spinnen: Wie müsste ein Roman sein, den wir unbedingt für unsere Programme haben wollen würden, wo sollte er spielen, was hätte er für Hauptfiguren? Wir haben uns dann vorgenommen, Exposés zu schreiben … und offensichtlich hat das etwas bei mir getriggert.
Ich habe mir ziemlich rasch die Geschichte für DIE SPUR DES MEDAILLONS ausgedacht – und zu meiner eigenen Überraschung sofort einen Vertrag dafür bekommen. Also habe ich angefangen zu schreiben und dabei gemerkt, wie toll das ist, selbst Geschichten zu erzählen. Seitdem schreibe ich über starke Frauen, die ihr Leben meistern, die nicht nur gefallen wollen, sondern auch mal unbequem sind – und die sich das Recht herausnehmen, in der Liebe auch mal schwach zu werden. Meine Figuren sind manchmal rein fiktiv, manchmal erzähle ich aber auch das Leben realer Frauen, die meine Vorbilder sind, die ich bewundere und von denen ich gelernt habe.«
In Deinen beiden Romanen DER DUFT VON ROSMARIN UND SCHOKOLADE und DER DUFT VON SOMMERREGEN erzählst Du mit schwebend leichtem Ton von der Suche nach dem Glück, der an einen Sommerurlaub in Frankreich erinnert – dabei spielen Deine Bücher in Hamburg. Wie kam es dazu?
Tania Schlie: »Wenn meine Romane so rüberkommen, freut mich das sehr. Maylis, die im Mittelpunkt von DER DUFT VON ROSMARIN UND SCHOKOLADE steht, hat tatsächlich etwas von der bezaubernden Amélie: Sie steht ihrem eigenen Glück im Weg, läuft aber zur Hochform auf, wenn es darum geht, Anderen zum Glück zu verhelfen. Sie lebt zwar in Hamburg, hat aber einen Teil ihres Lebens an der französischen Mittelmeerküste verbracht und liebt die französische Lebensart – so wie ich auch. Maylis ist sozusagen eine Französin in Hamburg.
Mit Lena habe ich mir für DER DUFT VON SOMMERREGEN eine neue Hauptfigur ausgedacht – und beim Schreiben prompt meinen Handlungsort, das herrlich altmodische Feinkostgeschäft, und meine Figuren aus dem ersten Buch vermisst, insbesondere Madame Rosa, die ich mir auch ganz wunderbar bei Streifzügen durch Paris vorstellen könnte … Ich hatte das Gefühl, ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt zu haben, und so spielt sie in DER DUFT VON SOMMERREGEN die Liebesbotin für Lena. Wie genau, das verrate ich hier aber natürlich noch nicht.«
Deine Begeisterung für Frankreich spiegelt sich natürlich auch in Deinen Romanen, die dort spielen – wie zum Beispiel in EINE LIEBE IN DER PROVENCE. Was hat Dich an dieser Geschichte gereizt?
Tania Schlie: »Es ist eine Liebe in schwierigen Zeiten: Eine junge Französin und ein Deutscher in der schrecklichen Zeit während der deutschen Besatzung. Ich fühle Hochachtung für einen Mann wie Franz: Er verlässt sein Land, weil er die Ungerechtigkeit nicht erträgt, er kämpft für eine bessere Welt. Und dennoch halten ihn in Frankreich alle für einen Nazi, für einen ›Boche‹. Victoire, die sich in ihn verliebt, wird von ihrem eigenen Vater verstoßen, niemand in dem kleinen Dorf spricht mehr mit ihr, weil sie zu Franz hält. Aber die Liebe, und vielleicht nur sie, kann solche Schwierigkeiten überwinden.«
Mit Deinen beiden Romanen DIE LIEBE DER MADEMOISELLE GODARD und EIN SOMMER IN BONNEVILLE entführst Du Deine Leserinnen und Leser in das Frankreich des frühen 20. Jahrhunderts. Was reizt Dich an dieser Zeitreise – und an Deinen beiden Hauptfiguren?
Tanja Schlie: »Suzanne Godard aus DIE LIEBE DER MADEMOISELLE GODARD will Fotografin werden, und niemand traut ihr das zu … außer mir, versteht sich. In diesem Roman ging es mir auch darum, von den Anfängen der Fotografie zu erzählen. Ich habe mir sogar einen Apparat aus dieser Zeit gekauft, um ein Gefühl dafür zu bekommen.
In EIN SOMMER IN BONNEVILLE bildet die Malerkolonie der Impressionisten in Deauville nach dem Ersten Weltkrieg die Kulisse; meine Hauptfigur Mathilde verliebt sich unsterblich in einen von ihnen, und Roger verewigt sie in seinem besten Gemälde. Doch dann zerstört eine Nebenbuhlerin die Beziehung. Mathilde bleibt nichts anderes übrig, als eine Pension am Meer zu eröffnen, weil sie überleben muss – aber damit gibt sie ihre Träume noch lange nicht auf …
Suzanne und Mathilde wollen mehr als versorgte Ehefrauen sein oder den Mann heiraten, den ihre Eltern ausgesucht haben. Dafür nehmen sie auch Widerstände in Kauf. Mir macht es Spaß zu zeigen, mit welchem Mut und Erfindungsgeist diese Frauen ihr Glück suchen.«
Einer ganz anderen Thematik widmest Du Dich in ZWISCHEN UNS DER OZEAN, einer verhinderten Auswanderung Ende des 19. Jahrhunderts. Was hat Dich zu Paulas Geschichte inspiriert?
Tania Schlie: »Wie in vielen meiner Romane geht es auch in ZWISCHEN UNS DER OZEAN um Aufbruch – und darum, wie man sein Glück finden kann, auch wenn niemand sonst daran glaubt. In Hamburg hat die Familie Klausner nach dem Bankrott des Vaters keine Zukunft mehr. Sie wollen einen Neuanfang in Amerika wagen. Doch dann fällt die 17-jährige Paula durch die medizinische Untersuchung auf Ellis Island, weil sie hinkt, und wird nach Hamburg zurückgeschickt. Ganz allein hält sie sich über Wasser und findet Arbeit in der Brauerei von Alma Janssen.
Auch Alma ist eine Frau in einer Männerdomäne: Nach dem Tod ihres Mannes führt sie die Brauerei weiter, obwohl niemand ihr das zutraut. Es war ein großes Vergnügen, über diese beiden sehr unterschiedlichen Frauen zu schreiben. Ob es Paula am Ende gelingen wird, doch noch in das Land zu gelangen, das sie wegen ihrer leichten Behinderung nicht aufnehmen wollte? Nun, dass müssen meine Leserinnen und Leser selbst herausfinden …«
In Deinen beiden Romanen ELSAS ERBE und DIE JAHRE OHNE DICH erzählst Du nicht nur von Frauen, die sich durchsetzen müssen – sondern auch ihren sehr komplexen Familienbanden. Wie kam es dazu?
Tania Schlie: »Mit ELSAS ERBE hat es eine besondere Bewandtnis: Ich erzähle darin die Geschichte meines Urgroßvaters, der Anfang des 20. Jahrhunderts ein sogenannte Kiesbaron war. Er hat inseinem Dorf einen rasanten Aufstieg hingelegt, die Villa, die er sich bauen ließ, steht heute noch. Seine Tochter Elsa wächst in behüteten Verhältnissen auf. Doch dann muss sie erfahren, dass ihr bequemes Leben auf einer Lüge aufgebaut ist – ihr Vater hat noch eine zweite Familie und beinahe sein ganzes Vermögen verpulvert. Natürlich habe ich mir viel von dem, was Elsa widerfährt, ausgedacht, aber der Roman über sie gehört sicher zu meinen persönlichsten Werken.
In DIE JAHRE OHNE DICH geht es dagegen um zwei Schwestern, die als Kinder im Krieg getrennt werden – ein Schicksal, das leider alles andere als selten ist in dunklen Zeiten. Es ist purer Zufall, dass die eine bei ihrer Mutter relativ sorglos aufwächst, während die andere allein zurückbleibt und in Ostdeutschland in ein Waisenhaus kommt. Obwohl sie keine konkreten Erinnerungen aneinander haben, ahnen beide Frauen, dass da jemand fehlt. Ich habe selbst eine sehr starke Bindung zu meiner Schwester, obwohl wir sehr unterschiedlich sind, und die Rolle dieser Beziehung wollte ich in meinem Roman ausloten.«
Und natürlich müssen wir am Ende noch einmal auf Deinen Debütroman zu sprechen kommen, DIE SPUR DES MEDAILLONS, der 2001 zum ersten Mal erschienen ist und sich bis heute hervorragend verkauft. Was verbindest Du mit diesem Buch – und warum, glaubst Du, begeistert er seit zwanzig Jahren eine stetig wachsende Leserschaft?
Tania Schlie: »In meinen ersten Roman ist damals mein ganzes Herzblut geflossen – ich glaubte ja, dass dieser Roman mein einziger bleiben würde, deshalb wollte ich alles hineinpacken, was mir wichtig war. Dazu kommt, dass ich eine wirklich rasante Geschichte erzähle: Natascha, eine russische Adlige aus bestem Hause, verliebt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts unsterblich in Michael, der für die Revolution brennt. Sie gehören zwei Systemen an, die sich blutig bekämpfen. Das gab mir den Raum, von einer großen Liebe zu erzählen, die durch die Zeitumstände eigentlich unmöglich ist.
Vielleicht gibt es aber auch einen weiteren Grund, warum meine Leser dieses Buch so lieben: Es wird eine zweite Liebesgeschichte erzählt, die in der Gegenwart spielt. Hier ist die Protagonistin Nina, die Enkelin von Natascha. Die Großmutter erzählt der Enkelin von ihrer großen Liebe, und Nina muss sich fragen, ob sie auch solche Gefühle kennt … Schreiben ist übrigens immer eine intensive Erfahrung, und wir Autorinnen und Autoren haben vielleicht mehr ›Herzblut‹ als andere Menschen, um unser Publikum begeistern zu können. Trotzdem wird DIE SPUR DES MEDAILLONS immer ein besonderer Roman sein für mich, und das spürt man beim Lesen.«
Das Gespräch führte Timothy Sonderhüsken, Verlagsleiter dotbooks.
Tania Schlie, geboren 1961, studierte Literaturwissenschaften und Politik in Hamburg und Paris. Bevor sie anfing zu schreiben, war sie Lektorin in einem großen Verlag. Heute lebt sie als erfolgreiche Autorin in der Nähe von Hamburg.
Bei dotbooks veröffentlicht Tania Schlie, die auch unter den Namen Greta Hansen und Caroline Bernard erfolgreich ist, die Romane »Der Duft von Rosmarin und Schokolade«, »Der Duft von Sommerregen«, »Die Spur des Medaillons«, »Eine Liebe in der Provence«, »Ein Sommer in Bonneville«, »Die Liebe der Mademoiselle Godard« und – auch als Sammelband unter dem Titel »Auf den Flügeln der Hoffnung« erhältlich – »Elsas Erbe«, »Zwischen uns der Ozean« und »Die Jahre ohne dich«.