»Organisierte Kriminalität ist schon seit langem kein alleiniges Phänomen Italiens oder der Mafia.«

27. August 2021
dotbooks

Ein Gespräch mit unserem Autorenduo Gianni Volpe über die Licht- und Schattenseiten der Toskana, über die Dynamik zwischen ihren Ermittlerfiguren und über ihre Krimis KALTE SCHATTEN ÜBER DER TOSKANA, MORD IN DER TOSKANA und TÖDLICHES SPIEL IN DER TOSKANA.

Liebe Autoren, Ihre Krimireihe spielt in der Toskana – was verbinden Sie mit dieser italienischen Gegend und warum wählten sie sie als Schauplatz?

Gianni Volpe: »Seit mehr als zwei Jahrzehnten verbringen wir die Sommer in der Toskana und wir genießen den Aufenthalt ein jedes Mal aufs Neue. Ganz gleich, wo man ich aufhält – es ist nie zu weit, um an kilometerlangen Sandstränden auszuspannen, an Orten mit einer reichen kulturellen Vergangenheit seinen Bildungshunger zu stillen, eine Trattoria zu besuchen, die für wenig Geld gutes Essen gegen den anderen Hunger anbietet, oder ein Weingut, wo man auf sanften Hügeln bei Rotwein den Sonnenuntergang genießt. Und schließlich kann man sich in der Gesellschaft der freundlichen Menschen ganz einfach am besten entspannen.

Aber auch (und gerade) dieses Paradies ist nicht vollkommen. Auch an den lieblichsten Orten der Toskana lauert – wie überall auf der Welt – hinter den Fassaden Korruption und Kriminalität: Geldwäsche, Grundstücksspekulation an der Küste und in den Städten, Ausbeutung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft und den Textilfabriken, Menschenhandel, Drogen, Prostitution und Produktfälschungen. Aber wer macht sich schon Gedanken darüber, in welchem Netz der Strandverkäufer gefangen ist? Wir wollten aufzeigen, dass und wie sich engagierte Polizisten trotz aller Widerstände nicht davon abbringen lassen, gegen diese Art von Verbrechen anzukämpfen und sich auch nicht entmutigen lassen, wenn nicht alle Schuldigen sofort zur Rechenschaft gezogen werden.«

KALTE SCHATTEN ÜBER DER TOSKANA ist der erste Band Ihrer Krimireihe um die Kommissare Vittoria Pucci und Leonardo Vanucci: Was ist das Besondere an diesem Ermittlerduo?

Gianni Volpe: »Sie ergänzen sich hervorragend – Vittoria, die Analytische, und Leonardo, der Erfahrene und Intuitive. Aufgrund ihrer Expertise ist es ihnen möglich, bei der Lösung der Fälle auf Augenhöhe zu agieren. Aber sie harmonieren nicht nur beruflich miteinander – schon bald entwickelt sich auch eine zarte persönliche Bindung aus der gemeinsamen Arbeit. Doch damit stehen sie vor neuen Herausforderungen … Im Verlauf der drei Bände entwickelt sich somit nicht nur das berufliche Miteinander der Beiden, sondern auch ihre persönliche Geschichte. Interessanterweise war im Gegensatz zu den Kriminalfällen diese Geschichte nicht von Beginn an angelegt, sie hat sich für uns beim Schreiben entwickelt.«

In MORD IN DER TOSKANA bekommen Ihre Ermittler es ein zweites Mal mit dem aalglatten Anwalt Toldo zu tun. Was macht ihn zu so einem schwierigen Gegner für Vittoria und Leonardo?

Gianni Volpe: »Am besten lässt sich die Frage durch einen Vergleich beantworten: Der Giersch ist ein für Gärtner äußerst unangenehmes „Unkraut“ – die Blätter, die man an der Oberfläche sieht, machen den geringsten Teil der Pflanze aus; viel wichtiger ist das Wurzelgeflecht unter der Erde. Einzelne Pflanzen können sich verbinden und über sehr große Flächen ausbreiten: Es nützt also nichts, nur den sichtbaren Teil zu entfernen.

Genauso ist es mit dem organisierten Verbrechen: nicht das, was man sieht, ist von Belang, sondern das Wurzelwerk im Untergrund. Avvocato Raffaele Toldo ist Teil eines solchen Wurzelwerks; es reicht in, die Politik und deren Parteien, die Justiz, die Unternehmen, die Gewerkschaften, ja sogar in die Kirche. Und wenn ein Teil des Systems unter Druck gerät, werden die anderen alles daransetzen, ihn zu schützen. Man kennt sich, man hilft sich – eine kleine Lücke im Gesetz hier, eine Verzögerung dort – und schon geraten die Verfahren ins Stocken und versanden schließlich im Nichts, egal wie sicher die Beweislage anfangs ausgesehen haben mag.

Das ist für Ermittler wie Vittoria und Leonardo natürlich frustrierend, hindert sie aber nicht daran, es immer wieder mit Toldo aufzunehmen. Und wenn sie es beim ersten Mal nicht schaffen, dann eben beim nächsten oder übernächsten. Vittoria und Leonardo sind dazu jedenfalls entschlossen!«

Die Kommissare Vittoria und Leonardo haben in TÖDLICHES SPIEL IN DER TOSKANA nicht nur mit einem schwierigen Fall zu kämpfen, auch privat ist es nicht ganz einfach: Wie gehen sie mit ihrer besonderen Lebenssituation um?

Gianni Volpe: »Je stärker sich berufliche und private Beziehungen miteinander verschränken, umso größer wird die Herausforderung, die Grenzen nicht verschwimmen zu lassen und eine angemessene Distanz zu wahren – und zwar sowohl im beruflichen Miteinander als auch im Privatleben. Das ist nicht immer ganz einfach, aber Vittoria und Leonardo versuchen, ihre Situation professionell zu organisieren. Beruflich gelingt das recht gut – sie müssen ihren engen Draht, wenn überhaupt, nur im Ausnahmefall nutzen und nicht, wie man es vielleicht erwarten würde, überstrapazieren.

Privat ist es schon schwieriger. Noch leben beide nicht zusammen, sondern rund eineinhalb Stunden voneinander entfernt. Eine solche Fernbeziehung kann eine Partnerschaft auf eine harte Probe stellen und ist insbesondere für eine junge Familie mit Kind eine echte Herausforderung – zumal, wenn ein Elternteil gezwungenermaßen den Einsatzbereich wechseln muss, der andere Teil nach kurzer Pause wieder einsteigt und beide Eltern dann auch noch gleichermaßen beruflich gefordert sind. Vor allem Vittoria erfährt schnell, dass man beim Versuch, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, allzu oft an Grenzen stößt und das »Abenteuer Familie« ohne die Unterstützung durch ihre Großmutter kaum funktionieren würde. Und deshalb ist beiden von Anfang an klar, dass sie etwas ändern und bald Entscheidungen treffen müssen, damit sie eine Chance als Familie haben. Denn sowohl Vittoria als auch Leonardo sind mit jeder Faser Familienmenschen. Ob sie eine Lösung finden, erfahrt ihr in TÖDLICHES SPIEL IN DER TOSKANA

Ihre Toskana-Krimis setzen sich immer wieder mit Korruption auseinander, aber auch die Mafia tritt auf den Plan: Gibt es Ereignisse in den Krimis, die auf wahren Begebenheiten beruhen oder kommt Ihre Inspiration aus Literatur, Film und Fernsehen?

Gianni Volpe: »Organisierte Kriminalität ist schon seit langem kein alleiniges Phänomen Italiens oder der Mafia. Überall auf der Welt findet Geldwäsche statt; Steuerhinterziehung, Bilanzbetrug, Insiderhandel oder Produktfälschung sind an der Tagesordnung. Allerdings sind solche Verbrechen nur selten so spektakulär, dass sie es bis in den Schlagzeilen schaffen. Dort (wie in vielen Krimis) finden sich eher Amokläufer, Serienmörder oder Familiendramen. Dabei ist die organisierte Kriminalität beileibe kein ›Kavaliersdelikt‹, auch wenn die Täter Anzug und Krawatte tragen. Sie schädigt Individuen und die Gesellschaft ganz konkret, wenn Steuereinnahmen fehlen oder falsche und sogar gefährliche Produkte auf den Markt kommen. Und allein die wirtschaftlichen Schäden gehen europaweit in die Milliarden Euro – die einschlägigen Statistiken von Bundeskriminalamt und Europol sind eindeutig. Also Grund genug, sich auch mit dieser Art von Kriminalität in Romanen auseinanderzusetzen. Insofern basiert eigentlich jeder unserer Krimis ein Stückweit auf wahren Ereignissen. «

Das Gespräch führte Agnes Ejma aus dem dotbooks-Lektorat.

Gianni Volpe ist das Pseudonym der Autoren Heike Reinecke und Andreas Schlieper. Beide waren lange Jahre in verschiedenen Positionen für das Land Nordrhein-Westfalen tätig. Heute lebt und arbeitet das Paar in Düsseldorf – mit vielen Abstechern in ihre Wahlheimat: die Toskana.

KALTE SCHATTEN ÜBER DER TOSKANA, MORD IN DER TOSKANA und TÖDLICHES SPIEL IN DER TOSKANA von Gianni Volpe – überall erhältlich, wo gute eBooks angeboten werden, und natürlich auch auf unserer WEBSITE, wo das eBook für Sie im Mobi-Format für den Kindle und als ePub für alle anderen Lesegeräte bereitsteht.