WIE WIRD MAN ALS SIEBZIGER AUTOR UND BLEIBT ES? Pierre Woog verrät es!
Als viel beschäftigter Wirtschaftsanwalt in Zürich hatte ich jüngeren Kollegen Platz gemacht und betreute nur noch wenige Angelegenheiten langjähriger Klienten. Im Spätherbst 2008 erhielt ich einen Anruf: ein Freund befinde sich in Untersuchungshaft in Bellinzona. Ich reiste in die Hauptstadt des schweizerischen Kantons Tessin und besuchte ihn in erster Linie als Anwalt. Das Gefängnis erwies sich als ein schreckenerregendes Verlies, und die Verhöre durch die Strafbehörden verliefen wie im Roman beschrieben. Aufgewühlt stellte ich mir zuhause vor, die Anklage auf schwere Geldwäsche gegen den bisher unbescholtenen Freund wäre willkürlich, und er befände sich zu Unrecht in diesem Kerker. Ich fühlte plötzlich einen starken Impuls einen Roman zu schreiben, der seinen Ausgangspunkt im Gefängnis in Bellinzona fand.
Vier Jahre vorher, im Herbst 2004, sah ich im Fernsehen den kranken Präsidenten der palästinensischen Freiheitsbewegung, Jassir Arafat, auf dem Weg in ein Pariser Krankenhaus bei Wind und Regen aus dem Flugzeug steigen und vor seinem Begleittross leichten Schrittes zur Empfangshalle marschieren. Eingedenk der anhaltenden Feindschaft zwischen der in Israel regierenden Fraktion und Arafat, für die er ein Terrorist blieb, prägte sich bei mir der Eindruck, als ginge Arafat in Paris, den ihn erwartenden Diplomaten und Journalisten fröhlich zuwinkend, seiner Hinrichtung entgegen. Dieses Bild blieb haften und entwickelte sich vier Jahre später im Zusammenhang mit der Inhaftierung meines Freundes zu einer Fiktion: Mein Klient wandelte sich imaginär zum Arzt, der unter falscher Anschuldigung eingesperrt und seiner Freiheit beraubt, dazu gebracht werden sollte, Arafat während dessen Aufenthalt im Krankenhaus zu beseitigen.
Viele meiner Freunde sind Ärzte und Professoren. Ich konnte mir keinen von ihnen vorstellen, der zu einer solchen Tat veranlasst werden könnte. Ich musste einen hochintelligenten Mann kreieren, der sich infolge seiner Ehe und charakterlichen Prädispositionen in eine gewisse Lethargie fallen lässt und der seinem Ruf (und auch einer neuen Liebe) den Vorrang gibt. Die Verschwörer hatten es aber genau auf die Vernichtung seines Rufs abgesehen, den er über alles stellt. Der Roman beschreibt die Auseinandersetzung zwischen einem eigenwilligen Individuum und einer Reihe von Beamten verschiedener Geheimdienste wie auch von Spitalärzten, die sich verschwört haben, eine vermeintlich wichtige Mission für die Menschheit zu erfüllen.
Wer eine politische Verschwörung beschreibt, muss faktisch glaubhaft und politisch authentisch sein. Mir lag daran, das Wirken von Geheimdiensten aufzuzeigen, wie sie sich „Geheimorganisationen“ innerhalb ehrenhafter, nützlicher Vereine zunutze machen. Indem ich den Mordplan von Paris (wie im Fall Arafat) in die Schweiz verlegte, galt es, den Schweizer Geheimdienst mit zu involvieren, der dazumal den hohen Effizienzansprüchen seiner „Counter-parts“ in den USA und Israel nicht gewachsen war. Ich schöpfte dabei aus Insiderwissen aus den sechziger Jahren, aus der Zeit nämlich, als ich als investigativer Journalist tätig war.
Kurz gesagt: Der Roman soll auch dokumentieren, wie es hätte sein können, wenn es damals eine solche Verschwörung gegeben hätte.
Wer sich in diesen Schlangengruben tummelt, kann kein Sympathikus sein, letztlich auch Prof. Max Jäger nicht, dem man als Leser nicht recht traut (den anderen männlichen Akteuren schon gar nicht). Die zwei Leuchtfiguren und in einem gewissen Sinne auch Helden im Roman sind die Frauen: die Zürcher Polizeikommissarin Doris de Quervain und Jägers neue Lebenspartnerin Eva Roth.
Zu Beginn war das Schreiben (eines Erstlings) lediglich ein Hobby, das ich in meiner Freizeit – mit größeren (gewollten) Unterbrüchen – auf Ibiza, meinem zweiten Wohnsitz, und in Zürich ausübte. Ich hatte nie Schreibhemmungen. Doch zunächst empfand ich es – als einen an stilistisch trockenen Schriftsätzen und Verträgen gewohnten Rechtsanwalt – abenteuerlich, einen spannenden Thriller zu entfalten und gestalten, der sich nahe an eine gefühlte und teils auch erlebte Realität zu halten hatte. Und es gab auch noch andere Hobbys auf Ibiza, nämlich die Landschaftsgestaltung und das Kreieren von mannshohen Holzfiguren.
Was dann geschah, hat auch mich völlig überrascht: Das Schreiben wurde zu meiner Hauptbeschäftigung. Ich wandelte mich vom Rechtsanwalt im Ruhestand zu einem Autor, dem das Schreiben von spannenden Plots aus der Feder floss. Vor wenigen Wochen habe ich das zweite Buch beendet. Es soll spätestens zu Weihnachten 2015 erscheinen.