Rudolf Jagusch im Interview zu „Leichensabbat“

19. Mai 2017
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Jagusch_Rudolf (c) privat

Rudolf Jagusch (c) privat

„Ich schreibe überall und jederzeit, notfalls auf dem Handy“
Ein Gespräch mit dem Autor Rudolf Jagusch über die Kunst, einen Krimi zu schreiben, kritische Leser und seinen Kriminalroman LEICHENSABBAT.

 

Ihr Krimi hat einen ungewöhnlichen Ermittler – einen ausgebrannten Kommissar, dessen Auszeit vom Job, ein Sabbatjahr auf dem Land, zum wahren ‚Leichensabbat‘ wird. Wie ist es dazu gekommen?

Rudolf Jagusch: „Das Sabbatjahr ist eine legale Möglichkeit der Auszeit bei Beamten. Im ersten Roman der Reihe wollte ich Kommissar Stephan Tries bewusst aus der Polizeiarbeit herausziehen, aber mir dabei die Möglichkeit offen halten, dass er später ohne Probleme gegebenenfalls in den Polizeidienst zurückkehren kann. Wie ich im Roman entschieden habe … psst … das muss jede Leserin und Leser selbst nachlesen.“

 

In LEICHENSABBAT scheint es, als wäre es gerade diese Auszeit vom Job, die dem abgebrühten Kommissar wieder zeigt, was es heißt, ein guter Ermittler zu sein. Was mögen Sie an Ihrer Figur Kommissar Tries?

Rudolf Jagusch: „Stephan Tries ist ein Mensch wie du und ich. Er liebt die italienische Küche, zweifelt mitunter an seinen Entscheidungen, verliebt sich, ist bodenständig, lebt ein Leben mit festen Grundsätzen, lässt aber auch mal 5 gerade sein. Es dürfte daher nicht schwer fallen, sich mit ihm zu identifizieren. Und was ist schöner, als sich mit der Hauptfigur verbunden zu fühlen?“

 

Jagusch Leichensabbat 3Sie haben schon einige erfolgreiche Kriminalromane geschrieben. Wenn Sie zurückblicken: Was macht Ihr Krimidebüt LEICHENSABBAT heute für Sie besonders?

Rudolf Jagusch: „Das Besondere ist der meines Erachtens genial einfache Aufbau der Story. Niemand dürfte ein Problem damit haben, dem roten Faden der Story zu folgen. Trotzdem ist das alles durchdacht, nicht konstruiert, absolut fundiert und nachvollziehbar. Und gerade das lässt den Roman lebendig und realitätsnah wirken. Das, was ich im Roman erzähle, könnte in jedermanns Nachbarschaft passieren. Allein diese Nähe zur Leserschaft sollte eine Gänsehaut hervorrufen.“

 

Wie sind Sie darauf gekommen, Ihre Geschichte gekommen?

Rudolf Jagusch: „Um zu erklären, wie ich zur Figur Stephan Tries gekommen bin, muss ich ein wenig ausholen. ‚Leichensabbat‘ war mein allererster Roman. Zuvor hatte ich mich mit dem Krimi-Genre nicht groß beschäftigt, verfasste eher Horror-, Science-Fiction- oder Liebesgeschichten. Eines Tages, ich hatte gerade den Germanwings-Story-Award mit einer Liebesgeschichte gewonnen, bekam ich die Chance, es mit einem Krimi zu versuchen. Ich hatte aber nur zwei Wochen Zeit, mir eine Geschichte auszudenken. Mir war sofort klar, dass ich so effizient wie möglich vorgehen musste, um es überhaupt meistern zu können.

 

Jagusch Leichensabbat 2Wie darf man das verstehen, möglichst ‚effizient‘ zu schreiben?

Rudolf Jagusch: „Ich entschied mich, zwei Grundsätze strengstens zu beachten, nämlich einerseits, ‚ Schreib über die Dinge, die du kennst!‘ und andererseits: ‚Kennst du dich nicht aus, dann biege die Geschichte so zurecht, das alles passt und du nicht tiefergehend recherchieren musst!‘ Grundsatz 1 führte dazu, dass ich die Geschichte in meinem Heimatdorf ansiedelte. Und Grundsatz 2 führte zu Stephan Tries, so wie er in den Romanen auftritt. Denn ich hatte von der echten Polizeiarbeit keinerlei Ahnung, wollte aber einen Ermittler haben, der sich mit der Polizeiarbeit bestens auskennt und notfalls auf die Mittel der Polizei zurückgreifen kann, zu Beispiel, dass er Kollegen um Hilfe bitten kann. Rasch reifte bei mir die Erkenntnis: Der Kommissar muss ein Sabbatjahr einlegen. Anschließend ließ ich mir eine nachvollziehbare Begründung für die Auszeit einfallen. Damit war der Rahmen geschaffen und es konnte ans ‚Ausfüllen‘ der Figur gehen. Dabei flossen Eigenschaften von echten Personen mit ein – siehe Grundsatz 1 – aber ein konkretes Vorbild, ein Spiegelbild, gibt es im tatsächlichen Leben nicht.“

 

Haben Sie noch weitere ‚Grundsätze‘ beim Schreiben?

Rudolf Jagusch: „Das absolut Entscheidende ist: zu schreiben! Hört sich banal an, ist aber nicht so einfach, wie es sich anhört. Ich habe in meinem Schriftstellerleben schon viele gute Plots gehört. Die Leute fühlen sich häufig dazu hingerissen, mir ihre Geschichte zu erzählen, die sie schreiben möchten, sobald sie erfahren haben, dass ich Schriftsteller bin. Aber der beste Plot nutzt überhaupt nichts, wenn man ihn nicht ausarbeitet und dann niederschreibt. Tagelang, wochenlang, monatelang, bis zum Ende. Das ist harte Arbeit und erfordert Disziplin. Daran scheitern viele. Das Fazit: Eine Geschichte, die nicht fertig wird, kann niemals ein erfolgreicher Krimi werden.“

 

Welchen Fehler sollte ein Autor beispielsweise nie begehen?

Rudolf Jagusch: „Den schlimmsten Fehler, den ein Autor begehen kann, ist, sich konstruktiver Kritik zu verschließen. Grundsatz sollte sein: Ich höre mir alles an! Im zweiten Schritt kann man immer noch für sich entscheiden, ob die Kritik aus dem eigenen Empfinden heraus berechtigt war oder nicht, um dann gegebenenfalls gegenzusteuern. Aber nutzt man die Feedback-Chance nicht, levelt man auf einer Stufe vor sich hin und wird sich so garantiert niemals weiterentwickeln.“

 

Jagusch Leichensabbat 1Wie recherchieren Sie für Ihre Kriminalromane? Haben Sie bestimmte Rituale?

Rudolf Jagusch: „Am Anfang galt es, ein Netzwerk aufzubauen. Hierzu habe ich höfliche Mails in die Welt geschickt und bei Museen, Polizeidienststellen, Rechtsmedizin, Kolleginnen und Kollegen um Hilfe gebeten. Fast überall erntete ich positive Reaktionen. Inzwischen habe ich zahlreiche Spezialisten an der Hand, die ich mit meinen Fragen löchern darf. Dann steht einem mit dem Internet eine Quelle zur Verfügung, die riesig ist. Es gibt kaum noch etwas, über das man sich im Web nicht informieren kann. Schließlich spielen bei mir die Schauplätze eine große Rolle. Ich liebe es, sie so detailtreu wie nur irgend möglich wiederzugeben. Ich scheue daher keine Strecke, um mir ‚meine‘ Schauplätze vor Ort anzuschauen. Rituale habe ich nicht. Ich schreibe überall und jederzeit, notfalls auf dem Handy. Rituale würden mich nur vom Schreiben abhalten …“

 

Was wäre das schönste Geschenk, das Ihnen ein Leser Ihrer Romane machen könnte?

Rudolf Jagusch: „Der Besuch einer meiner Lesungen, um dort ein wenig mit mir zu plaudern. Ich sitze so viele Tage allein im Arbeitszimmer, dass ich es einfach liebe, mal rauszukommen und mit den Leserinnen und Lesern über das Ergebnis meiner einsamen Schreibzeit zu reden.“

 

Haben Sie in Ihrem Buch einen Lieblingssatz oder gibt es eine Szene, auf die Sie besonders stolz sind?

Rudolf Jagusch: „Mein Lieblingszitat wäre: ‚Jungchen, kein Grund, um rot zu werden. Sie sind nicht der Erste, dem meine Ähnlichkeit mit Margaret Rutherford auffällt.‘ Ein Zitat, in dem es ungemein menschelt, wie ich finde!“