Stefan Nowicki im Interview

8. Oktober 2018
dotbooks

So wurde eine junge Frau zur Heldin meiner Version des Rattenfängers von Hameln.“

Ein Gespräch mit Stefan Nowicki über Recherchearbeit, seine Faszination für das Geschichtenerzählen und seine neue Trilogie TOCHTER DES GAUKLERS.

Was hat Sie zu Ihrer neuen historischen Saga rund um die Gauklertochter inspiriert?

Stefan Nowicki: „Ein erster Anstoß war eine Dokumentation im Fernsehen über den Mythos des Rattenfängers von Hameln, die ich zufällig sah. Das ist schon etwas länger her, aber ich war von dem Thema gefesselt und hatte mir bereits ein paar Notizen gemacht. Der Stoff beschäftigte mich immer wieder – und deswegen begann ich vor einigen Jahren, genauer zu recherchieren.“

Wäre es nicht naheliegend gewesen, die Geschichte über einen männlichen Protagonisten aufzuziehen?

Stefan Nowicki: „Nein, nicht zwangsläufig. Die Gestalt des Rattenfängers ist in allen vorhandenen Quellen nicht belegt und erst Jahrhunderte später der Geschichtsschreibung hinzugefügt worden. Belegt ist hingegen, dass es in der damaligen Zeit so etwas wie Kammerjäger gab. Besonders das Fangen und Töten von Ratten war allerdings eine Beschäftigung, der nur Individuen am Rande der Gesellschaft nachgingen. Auch das weckte mein Interesse. Und so entstand in meinem Kopf eine Gestalt, die sich außerhalb der städtischen Ordnung und sozial ganz weit unten in der Gesellschaft bewegte. Daraus wurden zwei Protagonisten, Uta und Hug. Bei einer Frau, die als Außenseiterin in eine Stadtgemeinschaft kommt, in der jeder jeden ewig kennt, liegt der Gedanke natürlich nah, dass sie dort für Aufsehen gesorgt haben wird – so begann das Saatkorn für eine Liebesgeschichte zu keimen … und so wurde eine junge Frau zur ‚Heldin‘ meiner Version des Rattenfängers von Hameln.“

Haben Sie vor Ort in Hameln nach Inspirationen gesucht?

Stefan Nowicki: „Ich habe es einige Zeit lang in Erwägung gezogen, es dann aber bewusst unterlassen. Die Atmosphäre und auch die erhaltenen ältesten Gebäude in der Stadt haben sich im Laufe Hunderter von Jahren stark verändert. Ich bin davon überzeugt, sie hätten mein Empfinden und die Bilder in mir gestört.“

Wie sind Sie bei der Recherche stattdessen vorgegangen?

Stefan Nowicki: „Ich habe mich zuerst auf Dokumentationen zum Mythos des Rattenfängers, der Kreuzzüge und der Besiedlung des Ostens konzentriert. Aus ihnen heraus ergab sich der Zugang zu Publikationen und Arbeiten von Forschern und Fachleuten – und das löste eine Lawine an Informationen aus, die ich über Jahre durchforstete. Ich habe mich auch intensiv mit dem Bild der mittelalterlichen Stadt und der Siedlungsgeschichte Hamelns befasst und sehr viel Zeit mit Fotos, Karten und Google-Earth verbracht, um in die Topographie des Ortes einzutauchen. Wenn man einen historischen Roman schreibt, beginnt das wie ein Puzzlespiel, bei dem sich aus verschiedensten Quellen im Lauf der Zeit das große Ganze zusammensetzt.“

In Ihren Romanen verweben Sie genaue Schilderungen der damaligen Zeit, spekulative Ideen und eine gefühlvolle Liebesgeschichte zu einem stimmigen Ganzen – welcher dieser drei Bereiche macht Ihnen beim Schreiben besonderen Spaß?

Stefan Nowicki: „Der Versuch, mich anhand von Fakten und Forschungsergebnissen in die damalige Zeit zurückzuversetzen, ist für mich jedes Mal enorm fesselnd. Es ist mir ein Anliegen, meinen Lesern das Bewusstsein und die Denkweisen der Menschen vor Hunderten von Jahren nahezubringen. Wenn meine Figuren dann ein Eigenleben entwickeln, kann man das schon als großen Spaß bezeichnen.“

Gibt es neben den Hauptfiguren Uta und ihrem Geliebten Lorenz Figuren, die Sie besonders mögen?

Stefan Nowicki: „Ganz besonders Hug, der bereits als Rattenjäger in Hameln tätig ist, als Uta an der Seite ihres Vaters dorthin kommt. Er hat etwas Lausbubenhaftes und hadert weder mit seiner Stellung noch mit seinem Schicksal, er macht einfach das Beste daraus. Und Buntin, den Gaukler und Utas Vater, mag ich auch sehr. Seine schillernde Gestalt, seine Talente, sein unstetes Wesen und auch seine Biografie haben mich immer wieder sehr in ihren Bann gezogen. In einer großen historischen Saga, wie ich sie schreiben wollte, braucht man einfach ein breites Personal von Charakteren, an denen sich die Leser reiben können, die sie ins Herz schließen oder undurchsichtig finden. Ich bin daher sicher, dass auch die intrigante Müllerstochter Viktoria oder der Kriegermönch Odo dafür sorgen werden, dass meine Romane in Erinnerung bleiben.“

Das Gespräch führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.

Stefan Nowicki, geboren 1963, studierte Germanistik, Politik, Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie. Er arbeitet unter anderem als freier Kulturjournalist für verschiedene Zeitungen und lebt in der Nähe von Augsburg. Der Autor im Internet: www.stefannowicki.de

Stefan Nowicki freut sich darüber, über Facebook in Kontakt mit seinen Lesern zu treten: http://www.facebook.com/stefannowicki.w.u.t

Stefan Nowicki veröffentlichte bei dotbooks den Bestseller »Die Kreuzfahrerin«, in dem er die abenteuerliche Lebensgeschichte der jungen Deutschen Ursula erzählt, und »Der Sohn der Kreuzfahrerin«, in dem er sich Ursulas Sohn Shakib widmet, sowie die Trilogie »Tochter des Gauklers« mit den Einzelromanen »Die Tore von Hameln«, »Die Stadt der Lügen« und »Die Stunde der Hoffnung«.

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