»Tatsächlich ist die Rechtslage [in den 60ern] noch so, dass der Ehemann seiner Frau eine Berufstätigkeit verbieten kann – unglaublich, oder?«

16. Juni 2023
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin Sabine Neuffer über Frauenrechte in den 60er Jahren, ihre Protagonistinnen Nell und Elisabeth und ihren neuen Roman DAS FLÜSTERN DER VERGANGENHEIT.

Liebe Frau Neuffer, in Ihrem Roman DAS FLÜSTERN DER VERGANGENHEIT fällt der Protagonistin Nell ein altes Familienfoto in die Hände – was versetzt sie daran so sehr in Aufruhr?

Sabine Neuffer: »Auf dem Foto blickt ihr damals junger Vater sehr verliebt eine Frau an, die ein Baby im Arm hält. Nell hat diese Frau nie in ihrem Leben gesehen. Auf der Rückseite des Fotos ist ein Datum notiert, es wurde kurz nach Nells Geburt aufgenommen. Natürlich stürmen da jede Menge Fragen auf Nell ein. Hatte ihr Vater damals noch ein Kind mit einer anderen Frau, eine heimliche Zweitfamilie? Hat sie, Nell, womöglich irgendwo unbekannte Halbgeschwister?

Doch dann entdeckt sie, dass sie, Nell, dieser Frau unglaublich ähnlich sieht. Ist sie vielleicht selbst das Baby auf dem Foto? Ist die Frau, die sie, seit sie denken kann, für ihre Mutter hält, gar nicht ihre leibliche Mutter? Könnte das eine Erklärung für die problematische Beziehung zwischen ihnen sein?

Wie kann Nell Näheres erfahren? Ihr Vater ist vor kurzem gestorben und Nells Mutter verweigert jedes Gespräch über das Foto. Und wie es zunächst scheint, gibt es niemanden, der Nell etwas über die Vergangenheit erzählen könnte. Doch Nell ist hartnäckig, sie macht sich auf die Suche und entdeckt, dass sie keineswegs so allein auf dieser Welt ist, wie sie sich nach dem Tod ihres Vaters fühlt …«

Ihr Roman spielt auf zwei Zeitebenen. In den 60er Jahren begleiten wir Elisabeth, die eigentlich gerne Modeschneiderin wäre – warum muss sie ihren Traum aufgeben?

Sabine Neuffer: »Die alte Falle – Elisabeth wird schwanger. Die Pille gibt es noch nicht, Elisabeth ist achtzehn und gänzlich unerfahren, ihr Freund versprach »aufzupassen«. Eine Abtreibung kommt für Elisabeth nicht infrage, über die Möglichkeit, sich als alleinerziehende Mutter durchzuschlagen, macht sich zur damaligen Zeit niemand ernsthafte Gedanken, und berufstätige Mütter sind noch eine Seltenheit. Also wird geheiratet und Elisabeth findet sich mit neunzehn Jahren als Hausfrau und Mutter wieder, bald folgt das zweite Kind und Elisabeths Mann ist stolz darauf, dass seine Frau »es nicht nötig hat, zu arbeiten«. Tatsächlich ist die Rechtslage noch so, dass der Ehemann seiner Frau eine Berufstätigkeit verbieten kann – unglaublich, oder? Und wissen Sie, wann dieses Gesetz endlich geändert wurde? – 1977: Acht Jahre nach der ersten Mondlandung!

Die Zeitumstände sind wichtig, um ein Leben wie das von Elisabeth zu verstehen. Obwohl es zunächst so aussieht, als sei die Falle für sie endgültig zugeschnappt, verliert sie ihren Traum doch nie aus den Augen – auch wenn der Preis, den sie dafür zahlen muss, bitterer sein wird als sie es sich vorstellen kann …«

Als Mutter in den 60er Jahren ist Elisabeth viel an das Haus gebunden, verfällt zunehmend in Melancholie und muss ihren Kummer doch für sich behalten – was hilft ihr?

Sabine Neuffer: »Sie entdeckt die tröstliche, heilende Wirkung des Lesens. Sie verliert sich in Romanwelten, was ihr hilft, den langweiligen Alltag und die häufige Abwesenheit ihres Mannes auszuhalten. Und sie findet einen wunderbaren Freund, einen älteren Herrn in der Nachbarschaft, der die Leere ihres Daseins, aber auch ihren Bildungshunger und ihr Potential erkennt. Er ermutigt sie, ihre Kinder stundenweise einer Babysitterin anzuvertrauen und Volkshochschulkurse zu besuchen. Elisabeth saugt das Angebot nur so auf, beschäftigt sich mit Kunst, Literatur, Musik und Sprachen, holt nach, was sie in ihrer kurzen Schulzeit nicht lernen konnte.

Aber sie besucht auch – ihren alten Traum noch immer vor Augen – Kurse, die sich mit Politik, Wirtschaft und Existenzgründung befassen. Ironischerweise kommt dieses Wissen zuerst ihrem Ehemann zugute, der von den Bildungsausflügen seiner Frau keine Ahnung hat. Doch es gibt Situationen, in denen es ganz gut ist, wenn ein allzu patriarchalischer Ehemann seine Frau unterschätzt …«

Das Gespräch führte Agnes Ejma aus dem dotbooks-Lektorat.

Sabine Neuffer wurde 1953 in Hannover geboren. Nach dem Studium arbeitete sie als Lehrerin und für eine PR-Agentur, bevor sie ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckte.

Bei dotbooks erschienen bereits Sabine Neuffers Romane »EINE LIEBE ZWISCHEN DEN ZEITEN«, »SOMMERBLUMENKÜSSE«, »SOMMERROSENTRÄUME«, »UNTER WEITEM FRÜHLINGSHIMMEL« und »WAS UNS NACH DIESEM SOMMER BLEIBT« sowie ihre Kinderbücher »DAS PAPA-PROJEKT«, »DAS OMA-PROJEKT« und »DAS GESCHWISTER-PROJEKT«.

DAS FLÜSTERN DER VERGANGENHEIT von Sabine Neuffer – überall erhältlich, wo gute eBooks angeboten werden, und natürlich auch auf unserer WEBSITE, wo das eBook für Sie im Mobi-Format für den Kindle und als ePub für alle anderen Lesegeräte bereitsteht.