Timothy Sonderhüsken über seine Arbeit als Lektor – Teil 1
dotbooks-Programmleiter Timothy Sonderhüsken im Interview mit der Buch-Community mystorys.de:
mystorys.de: Lieber Herr Sonderhüsken, in diesem Interview soll es vor allem darum gehen, welche Ratschläge Sie als erfahrener Verlagslektor jungen Autoren, die veröffentlichen wollen, mit auf den Weg geben möchten. Zunächst interessiert mich aber natürlich, wie Sie zu Ihrem Beruf gekommen sind, und was Sie daran fasziniert.
Timothy Sonderhüsken: Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Verlagskaufmann gemacht. Da ich in meiner Freizeit für Zeitungen geschrieben, Veranstaltungen moderiert und für den Rundfunk gearbeitet habe, konnte ich meinen Ausbildungsschwerpunkt nach kurzer Zeit auf die Arbeit in den Lektoraten legen – und bekam dann das Angebot, dort als Assistent anzufangen.
Die ersten Bücher, die ich betreuen durfte, stammten aus dem esoterischen Bereich. Der interessiert mich privat weniger, und gerade deswegen waren diese Titel eine gute Schule: Ich habe gelernt, dass es nicht auf meinen Geschmack ankommt – es geht darum, zu erkennen, wo die Stärken und Schwächen eines Projektes liegen, wie man einen Autor auf allen Ebenen unterstützt und dem Leser somit am Ende genau die Lektüre bieten kann, die er dann auch kaufen will.
Mein Herz schlägt letztendlich aber doch mehr für die Belletristik. In den folgenden Jahren habe ich bei Heyne und Droemer immer laut „Hier!“ gerufen, wenn es ein Genre gab, das niemand machen wollte. So ist aus mir kein Spezialist geworden, der aus dem Effeff die Geschichte der Spannungsliteratur der letzten 40 Jahre referieren kann, sondern ein Allrounder, der in den verschiedensten Bereichen Erfahrungen gesammelt und Erfolge zu verzeichnen hat und von den unterschiedlichsten Themen und Stilrichtungen geprägt werden konnte. Davon profitiere ich heute als Programmleiter eines Verlags mit einem sehr breit angelegten Unterhaltungsprogramm … und das ist auch einer der Gründe, warum ich nach über 20 Jahren in der Branche immer noch voller Begeisterung dabei bin.
mystorys.de: Wie sieht denn so ein Arbeitstag bei Ihnen aus bzw. welche Aufgaben umfasst Ihre aktuelle Tätigkeit?
Timothy Sonderhüsken: Das Schöne an meinem Beruf ist, dass es keine typischen Arbeitstage gibt. Natürlich wiederholen sich im Entstehungsprozess jedes Buchprojektes einige Schritte: Man muss das richtige Projekt finden und mit dem Autor daran arbeiten, man muss den Herstellungsprozess koordinieren, Texte schreiben, Cover briefen, Vertrieb und Marketing unterstützen. Aber ich habe jeden Tag mit anderen Autoren, Inhalten und Themen zu tun, muss auf immer neue Herausforderungen reagieren und kann meine Kreativität in den unterschiedlichsten Bereichen ausleben.
mystorys.de: Sagen wir, ich wäre ein noch unerfahrener Autor und nähme mir vor, mein Manuskript an Ihren Verlag zu senden. Gibt es Kriterien, anhand derer ich erkennen kann, dass mein Manuskript so weit ist?
Timothy Sonderhüsken: Es gibt darauf keine allgemeingültige Antwort. Jeder Autor und jedes Projekt sind anders – und jeder Lektor, der ein Projekt auf den Tisch bekommt, ist es auch.
Manche Autoren glauben beispielsweise, dass das Lob von Testlesern darüber entscheidet, ob ein Projekt „verlagsreif“ ist oder nicht. Das kann so sein; oft sagt Feedback von Freunden, Verwandten oder Autorenkollegen aber mehr über die persönliche Beziehung aus als über den Text.
Es gibt Autoren, die schreiben im ersten Anlauf einen perfekten Roman. Andere brauchen zwei, drei, vier Überarbeitungen. Manche lassen sich durch die Handlung selbst inspirieren, andere legen vorher anhand eines Exposés fest, wie die Geschichte sich entwickeln soll. Letzteres ist der Weg, den ich Autoren immer empfehlen würde. Aber es geht eben auch anders.
Mein Rat: Sobald man als Autor rundherum mit dem Projekt zufrieden ist, wartet man vier Wochen, in denen man alles Mögliche tut, nur nicht am Text arbeitet, an ihn denkt, oder schon mal mit einem anderen Schreibprojekt anfängt. Es ist wichtig, das eigene Kreativzentrum zur Ruhe kommen zu lassen. Dann liest man quer – und wenn man immer noch meint, dass man fertig ist, kann man den Text auf die Reise schicken.
Eine gute Übung ist meiner Meinung nach außerdem, die USPs für das eigene Projekt konkret zu formulieren. USP steht für „Unique Selling Proposition“, den einmaligen Verkaufsvorteil. Also: Was macht das eigene Buch so besonders? Und kann man dies in drei knappen Sätzen ausdrücken – mit einem, der den Inhalt zusammenfasst, mit einem, der auf die Charaktere eingeht, und mit einem, der sich auf die Konkurrenzsituation und Vergleichsautoren bezieht? (Nur am Rande bemerkt: Die sehr allgemeine Aussage „Mein Buch richtet sich an alle Lesebegeisterten zwischen 16 und 60 Jahren“ ist kein guter USP …)
Gelingt dies nicht, sollte man sich kritisch die Frage stellen, ob das eventuell etwas über das Projekt aussagt – und ob man daraus etwas lernen kann.
Vielen Dank für das Interview an mystorys.de!
Teil 2 und Teil 3 des Interviews mit Timothy Sonderhüsken könnt ihr bald auf unserem Blog lesen.