Verlagsgeschichten: Absage
Unser Programmleiter Timothy Sonderhüsken arbeitet seit 1991 in der Verlagsbranche – und hat darum schon einiges erlebt. Was er besonders an seinem Job liebt? Das immer noch jeder Tag eine Überraschung für ihn bereit hält. So wie diese hier …
Das Telefon klingelt.
Autorin: „Also, Sie haben mein Buch abgesagt. Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. Wieso glauben Sie, dass Sie berechtigt sind zu entscheiden, dass mein Buch nicht gut ist?“
Programmleiter: „Dazu wäre ich tatsächlich nicht berechtigt. Ich habe Ihnen deswegen nur geschrieben, dass aus meiner Sicht einige Punkte gegen eine Veröffentlichung bei dotbooks sprechen. Ein anderer Lektor bei einem anderen Verlag kann das deutlich anders sehen.“
…
Autorin (empört): „Also drücken Sie sich jetzt auch noch vor der Verantwortung?“
Programmleiter: „Welche Verantwortung meinen Sie?“
Autorin: „Sie tragen die Verantwortung dafür, dass jetzt alle denken, dass mein Buch schlecht ist.“
Programmleiter: „Nein, diese Verantwortung trage ich nicht – erstens habe ich zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass ihr Buch schlecht ist. Und zweitens … also … niemand außerhalb unseres Verlagsteams weiß, dass ich Ihr Projekt geprüft habe.“
Autorin: „Aber ich habe es meinen Freunden gesagt!“
Programmleiter: „Dafür kann ich ja nun nichts.“
Autorin: „Sehen Sie, Sie wollen die Verantwortung nicht tragen. Und jetzt denken meine Freunde, dass ich ein schlechtes Buch geschrieben habe, weil Sie das so sagen.“
Programmleiter: „Ich habe Ihnen in meiner Mail erklärt, warum ich glaube, dass wir aus Ihrem Buch bei dotbooks keinen Erfolg machen können – und dass dies keine allgemeingültige Aussage über die Qualität Ihrer Arbeit ist.“
Eine kurze Pause. Tastaturklackern.
Autorin: „Ja, gut, das haben Sie geschrieben.“
Programmleiter: „Dann sind wir uns in dem Punkt einig.“
Autorin: „Das kann ich also meinen Freunden sagen?“
Programmleiter: „Aber natürlich.“
Autorin: „Und dann sage ich denen auch direkt, dass Sie nichts von Literatur verstehen. Mein Buch ist schließlich literarisch, ohne jedes Wenn und Aber.“
Programmleiter: „Darf ich bitte neugierig sein und fragen, wie Sie das so eindeutig feststellen können?“
Autorin: „Das ist ja wohl offensichtlich: Ich habe die Anführungszeichen bei den Dialogen weggelassen. Jeder Verlagsmensch, der etwas von seinem Job versteht, weiß, dass ein Buch dann literarisch ist.“
Ja. Das habe ich dann nun auch gelernt.