Viola Alvarez über die Arbeit an ihren Romanen
„Es fühlt sich so an, als ob mir irgendjemand von hinten eins überzieht.“
Unsere Autorin Viola Alvarez über Geschichten, die sie überfallen, und den mal mühsamen, mal leichten Schreibprozess
Das Schreiben eines Romans gilt als eine geistige Anstrengung. Vielleicht noch als eine imaginative. Jedenfalls als etwas, das mit Gedanken zu tun hat.
Für mich aber beginnt jeder Roman mit einer sehr physischen Wahrnehmung.
Genau genommen fühlt es sich so an, als ob mir irgendjemand „von hinten eins überzieht“, wenn ich diesen etwas altbackenen Ausdruck einmal verwenden darf. (Glücklicherweise stelle ich mir nur vor, dass es sich genau so anfühlt, ich musste die Erfahrung noch nicht am eigenen Leibe machen.) Jedenfalls gibt es einen heftigen Aufprall in meinem Kopf und – der Roman ist da. Komplett, von Anfang bis Ende, alles. Das ist wirklich wahr. Nur brauche ich dann leider ein paar Jahre, um ihn aufzuschreiben.
Als uneingeschränkter Gefühlsmensch habe ich es auf die harte Tour gelernt, dass für Qualität nichts so wichtig ist wie Disziplin. Also setze ich mich als Erstes hin und quäle mich damit, das „Ganze“ aus meinem Kopf in eine solide, dramaturgisch klare Struktur zu übertragen.
Und dann fange ich an:
Ich schreibe von Seite 1 bis zum Ende. Ich schreibe nie mehr als sieben Seiten am Stück und nie weniger als fünf, nie länger als zwei Stunden am Tag, nie weniger als eine.
Ich korrigiere eigentlich nur Rechtschreibfehler, (naja, ich fersuche es) – alles andere bleibt fast immer so, wie es kommt.
Ich werde häufig gefragt, wie ich die enormen Anstrengungen des kreativen Prozesses so bewältige, nach tiefer Verzweiflung, lähmender Schreibhemmung und glorioser Inspiration. Dann fühle ich mich immer etwas blöd, etwas unkünstlerisch, wenn ich betreten murmeln muss: „Weißichnicht.“
Wie bei jeder anderen Arbeit – sie muss getan werden.
Wie bei jeder anderen Arbeit – man muss Geduld haben und Liebe zum Augenblick.
Und wie bei jeder anderen Arbeit – Verzweifeln nützt gar nichts.
Die Geschichte ist also recht schnell da, nur der Roman noch nicht existent – und ich setze mich dann hin, Tag um Tag um Tag, und schreibe ihn auf.
An manchen Tagen geht es mir leichter von der Hand, an anderen „ward der Dienst mir schwer“.
„Ein Rest von Liebe“ ist mir überwiegend sehr leicht gefallen. Es ist eine Geschichte, in die ich mich selbst während des Schreibens verliebt habe. Ich mag die Figuren dieses Romans, die Zeiten, durch die er reist, und seine „Melodie.“
Ich wünsche mir, dass die LeserInnen bei der Lektüre Ähnliches erleben. Dass 800 Seiten keine „große“ Zahl sind, kein „dickes Buch“, sondern dass sie genauso wie ich am Ende empfinden, dass alles in dieser Geschichte genau so bis zum Ende erzählt werden musste, und dass der Nachhall der Melodie schön, berührend und heiter ist.