» Wenn ein Mörder gefasst ist, bleibt trotzdem das Böse in der Welt. Und der nächste Thriller wartet gleich um die Ecke …«

19. August 2022
dotbooks

Ein Gespräch mit Horst Eckert über seine Thriller-Serie »Kripo Düsseldorf«, seine Inspiration beim Schreiben und warum die Hauptfiguren seiner Romane immer Ecken und Kanten haben müssen.

Lieber Horst Eckert, Ihre Thriller drehen sich zwar alle um die Kripo Düsseldorf, aber in jedem Band lassen Sie neue Ermittlerinnen und Ermittler ans Ruder. Über wen haben Sie besonders gern geschrieben?

Horst Eckert: »Da fällt mir zuerst Benedikt Engel ein. Er wächst mehr und mehr in seine Rolle hinein – vom kleinen Kommissar in BITTERE DELIKATESSEN bis zum Kriminalrat in FINSTERE SEELEN – und erweist sich als ein sehr unabhängiger, ehrgeiziger Charakter, der sich in seine Fälle vergräbt und nicht loslässt, selbst wenn die Erfolgsaussichten minimal erscheinen. Und natürlich auch seine rechte Hand, Ela Bach, die sich selbst von feindseligen Kollegen und Intrigen nicht beirren lässt, bis alle sie einfach für ihre Klugheit und ihren Scharfsinn respektieren müssen. Sie ist wird so zum eigentlichen Star in DIE ZWILLINGSFALLE, wo der brutale Mord an sechs Menschen sie an ihre Grenzen bringt.«

Wie kam Ihnen die Idee zu Ihrer Spannungs-Reihe »Kripo Düsseldorf« – und was macht die Stadt für Sie zum perfekten Thriller-Schauplatz?

Horst Eckert: »Als ich mit den ersten Ideen für einen Kriminalroman zu spielen begann, gab es den Begriff des Regionalkrimis noch gar nicht: Ich wollte etwas liefern, was meinen US-amerikanischen und britischen Lieblingsthrillern nahekam, aber an einem Ort und in einer Gesellschaft, die die LeserInnen hier wiedererkennen würden. Es sollten Großstadtromane werden, und weil ich selbst schon lange in Düsseldorf lebe, lag die Wahl des Schauplatzes nahe. Ich habe rasch gemerkt, was für ein tolles Pflaster die Stadt für einen Thriller-Autor ist: Von der Drogenszene über riesige Konzernzentralen bis zur Landesregierung sind hier alle Milieus vertreten, und Kriminalität kann sich überall verbergen. Das ideale Terrain für eine düstere Großstadt-Thrillerreihe!«

Ihre ErmittlerInnen sind nie die lupenreinen »Good Guys«, auch sie sind nicht gegen Verlockungen wie Korruption gefeit. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen, so ein ambivalentes Bild Ihrer ProtagonistInnen zu zeichnen?

Horst Eckert: »Weil die Wirklichkeit so ist. Und eine Welt in ganz unterschiedlichen Grautönen ist viel interessanter als eine in schwarz und weiß. Ambivalenz macht eine Figur unberechenbarer und umso faszinierender. In AUFGEPUTSCHT gibt es z. B. den Hauptkommissar Rolf Nowak, den seine Drogenabhängigkeit beinahe seinen Job gekostet hätte. Man kann nie wirklich sagen, welche Entscheidungen Charaktere wie er als nächstes treffen werden. Die düsteren, harten Thriller von James Ellroy waren hier für mich ein großes Vorbild. Bis heute möchte ich kein Ende schreiben, das die Welt einfach wieder als heil erklärt, das wäre verlogen. Wenn ein Mörder gefasst ist, bleibt trotzdem das Böse in der Welt. Und der nächste Thriller wartet gleich um die Ecke …«

Viele Ihrer Romane haben auch politische Themen. In 617 GRAD CELSIUS geht es z. B. um Korruption und Betrug in den obersten Kreisen. Kommt hier Ihre Erfahrung als Reporter, u.a. bei der Tagesschau, zum Einsatz?

Horst Eckert: »Das und mein eigenes Interesse am Hier und Heute. Von meinen fünfzehn Jahren beim Fernsehen zehre ich stark. Mit jedem Beitrag habe ich etwas Neues gelernt und ich habe keine Scheu, Leute über Themen auszufragen. Von meinen Begegnungen mit Politikern habe ich gelernt, wie diese Leute ticken, wann sie vielleicht etwas zu verbergen versuchen. So entstand der korrupte Ministerpräsident in 617 GRAD CELSIUS oder der Oberbürgermeister in KÖNIGSALLEE. Vermeintlich unantastbare Autoritäten vom Sockel zu holen, kann auch viel Spaß machen.«

Ihre Thriller haben es wirklich in sich. In FINSTERE SEELEN zum Beispiel macht ein Serienmörder namens der »Kannibale« Jagd auf Frauen. Was war Ihnen bei diesem Roman besonders wichtig?

Horst Eckert: »Für diesen Thriller wollte ich auf keinen Fall das typische Serienkiller-Romanklischee kopieren, deshalb habe ich mit weiteren Optionen gespielt, die nochmal einen Twist mitbringen. Beim Lesen beginnt man so nach und nach alles zu hinterfragen: Wer ist wirklich der ›Kannibale‹, der vor zehn Jahren nicht gefasst werden konnte? Wie erklärt sich der große Zeitabstand zu dem aktuellen Mord, dessen Opfer ähnlich zugerichtet ist? Schiebt der Täter womöglich seinen Mord einem Psychopathen in die Schuhe, dessen Handschrift er bereits kennt? Plötzlich hilft der Kripo Düsseldorf das klassische Profiling nicht mehr weiter. Dieses ständige Rätseln sowie einige düstere Szenen, die wirklich unter die Haut gehen, machen in meinen Augen den besonderen Reiz von FINSTERE SEELEN aus. Auf die Idee für den Roman kam ich übrigens tatsächlich durch ein schreckliches Ereignis im Bekanntenkreis, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt und mich nicht mehr losgelassen hat. Das machte das Thema für mich so erschreckend real.«

ANNAS ERBE, Ihren ersten Band der Kripo-Düsseldorf-Serie, haben Sie in nur acht Wochen geschrieben! Was hat sie an dieser Geschichte so mitgerissen?

Horst Eckert: »Am Beginn stand vor meinem inneren Auge das Bild einer Mülldeponie als Tatort. Eine Art Wüste: Staub, Gestank und darüber kreisen die Möwen. Dann kam die Charakterstudie des jungen Kripobeamten Karl Thann dazu, der sich zuerst aus purem Ehrgeiz in den Fall stürzt. Als er aber merkt, dass der Fall eng mit seiner eigenen Vergangenheit verstrickt ist, wird er immer mehr zum Besessenen. Er schert aus dem Team aus, ermittelt mehr und mehr auf eigene Faust und lässt sich auch von der eigenen Behörde nicht aufhalten. Ich bin mir sicher, dass mein Erstling ANNAS ERBE aus diesen Gründen heute wie damals die Leser fasziniert.«

An diejenigen, die neu in Ihre Serie einsteigen möchten: Mit welchem Buch sollten sie Ihrer Meinung nach beginnen und weshalb?

Horst Eckert: »Der erfolgreichste unter meinen ›Klassikern‹ ist zweifellos DIE ZWILLINGSFALLE. Der Roman hat unter anderem den Glauser-Preis gewonnen und wurde mehrfach übersetzt. Ein echter Longseller, und das hat seinen Grund: Ich lasse hier drei sehr starke Polizeifiguren ermitteln, die in sich stimmig und zugleich ganz unterschiedlich sind. Jeder kann sich mit mindestens einer Figur identifizieren und mit ihr mitfiebern, wenn nicht sogar mit allen dreien zugleich. Sechs Leichen liegen in der Sauna eines Fitnessstudios in ihrem Blut. Auf wen von ihnen hatte es der Mörder eigentlich abgesehen? Oder sollten alle sterben? Dieses Rätsel treibt die Fieberkurve von DIE ZWILLINGSFALLE in die Höhe. Das und eben die grundverschiedenen Ermittlerinnen und Ermittler: die ehrgeizige Soko-Leiterin Ela Bach, der strafversetzte SEK-Beamte Leo Köster und Martin Zander, Kommissar alter Schule. Sie sind auf unterschiedliche Art in den Fall verstrickt und ziehen nicht immer an einem Strang. Bis sie merken, dass es nicht anders geht … Ich will meine anderen Thriller nicht in den Schatten stellen, aber ich glaube, dass DIE ZWILLINGSFALLE die perfekte Einstiegsdroge ist.«

Dieses Gespräch führte Alina Hettmann aus dem dotbooks-Lektorat.

Horst Eckert wurde 1959 in Weiden in der Oberpfalz geboren. Er studierte Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin. 15 Jahre lang arbeite er als Fernsehreporter für verschiedene Sendungen, unter anderem bei der Tagesschau. Heute ist Horst Eckert freiberuflicher Schriftsteller: Für »Die Zwillingsfalle« erhielt der Autor den renommierten Friedrich-Glauser Preis. Der Autor lebt heute in Düsseldorf.

Von Horst Eckert erscheint bei dotbooks die Thriller-Reihe »Kripo Düsseldorf ermittelt« mit den Einzelbänden:

»Annas Erbe«, »Bittere Delikatessen«, »Aufgeputscht«, »Finstere Seelen«, »Die Zwillingsfalle«, »Ausgezählt«, »Purpurland«, »617 Grad Celsius« und »Königsallee«

Die Website des Autors: www.horsteckert.de/