»Wir alle erleben täglich Dinge, die erzählenswert sind!«

18. September 2020
dotbooks

Ein Gespräch mit der Autorin Silke Schütze über unerwartete Inspirationen, ein Herz aus Gold und ihren Roman EINE FAMILIE ZUM VERLIEBEN.

Liebe Silke, wie bist du auf die Idee gekommen, über die Familie Hasemann zu schreiben?

Silke Schütze: »Wenn ich das wüsste! Ich hatte große Lust, etwas Heiteres zu schreiben, das Leben ist schon ernst genug. Josefine Hasemann hat sich dann irgendwann einfach so in meinen Kopf gedrängelt und wollte etwas erleben – und weil eine Frau wie sie ohne Mann und Tochter nicht denkbar ist, hatte ich auf einmal die ganze Familie Hasemann in meinen Gedanken. Von da an haben die drei ein vergnügtes Eigenleben geführt, und manchmal fühlte es sich so an, als würde ich gar nicht über sie schreiben, sondern als würde ich ihnen einfach nur zusehen. Wenn mir Leserinnen und Leser sagen, dass sie Josefine und ihre Familie als ungemein lebensecht empfunden haben, dann ist das ein schönes Kompliment für mich … denn genau so empfinde ich die drei auch.«

Josefine Hasemann ist eine liebenswerte Figur – ihre Neigung, aus dem Bauch heraus zu handeln, kann aber auch anstrengend sein. Was magst du an ihr?

Silke Schütze: »Josefine ist wirklich eine besondere Mischung: Auf der einen Seite ist sie tatsächlich sehr spontan, man könnte sogar sagen, dass sie zur Übersprungshandlung neigt, wenn sie zum Beispiel in den Wagen springt, um ihrer Tochter beizustehen, die diesen Beistand aber gerade so gar nicht haben möchte; auf der anderen Seite macht sie sich oft viel zu viele Gedanken und ihren Lieben dadurch das Leben schwer. Aber gleichgültig, wie anstrengend sie sein kann – Josefine Hasemann hat ein Herz aus Gold. Wenn es drauf ankommt, kann man sich auf sie verlassen – und sie ist nicht nur bereit, Fehler auch einmal einzusehen, sondern vor allem auch, die lustige Seite von Katastrophen zu erkennen und über sich selbst zu lachen.«

Familienromane sind in der Regel sehr heiter oder aber von dräuenden Geheimnissen überschattet – »Eine Familie zum Verlieben« verzichtet auf dieses laute Getöse und ist vor allem warmherzig und lebensecht. Warum war dir das wichtig?

Silke Schütze: »Weil es ganz einfach so ist – wir alle erleben täglich Dinge, die erzählenswert sind. Wir können im Supermarkt die große Liebe treffen oder auf der Autobahn im Stau beschließen, unser Leben zu ändern – ganz ohne übertriebene komische Überspitzung oder gruseligen Horror. Ich mag Geschichten, die in der Realität verwurzelt sind: Was löst das bei uns aus, wenn wir im Urlaub zu eng aufeinanderhocken mit den unterschiedlichsten Erwartungen? Wie kann ein Unfall unser Leben verändern, manchmal sogar bereichern? Und wie fühlt sich das für eine Mutter an, wenn das Kind plötzlich, gefühlt über Nacht, erwachsen geworden ist? Außerdem glaube ich zutiefst, dass es mehr nette Menschen als böse gibt. Deswegen gibt es im Hause Hasemann keine ›Schurken‹ und keine sprichwörtlichen oder gar realen Leichen im Keller – aber trotzdem jede Menge Geheimisse …«

Wer sollte deiner Meinung nach »Eine Familie zum Verlieben« lesen?

Silke Schütze: »Alle, die gerne schmunzeln und Spaß an Unterhaltung haben. Und wer das Gefühl liebt, amüsiert über die Verrücktheiten des Lebens den Kopf zu schütteln. Die Hasemanns sind ein bisschen so wie unsere eigenen Familien oder die unserer Freunde … nur eben ein bisschen chaotischer.«

Du hast die vier Teile dieses Romans im Lauf mehrerer Jahre geschrieben – nun nimmst du Abschied von Josefine, Gerd und den anderen. Welche Figur wirst du besonders vermissen?

Silke Schütze: »Mir wird Josefine schon am meisten fehlen. Ihre unverwüstliche gute Laune, ihre unerschütterliche Liebe zu ihrer Familie und natürlich ihre beneidenswerte Spontanität. Aber wer weiß? Vielleicht drängelt sie sich doch irgendwann mal wieder in meine Gedanken, wenn ich mal wieder eine Dosis Humor und Leichtigkeit brauche …«

Das Gespräch führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.

Silke Schütze lebt in Hamburg. Sie hat zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. 2008 wurde sie vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.

Silke Schütze veröffentlichte bei dotbooks bereits die Romanbiographie »Die Sängerin von Berlin« (auch bekannt unter dem Titel »Henny Walden – Memoiren einer vergessenen Soubrette«) sowie – für alle Leser mit feinem Humor – die Familie-Hasemann-Abenteuer »Frau Hasemann feiert ein Fest«, »Herr Hasemann auf Wolke 7«, »Die Hasemanns auf großer Fahrt« und »Frau Hasemann findet das Glück«, die es auch in gesammelter Form gibt: »Eine Familie zum Verlieben«