» Ich hatte nie vor, eine humorvolle Krimireihe über das Alte Rom zu schreiben oder 20 Jahre damit zu verbringen, hauptsächlich über eine männliche Figur zu erzählen, aber das zeigt nur, dass alles möglich ist, vorausgesetzt, es ist gut!«

30. Juni 2023
dotbooks

Ein Gespräch mit unserer Autorin Lindsey Davis über deutsche Museen, das Essen im alten Rom und ihre Reihe um den römischen Privatermittler MARCUS DIDIUS FALCO.

Liebe Frau Davis, wie sind Sie zu der Figur von Marcus Didius Falco gekommen?

Lindsey Davis: »Die Ursprünge von Falco liegen in den Detektivgeschichten der 1940er- und 50er-Jahre. Genau wie in den guten Hörspielen von damals spricht uns Falco in der ersten Person an, was uns sofort in die Geschichten hineinzieht. Mir gefällt, dass er nie aufgibt, auch wenn er alles für aussichtslos hält; Falco kämpft gegen böse Menschen und eine schlechte Regierung gleichermaßen. Und obwohl ich es damals, als ich diese Krimis schrieb, noch nicht wissen konnte, sind sowohl er als auch seine geliebte Helena, die in den Büchern eine zunehmend wichtigere Rolle spielt, perfekte Charaktere für die ›Me Too‹-Generation geworden: Falcos Respekt für Frauen und Helenas Respekt für Männer sind ganz wesentlich. Ob Falco ein Held ohne Schwächen ist? Ganz sicher nicht! (›Welche Fehler?‹, würde er jetzt vermutlich sagen.) Aber ich würde ihm vermutlich alles verzeihen, weil ich weiß, dass er ein gutes Herz hat …«

Sie haben SILBERSCHWEINE vor drei Jahrzehnten geschrieben. Wie fühlt es sich an, dass dieser Roman immer noch auf der ganzen Welt gelesen – und geliebt – wird?

Lindsey Davis: »Es gibt nicht viele Jobs, bei denen die Arbeit, die man vor 30 Jahren gemacht hat, immer noch relevant ist. Darauf bin ich sehr stolz! Ich bekomme immer wieder die Rückmeldung, dass SILBERSCHWEINE sich heute noch genauso gut liest wie früher, und das liegt wahrscheinlich daran, dass meine Serie auf ihren starken Figuren beruht. Ich hatte nie vor, eine humorvolle Krimireihe über das Alte Rom zu schreiben oder 20 Jahre damit zu verbringen, hauptsächlich über eine männliche Figur zu erzählen, aber das zeigt nur, dass alles möglich ist, vorausgesetzt, es ist gut!«

Einer der besten Charaktere in der Serie ist unserer Meinung nach Falcos Erzfeind – und manchmal unerwünschter Partner – Anacrites. Wie sind Sie auf diese Figur gekommen?

Lindsey Davis: » Bei seinem ersten Auftritt in BRONZESCHATTEN sollte Anacrites eigentlich nur für dieses eine Buch das Gegenteil von Falco darstellen: ein Staatsdiener, reich, nicht wirklich talentiert und sehr sicher in seiner Position. Dies war einfach ein richtig guter Kontrast zu meiner Hauptfigur Falco, dem ewig für seine Zukunft kämpfenden Freiberufler. Danach wurde es lustig, ihre Rivalität auf die Spitze zu treiben, zumal Anacrites es Falco wirklich immer wieder schwer macht. Es hat darum besonders viel Spaß gemacht, die beiden zusammenarbeiten zu lassen – und es hat ziemlich gut geklappt, wie ich finde und mir Lesende immer wieder bestätigen.«

Im Laufe der Serie löst Falco nicht nur Verbrechen in der Hauptstadt des Römischen Reiches, sondern kommt auch viel herum: Seine Einsätze führen ihn nach Britannien, in den Orient und nach Germanien. Welcher dieser Schauplätze hat beim Schreiben am meisten Spaß gemacht?

Lindsey Davis: »Falco ist im Grunde ein Stadtjunge, der gerne in den Straßen Roms unterwegs ist, aber um uns Abwechslung zu bieten und Einblicke in das Römische Reich zu geben, habe ich ihn dazu verdonnert, als Agent des Kaisers Vespasian herumzureisen. Ich hatte viel Spaß mit Britannien, wo ich römische und moderne Stereotype gegenübergestellt habe. Es war wundervoll für mich, über Syrien und Libyen zu schreiben – aber  jetzt ist es sehr traurig, darauf zurückzublicken, denn seit ich für meine Recherchen dort war, wurden einige erstaunliche Dinge, die ich gesehen habe, von Extremisten zerstört. Meine Reise nach Ägypten war dagegen enttäuschend, weil Erdbeben so viel vom alten Alexandria zerstört haben (und niemand hatte mir vorher gesagt, dass das Museum wegen Renovierungsarbeiten geschlossen sein würde …). Woran ich mich immer noch gerne erinnere, ist die Reise nach Mainz, die ich für EISENHAND unternommen habe – und ich erwähne Deutschland jetzt nicht nur für Sie! Das Landesmuseum dort hat eine berühmte römische Sammlung, die mir immer in Erinnerung geblieben ist.«

Ein Mord bei einer großen Dinnerparty von Olivenölproduzenten, ein makabrer Fund in einem örtlichen Brunnen: Falco hat viele ungewöhnliche und spannende Fälle zu lösen. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Lindsey Davis: »Obwohl ich historische Kriminalromane geschrieben habe, interessiere ich mich für ›True Crime‹, weil ich glaube, dass sich die menschliche Natur nicht ändert. Mein Lieblingsfall wird immer in TOD EINES MÄZENS zu finden sein, einem Buch über künstlerische Patronage und Banken. Darin geht es um eine heruntergekommene Gruppe von Möchtegern-Schriftstellern, von denen einige schlecht sind, aber zwei wirklich talentiert, darunter Urbanus Trypho, den man für einen witzigen Vorgänger von Shakespeare halten könnte. Mir war von Anfang an klar, dass es sich beim zentralen Mordopfer um einen Verleger handeln musste und dass ein abgelehnter Autor eine wichtige Rolle spielen sollte (Natürlich kommt keiner meiner Verleger oder Schriftstellerkollegen in diesem Buch vor …).«

Falco ist ein Mann mit vielen Talenten: Messer-Fänger, Freizeitdichter, liebender Vater, um nur einige zu nennen. Welche Charaktereigenschaft mögen Sie an Ihrem Helden am liebsten?

Lindsey Davis: »Einige der Talente, mit denen er sich brüstet, sind etwas fragwürdig! Kann man Messer wirklich fangen oder ist er ein unzuverlässiger Erzähler? Und ob er wirklich ein Meister der Dichtkunst ist, wie er denkt? Sein Gedicht, das mit ›Lass mich dir sagen, Lucius, warum ich diesen Papagei hasse‹ beginnt, hört sich lustig an, aber ich denke, dass seine Liebesgedichte schrecklich sein könnten … Manche Lesende amüsieren sich einfach nur über ihn, aber damit werden sie ihm nicht gerecht. Ich mag den soliden Kern seines Charakters: mutig für die Gerechtigkeit eintreten, zynisch Heuchelei und Korruption durchschauen und hartnäckig seinen Werten treu bleiben. Falco ist ein Typ, der Verantwortung übernimmt. Und obwohl er es nicht zugeben will, ist er im Grunde seines Herzens auch ein traditioneller Römer mit traditionellen Werten. Am wichtigsten ist aber sicher seine Fähigkeit zu dauerhafter Freundschaft und Liebe.«

Sie sind mit dem Diamond Dagger der Crime Writers‘ Association für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden, einem der renommiertesten Literaturpreise – wie fühlt es sich an, auf diese Weise für die Serie belohnt zu werden, in die Sie so viel Zeit und Liebe investiert haben?

Lindsey Davis: »Es ist eine große Ehre, von anderen Krimiautoren mit dem Diamond Dagger ausgezeichnet zu werden. Ich glaube, alle Preisträger sind dann etwas besorgt, dass ›Lebenswerk‹ bedeutet, dass deine Karriere zu Ende ist, aber das muss natürlich nicht stimmen. Ich muss sagen, dass es für mich ebenso beeindruckend war, von der Stadt Rom mit dem Premio Colosseo ausgezeichnet zu werden. Der wird an Personen verliehen, die ›das Bild der Stadt Rom erweitert‹ haben, was mich sehr stolz gemacht hat, zumal ich immer das Gefühl hatte, dass nicht viele Orte eine ausländische Schriftstellerin auf diese Weise ehren würden. Es treibt mir Tränen in die Augen, wenn ich nur daran denke. Solche erstaunlichen Belohnungen sind die Mühe wert.«

Es mag eine langweilige Frage für alle Autorinnen und Autoren historischer Romane sein, aber wenn Sie eine Zeitmaschine benutzen könnten, würden Sie dann gerne einige Zeit im alten Rom verbringen? Wenn ja, warum, wenn nicht, warum nicht?

Lindsey Davis: »Natürlich wäre es faszinierend, nachzusehen, ob ich alles richtig getroffen habe – ist in meinem Kopf einfach auf der Grundlage meiner Recherche eine eigene römische Welt entstanden, die für Lesende plausibel erscheint, aber nicht ganz den Gegebenheiten von vor zweitausend Jahren entspricht? Ich würde vermutlich den Lärm und die Gerüche ein wenig scheuen, und die Verpflichtung, Latein und Griechisch zu sprechen, wäre eine Prüfung. Außerdem würde ich das Essen vermissen, das wir heute als typisch Italienisch bezeichnen: Nudeln, Eis, Tomaten und Paprika. Und natürlich ist das größte Problem für mich, dass es für eine Frau unmöglich wäre, ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin zu verdienen, geschweige denn als Romanautorin. Also würde ich ganz schnell wieder nach Hause huschen.«

Das Gespräch führte Frederik Bahr aus dem dotbooks-Lektorat.

Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers‘ Association für ihr Lebenswerk.

Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco: »Silberschweine«, »Bronzeschatten«, »Kupfervenus«, »Eisenhand«, »Poseidons Gold«, »Letzter Akt in Palmyra«, »Die Gnadenfrist«, »Zwielicht in Cordoba«, »Drei Hände im Brunnen«, »Den Löwen zum Fraß«, »Eine Jungfrau zu viel«, »Tod eines Mäzens«, »Eine Leiche im Badehaus«, »Mord in Londinium«, »Tod eines Senators«, »Das Geheimnis des Scriptors«, »Delphi sehen und sterben«, »Mord im Atrium«

SILBERSCHWEINE von Lindsey Davis, Teil 1 der Marcus-Didius-Falco-Reihe  – überall erhältlich, wo gute eBooks angeboten werden, und natürlich auch auf unserer WEBSITE, wo das eBook für Sie im Mobi-Format für den Kindle und als ePub für alle anderen Lesegeräte bereitsteht.