Charlotte Richter-Peill über DAS ORAKEL VON FARLAND

22. Februar 2017
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Charlotte Richter-Peill (c) privat

„Meine Protagonisten sollen Gefühle fühlen, Gedanken denken, Handlungen vollziehen dürfen, die nicht ‚angesagt‘ sind“

Unsere Autorin Charlotte Richter-Peill über hell und dunkel, eine ungewöhnliche Heldin und ihre Trilogie DAS ORAKEL VON FARLAND:

 

Aktuell spricht man wieder verstärkt von potenziellen Gefährdern: Verdächtigen, die noch keinen Schaden angerichtet haben, die man aber im Auge behalten will. In DAS ORAKEL VON FARLAND heißen sie FIP (FörderungsIntensive Personen) und werden durch eine Instanz identifiziert, die in die Zukunft blicken kann.
Wenn so ein Blick möglich wäre – wann und wie würde man eingreifen?

Mit dieser Frage ging es los. Mit Fenja wollte ich eine Figur erschaffen, die – wie wir alle – eine helle und eine dunkle Seite in sich trägt und mit ihrer inneren Dunkelheit zurechtkommen muss. Wie geht man damit um, dass man eben nicht nur ein „guter“ Mensch ist?

Richter-Peil 1Das sollte sich auch in der Gesellschaft spiegeln, in der Fenja aufwächst: keine Diktatur, in der Gut und Böse klar getrennt sind, mich interessierte die Grauzone, der Bereich zwischen Richtig und Falsch. Fenja musste darum mehr Zweiflerin sein als selbstgewisse Heldin, die in die Welt zieht, um die Dinge zu regeln. Sie zählt nicht von Anfang an zu den Mutigen, Aktiven, klar Entschiedenen, da wollte ich sie allmählich hinführen.

Geschrieben habe ich zu Hause, im Writers‘ Room (ein Gemeinschaftsbüro für Schriftsteller in Hamburg) und im Hof Ehlers, einem Bio-Café mit tollen Torten. Anfangs sprudelte die Phantasie, ich schrieb viel ins Offene. Fenja, Merten, Romilda – die Romanfiguren verwandelten sich in Menschen, die einen wuchsen mir ans Herz, andere (die Direktorin!) wurden innere Gegner, an denen ich mich rieb.

In der Mitte der Trilogie wurde es schwieriger, bisher nur angeschnittene Ideen mussten in Szenen gestaltet werden. Während der Planung dachte ich oft: „Na, wenn ich dort ankomme, sehe ich schon, was passiert.“ Aber als ich z.B. in Band 2, NORDLAND die Markthallen erreichte, war da nur dicker Nebel …
Über den Text reden, vor allem mit meinen Testlesern, das ist für mich der Suchscheinwerfer. Zweiter Rettungsanker: die Routine. Schreiben ist nicht Warten auf den Musenkuss, sondern strukturiertes Arbeiten. Auch wenn’s nicht läuft, setze ich mich zu festen Zeiten an den Schreibtisch, lese bisher Geschriebenes, überarbeite, esse Schokolade … Ich nenne das: Den Text täglich besuchen. Bis es weitergeht.

Richter-Peil 3Eine besondere Herausforderung war die Begegnung zwischen Fenja und der Wächterin in Band 2. Das berührte etwas, vor dem ich mich fürchte: aus Egoismus etwas tun, das moralisch nicht vertretbar ist. Aber genau das will ich beim Schreiben ausloten, meine Protagonisten sollen Gefühle fühlen, Gedanken denken, Handlungen vollziehen dürfen, die nicht „angesagt“ sind: Depressives, Missgünstiges, Rach- oder Herrschsüchtiges … und sich dann da rausarbeiten. Ich hoffe, Fenjas Geschichte zeigt, wie kompliziert und komplex wir alle sind und dass es einfache Lösungen so gut wie niemals gibt.