»Das ist ja der Reiz an historischen Stoffen, dass unser Weltbild sich nicht so einfach übertragen lässt.«

27. November 2020
dotbooks

Ein Gespräch mit der Erfolgsautorin Sybille Schrödter über Inspirationen, ihre Vorliebe für authentische Charaktere und ihre Romane DIE LEBKÜCHNERIN und DAS ERBE DER LEBKÜCHNERIN.

Liebe Sybille Schrödter, was hat dich dazu inspiriert, mit DIE LEBKÜCHNERIN und DAS ERBE DER LEBKÜCHNERIN eine Saga über das Thema Lebkuchen zu schreiben?

Sybille Schrödter: »Einmal davon abgesehen, dass ich Lebkuchen liebend gern esse, wollte ich eine Geschichte schreiben, die in Nürnberg spielt. Da ist mir der Gedanke in den Sinn gekommen, wie wohl der berühmte Elisen-Lebkuchen entstanden sein könnte. Natürlich habe ich zuerst einmal recherchiert, ob es vielleicht eine ›wahre‹ Geschichte dazu gibt, aber es ist nur bekannt, dass Lebkuchen einst eine traditionelle Fastenspeise in den Klöstern gewesen ist, die nicht besonders gut schmeckte. Da bot sich der Charakter der Benedicta, die viel lieber backt als betet, geradezu an … und die aus den Lebkuchen jene Spezialität zaubert, die von Nürnberg aus weltberühmt wurde. Ich freue mich immer sehr darüber, wenn mir Leserinnen und Leser schreiben, dass Lebkuchen für sie nun immer mit meinen Figuren verbunden sein werden.«

Benedicta ist eine starke Hauptfigur – und doch bist du nicht in die ›Falle‹ vieler AutorInnen von historischen Romanen gestolpert, sie zu einer für ihre Zeit zu emanzipierten Frau zu machen. Hand aufs Herz: Hat es dich nicht manchmal gereizt, da etwas einzugreifen?

Sybille Schrödter: »Nein, das hat mich nicht gereizt. Ich arbeite immer eng an der historischen Wahrheit. Benedicta ist für ihre Zeit unglaublich tapfer und mutig, allein schon dadurch, dass sie aus dem Kloster flieht. Das war damals eine Todsünde und manche dieser armen Frauen wurden eingemauert oder gleich getötet. Wenn ich eine Geschichte schreiben möchte von einer Frau, die Unternehmerin des Jahres wird und auf einen Mann pfeift, würde ich das lieber in einer Zeit ansiedeln, in der das realistisch ist, nicht aber im mittelalterlichen Nürnberg. Das ist ja gerade der Reiz an historischen Stoffen, dass unser Rollenverständnis und Weltbild sich nicht so einfach übertragen lässt, sondern wir Autoren eine Figur aus jener Zeit zum Leben erwecken und keine Frau von heute. Benedicta muss sich ihr Glück hart erkämpfen und immer wieder Rückschläge erdulden, aber das macht sie für uns heute so faszinierend.«

Im zweiten Roman der Serie, DAS ERBE DER LEBKÜCHNERIN, spielt nicht Benedicta die Hauptrolle, sondern ihre »Enkelin«. Was hat dich daran gereizt?

Sybille Schrödter: »Da Benedictas Geschichte mit DIE LEBKÜCHNERIN auserzählt war, brauchte ich für eine Fortsetzung eine würdige Nachfolgerin. Die habe ich in Bianca gefunden: Sie ist die Tochter ihrer Ziehtochter. An Bianca gefällt mir ihr Mut, sich in DAS ERBE DER LEBKÜCHNERIN auf diese Reise über die Alpen zu begeben, um ihren verschollenen Verlobten zu suchen. Das war damals eine unfassbare Strapaze. Zum Glück bin ich bei der Recherche auf den detaillierten Bericht einer Alpenüberquerung jener Zeit gestoßen. Und was mich an Bianca Ziel, Venedig zu erreichen, gereizt hat, war natürlich die Vielfalt der Gewürze, die es dort schon gab, und um zu zeigen, wie das mittelalterliche Leben dort gewesen ist. Das war für Bianca eine exotische neue Welt, die mich beim Schreiben genauso in ihren Bann gezogen hat wie meine Figuren.«

Das Gespräch führte Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks.

Sybille Schrödter ist Juristin, Kabarettistin, Sängerin, Roman- und Drehbuchautorin – und so wenig, wie sie sich auf einen einzelnen Beruf festlegen lassen will, ist sie bereit, sich nur in einem Genre zu bewegen: Sie schreibt Kriminalromane und Thriller (»Weil mich menschliche Abgründe faszinieren«), historische Roman (»Weil es ein Vergnügen ist, in lang vergangenen Zeiten auf die Suche nach starken Frauenfiguren zu gehen«) und – unter verschiedenen Pseudonymen – Familiensagas (»Weil es in jeder Familie dunkle Geheimnisse gibt«) und Liebesgeschichten (»Nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt …«). Sybille Schrödter lebt in Hamburg.

Die Autorin im Internet: www.sybilleschroedter.de

Bei dotbooks veröffentlicht Sybille Schrödter die Kriminalromane »Das dunkle Netz des Todes« und »Was letzte Nacht geschah« und die historischen Romane »Die Lebküchnerin«, »Das Erbe der Lebküchnerin« und »Die Minnesängerin«.