Ellen Spaniel und der Tratsch der Biedermeierzeit

25. Juni 2015
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Ellen Spaniel (c) privat

Ellen Spaniel (c) privat

„Es ist das Leben eines Schmetterlings, die Gedanken reichen nicht weiter, als im Sonnenschein zu spielen … ein von Jugend auf ränkesüchtiges Gemüth, eine freche Natur spinnt weiter gehende Pläne …“. So beschreibt Willibald Alexis, einer der Autoren des Buches „Der Neue Pitaval“ (1842-1890), Pauline Henriette Wilke. Andere nannten sie eine „Spukgestalt schalkhafter Natur“, ein „anmutiges Mädchen“, „Luft- und Dunstgestalt“. Aber auch Gutmütigkeit soll zu ihren hervorragendsten Eigenschaften gehört haben: Jette gab den Armen und hatte freundliche Worte für sie.

Die Goldprinzessin“ oder „das Goldfüchslein“, wie meine Heldin Jette im biedermeierlichen Berlin der 1830er Jahre mal bewundernd, mal skeptisch genannt wurde, entpuppte sich schließlich als eine Hochstaplerin, die ganz Berlin zwei Jahre lang in Atem gehalten hatte. Diese schillernde Persönlichkeit hat mich seit meiner Jugend fasziniert. Wer und was war sie? Hatte sie die Folgen ihres Handelns nicht bedacht, hatte sie sie ignorieren wollen oder war doch alles ganz anders gewesen?

Im Preußen jener Zeit gab es für Jette trotz ihrer Fähigkeiten, ihrer Bildung und ihrer Umgangsformen nicht die geringste Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg. Und so war sie entschlossen, sich zu nehmen, was man ihr verwehrte. Diese fast unüberwindbaren gesellschaftlichen Schranken scheinen mir noch immer – oder schon wieder – ein aktuelles Thema zu sein und ich bin sicher: Jettes gibt es auch heute viele und es könnte uns überall eine begegnen. Denn es ist alltäglich geworden, „Schein statt Sein“ bis zur Lächerlichkeit in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Eine Szene meines Romans mag ich aus diesem Grund besonders. Sie schildert ein Kaffeekränzchen älterer Damen, die alle etwas über die Goldprinzessin zu wissen glauben. Klatsch und Tratsch, wie wir ihn alle kennen, weil der seit der Biedermeierzeit nicht aus der Mode gekommen ist …

Gerade deshalb wollte ich die Geschichte der Pauline Henriette Wilke aufschreiben, denn ich hoffe, dass sie auch viele junge Leser(innen) interessieren und zum Nachdenken anregen könnte.