Florian Dittrich im Interview
Ich denke, dass alle Erfahrungen, die wir im Leben machen, uns nicht nur prägen, sondern vor allem auch dazu anregen können, eigene Wege zu ersinnen und auszuprobieren.
Ein Gespräch mit unserem Autor Florian Dittrich, über Extreme, Nervenkitzel und seinen hochspannenden Roman FEUERBERG.
„Die Hauptfigur in FEUERBERG ist Lukas Reiter, ein millionenschwerer Unternehmer, der jedes Luxushotel der Welt locker selbst kaufen könnte – wieso klettert er trotzdem auf Vulkane und campiert in Zelten? Nur für den Nervenkitzel?“
Florian Dittrich: „Auf den ersten Blick scheint Lukas Reiter tatsächlich eine in sich widersprüchliche Figur zu sein. Da ist zunächst der ehrgeizige Machtmensch, der keine Herausforderung auslässt, um sich durchzusetzen und zu profilieren. Ohne Skrupel benutzt er Menschen, die ihm nicht gewachsen sind. Er verachtet das Normale, das Mittelmaß und sucht die Extreme. Erst im explodierenden Vulkan Pangatu, dessen tödliche Wucht ihn bis ins Mark trifft, findet er seinen Meister. Hier wird er sich seiner Sehnsucht nach Nähe bewusst, die er bis dahin erfolgreich verdrängt hatte. Ob man es nun Nervenkitzel nennen will oder schonungslose Selbsttherapie: Die Erfahrung von elementarer Todesangst eröffnet ihm schlagartig neue Perspektiven, nach denen er bis dahin – mehr oder weniger unbewusst – gesucht hatte.“
„Herr Dittrich, FEUERBERG bietet eine höchst reizvolle Mischung aus intelligentem Wissenschaftskrimi, rasantem Actionthriller, vielen, auch romantischen, zwischenmenschlichen Situationen und durchdachten Dialogen. Haben Sie literarische Vorbilder oder wurden Sie von bestimmten Autoren beim Schreiben Ihres ersten Krimis beeinflusst?“
Florian Dittrich: „Mich persönlich haben vor allem Autoren beeindruckt, die zum einen den oft verschlungenen Pfaden der menschlichen Psyche nachspürten, zum anderen aber auch den großen Bogen ihrer Biografie im Blick behielten. Nicht zuletzt hat ja jedes Einzelschicksal auch einen Hintergrund und ist eingebettet in vieles andere mehr. Ich denke, dass alle Erfahrungen, die wir im Leben machen, uns nicht nur prägen, sondern vor allem auch dazu anregen können, eigene Wege zu ersinnen und auszuprobieren. Natürlich gibt es immer wieder auch besonders eindrucksvolle Erfahrungen, aber im Grunde zählen sie alle, die großen wie die kleinen. Wenn man allein das beherzigt, kommt man im eigenen Leben fast schon zwangsläufig zu einer höchst reizvollen Mischung. Dann kann man auch nicht mehr genau angeben: dies ist von hier und jenes von dort. Es ist alles irgendwie miteinander und ineinander gewachsen, und nach einer gewissen Zeit lässt es sich nicht mehr beliebig trennen.“
„Mit der Folter von Miller durch amerikanisches Militär bringen Sie eine sehr brutale Note ein – inwiefern ist das für die Story von FEUERBERG notwendig?“
Florian Dittrich: „Was der fiktiven Figur Frank Miller widerfährt, erleben tagtäglich leider viele tatsächlich lebende Menschen auf diesem Globus. Wir blenden es gerne aus, weil es uns Angst macht und nicht zum Bild der heilen Welt passt, in der wir leben wollen. Solche Momente sind wie extreme Zerreißproben, an denen viele scheitern; die moderne Resilienzforschung untersucht seit einiger Zeit diese Phänomene und kommt teilweise zu, wie ich finde, erschütternden Ergebnissen. Frank Miller will der Folter widerstehen, um seine Freunde zu schützen, selbst auf die Gefahr hin, dabei sein eigenes Leben zu verlieren. So paradox es auch klingen mag: Ein solcher Wille, eine solch unbeirrbare Leitidee kann Menschen in extremen Belastungssituationen davor bewahren, sich selbst aufzugeben, und stattdessen dazu führen, dass sie überleben und sogar innerlich gestärkt aus der Situation hervorgehen. So auch bei Miller: Indem er im Roman gegen seine eigene Kapitulation antritt, entwickelt er eine enorme charakterliche Stärke, zu der Menschen offensichtlich fähig sind. Auch die beiden anderen Hauptfiguren – Lukas Reiter und Jonas Kohlmann – geraten ja immer mehr in diesen gefährlichen Strudel. Sie alle drei bis an diesen Punkt zu bringen war mir für die Geschichte sehr wichtig, weil durch die extreme Belastung ihre Glaubwürdigkeit geprüft und sichtbar gemacht werden kann. Heldengeschichten haben uns vielleicht deshalb schon immer in ihren Bann gezogen, weil sie uns zeigen, welch erstaunliche Kräfte Menschen in sich mobilisieren können, vielleicht sogar jeder von uns.“