»Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen.«

17. Februar 2023
dotbooks

Ein Gespräch mit unserem Autor Robert Goddard über den idealen Ort zum Schreiben, die Unterschiede zwischen zeitgenössischen und historischen Spannungstiteln und seine Romane DIE SCHATTEN DER TOTEN, DENN EWIG WÄHRT DIE SCHULD und DAS GEHEIMNIS VON TRENNOR MANOR.

Lieber Herr Goddard, Ihre Bücher decken eine breite Palette von Themen ab, wo erhalten Sie Ihre Inspiration?

Robert Goddard: »Es ist wirklich sehr schwierig zu sagen, woher meine Ideen kommen. Manchmal sind es Dinge, die mir schon lange im Kopf herumschwirren und ich warte nur auf einen geeigneten Handlungsstrang, mit dem ich sie verweben kann. Manchmal werden sie durch irgendein aktuelles Ereignis oder durch eine zufällige Beobachtung angestoßen. Am Ende erzählt das Leben ja immer die besten Geschichten. Für historische Romane muss ich natürlich mehr Recherche betreiben, aber hier finden sich oft die spannendsten »Kulissen« für einen Kriminalroman. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen.«

Die meisten ihrer Charaktere sind nicht der klassische Heldentyp, so auch Toby Flood, die Hauptfigur in DENN EWIG WÄHRT DIE SCHULD, sondern haben viele Fehler und persönliche Probleme. Woher kommt diese Vorliebe für Underdogs?

Robert Goddard: »Meine Charaktere sollen so lebensecht wirken, weil ich selbst nur so die notwendige Verbundenheit zu ihnen verspüre – und dann, so hoffe ich zumindest, wird der Leser auch in der Lage sein, eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Sie sind auch interessanter zu schreiben als unbesiegbare Selbstverteidigungsexperten, die zudem in jeder Hand einen rauchenden Colt halten. Für Toby Flood geht am Anfang alles den Bach runter seine Schauspiel-Karriere steht vor dem aus und seine Ehe ist schon lange vorbei. Aber gerade von diesem Ausgangspunkt aus wird es für den Leser spannend zu erleben, wie er sich in der Geschichte dennoch immer weiter vorankämpft. Grundsätzlich basieren meine Charaktere auf verschiedenen Aspekten echter Menschen, die in einem fiktiven Kontext kombiniert werden. Und ein wenig von mir steckt sicherlich auch in ihnen.«

Bevor Sie Schriftsteller wurden, haben Sie in Cambridge Geschichte studiert. Einige Ihrer Bücher – wie DAS GEHEIMNIS VON TRENNOR MANOR und DIE SCHATTEN DER TOTEN – haben einen eher spielerischeren Zugang zur Geschichte. Wie kam es dazu?

Robert Goddard: »Als Geschichtsstudent geriet ich öfters in Schwierigkeiten, wenn ich mal wieder eine etwas kreativere Interpretation von vergangenen Ereignissen zur Diskussion stellte. Ich glaube, dass das Schreiben von Romanen mit historischem Hintergrund für mich eine Art Fortführung dessen ist, was damals wirklich geschehen ist. Obwohl ich nach wie vor glaube, dass Historiker das Ausmaß überschätzen, mit dem sie vergangene Ereignisse wirklich auf der Grundlage von Beweisen interpretieren können. Auch in der Geschichtswissenschaft wird viel spekuliert. Vielleicht sind die Autoren von historischen Romanen in dieser Hinsicht einfach ein bisschen ehrlicher. Am Ende geht es nicht darum, die Vergangenheit in jedem Detail richtig darzustellen, sondern das besondere Gefühl einer Zeit zu rüberzubringen – und dabei eine spannende Geschichte zu erzählen. In DAS GEHEIMNIS VON TRENNOR MANOR zum Beispiel taucht die Hauptfigur, Nick, in die Vergangenheit seiner eigenen Familie ein – ein Sprung in frühere Zeiten, der dunkle Geheimnisse zutage fördert. DIE SCHATTEN DER TOTEN wiederum spielt von Anfang an im viktorianischen London des 19. Jahrhunderts. Die Rückkehr des totgeglaubten Sir James Davenall sorgt hier für einen Aufschrei in London – denn wie kann ein Toter zu den Lebenden zurückkehren? Geschichten wie diese brauchen unbedingt die Vergangenheitsebene, um funktionieren zu können.«

Was sind einige der Unterschiede beim Schreiben eines zeitgenössischen Spannungsromans und eines Spannungsromans mit historischem Setting?

Robert Goddard: »Eigentlich unterscheidet sich mein Schreibprozess nicht wirklich zwischen Romanen, die in der Gegenwart bleiben, und solchen, die in der Vergangenheit spielen. Sie alle haben ein bestimmtes Setting, das ich beim Schreiben der Geschichte auf die mir bestmögliche Weise vermitteln möchte. Die wirklichen Unterschiede sind die alltäglichen Dinge: Wie kommunizieren die Menschen zu einer bestimmten Zeit? Welche Kleidung haben sie getragen? Wie kommen sie von A nach B? Ein Charakter wird in den 50er Jahren genauso wenig eine Whats-App-Nachricht verschicken, wie ein anderer in der heutigen Zeit ein Telegramm. Von diesen Dingen einmal abgesehen bleibt aber die menschliche Natur, die der Motor ist, der jede Geschichten antreibt, unverändert.«

Wie bereiten Sie sich darauf vor einen Roman in einem historischen Setting zu schreiben?

Robert Goddard: »Ich versuche, möglichst tief in die Zeit einzutauchen, in der meine Geschichte spielt. Je weiter zurück die Zeitperiode liegt, desto mehr muss ich mich in diese einarbeiten. Das mache ich zum Beispiel mit Karten, Fotografien, Memoiren, Tagebüchern oder sozialgeschichtlichen Büchern, um ein Gefühl für die Welt zu bekommen, in der meine Charaktere leben. Romane, die in der damaligen Zeit geschrieben wurden, sind im Übrigen oft nicht sehr hilfreich, weil deren Autoren davon ausgehen, dass ihre Leser mit dem Hintergrund der jeweiligen Gegenwart schon vertraut sind. Grundsätzlich bin ich für jede Einsicht und Erkenntnis dankbar, die ich bekommen kann – und die sind manchmal an unerwarteten Orten zu finden.«

Das Gespräch führte Alina Hettmann aus dem dotbooks-Lektorat.

Robert William Goddard, geboren 1954 in Fareham, ist ein vielfach preisgekrönter britischer Schriftsteller. Nach einem Geschichtsstudium in Cambridge begann Goddard zunächst als Journalist zu arbeiten, bevor er sich ausschließlich dem Schreiben von Spannungsromanen widmete. Robert Goddard wurde 2019 für sein Lebenswerk mit dem renommierten Preis der Crime Writer’s Association geehrt. Er lebt mit seiner Frau in Cornwall.

Robert Goddard veröffentlichte bei dotbooks die Kriminalromane »Im Netz der Lügen«, »Der Preis des Verrats«, »Eine tödliche Sünde«, »Ein dunkler Schatten«, »Denn ewig währt die Schuld«, »Das Geheimnis von Trennor Manor«, »Das Geheimnis der Lady Paxton«, Das Geheimnis von Malborough Downs« »Das Haus der dunklen Erinnerung«.

Der Autor veröffentlichte bei dotbooks weiterhin die historischen Kriminalromane »Die Sünden unserer Väter«, »Die Schatten der Toten«, »Jäger und Gejagte«, »Die Klage der Toten«, »Das dunkle Erbe« und »Der Kartograf von London«.

Bei dotbooks erschien außerdem seine dreibändige Krimireihe mit dem Ermittler Harry Barnett: »Dunkles Blut, »Dunkle Sonne« und »Dunkle Erinnerung«.