Linda Cuir über ihren Roman „Der Himmel über Ceylon“

22. März 2017
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Cuir, Linda (c) privat

Linda Cuir (c) privat

„Mehrfach wollte ich aufgeben, doch Anjali, die Protagonistin meines Romans, wollte leben“

Unsere Autorin Linda Cuir über eine eindrucksvolle Reise, schwierige Recherche und ihren Roman DER HIMMEL ÜBER CEYLON:

 

Die Idee zu meinem Roman DER HIMMEL ÜBER CEYLON entstand nach einer Reise, die ich Mitte der sechziger Jahre auf die Insel Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, unternahm. Das unwürdige Leben der Teepflückerinnen im Hochland hatte mich nicht nur berührt, sondern seither verfolgt.
Diese Frauen wurden während der Kolonialzeit von den Engländern aus Tamil Nadu, dem südlichen Teil Indiens als rechtlose Arbeiterinnen auf die Plantagen nach Ceylon gebracht. Bis heute leben ihre Nachfahrinnen dort in menschenunwürdigen Verhältnissen.

Cuir, Der Himmel über Ceylon 2bBesonders berührte mich das im Hinduismus herrschende Kastensystem, eine soziale Gliederung, bei der jeder Mensch in die ihm vorbestimmte Gruppe hineingeboren wird. Ein Aufstieg in eine der höheren Kasten ist im Diesseits nicht vorgesehen. Hindus glauben an die Wiedergeburt.
Den Hindus, die in die Hauptkasten hineingeboren wurden, folgen die sogenannten Kastenlosen, die „Unberührbaren“, die in Indien Dalit oder Paria genannt werden. „Unberührbar“ deshalb, weil diese Menschen als unrein gelten und jeden Höherkastigen allein durch ihre Anwesenheit oder Berührung beschmutzen. Dalit üben unreine Berufe, wie Latrinenreiniger, Wäscher, Leichenverbrenner und viele andere aus, sofern sie überhaupt Arbeit haben. Auf Ceylon ist das System differenzierter, aber im Grunde sehr ähnlich. Die Teepflückerinnen gehören zur Gruppe der Rodiyas, der „Unberührbaren“. Offiziell ist in Indien das Kastenwesen abgeschafft, aber im Alltag der Menschen existiert es bis heute.

Cuir, Der Himmel über Ceylon 3In meiner Zweitheimat Andalusien und lange nach meinem Besuch Sri Lankas fand ich endlich Zeit, über diese Menschen zu schreiben. Die Recherche hierzu war umfangreich und immer wieder stieß ich auf Schwierigkeiten. Das Thema „Unberührbare“ war tabu. Mehrfach wollte ich aufgeben, doch Anjali, die Protagonistin meines Romans, wollte leben. Sie hat es mir nicht immer leicht gemacht. Die Gefängnisszene hat mich fast an den Rand des Machbaren gebracht. Ich habe mit ihr gehofft und gelitten. Auch Vimal, der Perlentaucher, und ihre unerreichbare Liebe zu Tom haben mir viel abverlangt.