Thomas Kastura im Interview

27. Mai 2016
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Thomas Kastura (c) privat

„Ein Schuss Hirnrissigkeit.“

Ein Gespräch mit Thomas Kastura über schräge Väter, Töchter und seinen Roman  „Die letzte Lüge“.

 

„Lieber Thomas Kastura was hat Sie zu Ihrem ungewöhnlichen Krimi-Road-Movie Die letzte Lüge inspiriert“

Thomas Kastura: „Die letzte Lüge ist mein erster Roman – aus dem unversehens ein Krimi bzw. Thriller wurde, ohne dass ich es geplant hatte. Eigentlich wollte ich eine schräge Vater-Tochter-Geschichte schreiben, eine Road Novel, temporeich, spannend, abenteuerlich, etwas, was ich selber gerne lesen würde. Einen Roman wollte ich schon immer verfassen seit meinen ersten literarischen Gehversuchen Ende der 1980er Jahre. Aber als 20-jähriger hatte ich noch nichts zu erzählen. Das hat sich Ende der 1990er geändert, plötzlich war der Stoff da. Muss etwas damit zu tun haben, dass ich damals Vater geworden bin.“

 

„Die Beziehung ihres Vater-Tochter-Duos in Ihrem Krimi Die letzte Lüge ist sehr ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Wahl?

Thomas Kastura: „Ich habe zwei Töchter, die waren zur Entstehungszeit des Buches noch Babys. Damals habe ich mir überlegt, was passieren könnte, wenn die mal älter sind und wegen irgendwelcher Dummheiten in Schwierigkeiten geraten – zugegeben: sehr ungewöhnliche Schwierigkeiten, Drogen, Mafia etc. In anderen Romanen von mir spielen jugendliche Heldinnen ebenfalls die Hauptrolle. Diese Perspektive finde ich einfach ungemein interessant. Mit 15, 16 passiert so viel im Leben, entsteht so viel Persönlichkeit, das ist eine Phase, die uns alle stark prägt.“

 

Kastura-lezte-Luege-1„Was ist Ihnen an Ihrem Roman Die letzte Lüge besonders wichtig“

Thomas Kastura: „Neben der Spannung auf jeden Fall Humor. Als Die letzte Lüge 2002 erschien, stand Tarantino hoch im Kurs, vor dem habe ich ein paar Verbeugungen gemacht. Dann der Markenfetischismus der damaligen Zeit, den Bret Easton Ellis bis zum Exzess getrieben hat, der musste auch mit rein in all seiner Lächerlichkeit; aber auch ein politisches Element, nicht nur oberflächliches Popliteratur-Blabla – dazu später mehr. Na ja, und Gewalt ist immer wichtig, Schusswechsel, Verfolgungsjagden, ra-ta-ta-ta. Was noch? Echte und falsche Liebe. Ein Schuss Hirnrissigkeit.“

 

„Sie haben als Schauplatz ihres Romans Die letzte Lüge Oberitalien gewählt. Was hat Sie dazu inspiriert?“

Thomas Kastura: „2001 gewann Berlusconi die Parlamentswahlen in Italien und blieb Ministerpräsident bis 2011, eine entsetzliche, fast diktatorische Zeit. Im Jahre 2001 fand auch der G8-Gipfel in Genua statt, bei dem es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten kam – ein Aktivist wurde sogar erschossen, es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Die weltweite Globalisierungs- bzw. Kapitalismuskritik erreichte damals einen ersten Höhepunkt. Das sollte unbedingt Eingang in meinen Roman finden. In Italien kam Vieles zusammen: einerseits dolce vita, andererseits wurde das Land zu einer Spielwiese für Kriminelle und mafiöse Politiker. Meine Figur des Claudio Ferro ist quasi ein kleiner Berlusconi. Italien war für Deutschland das, was Mexiko in vielen Büchern und Filmen für die USA ist: eine Art rechtsfreier Raum, in dem alles passieren kann.“

 

Kastura-lezte-Luege-2Ist ein Autor Ihrer Meinung nach Künstler oder Handwerker?“

Thomas Kastura: „Beides! Ohne handwerkliches Geschick bleiben selbst die besten künstlerischen Ideen im Ansatz stecken, vor allem bei einem Krimi oder Thriller, im Grunde aber bei jeder Art von erzählender Literatur. Man muss sich einfach die Mühe machen, einen tragfähigen Plot zu entwerfen, die Figuren und ihre Hintergründe auszuarbeiten – und natürlich zu recherchieren, bevorzugt vor Ort. Erst dann kommt die künstlerische Kür, also die Arbeit an der Sprache, an den Blickwinkeln, an kleinen vielsagenden Details. Bestenfalls sieht das am Ende alles ganz leicht und selbstverständlich aus. Allerdings denke ich mir oft noch nach Drucklegung eines Buches: Dies und das hätte ich anders machen sollen. Wir kommen nie zu einem Schluss, genauso wie Phil und Viktor: In meinem Roman Der rote Punkt geht ihre Geschichte weiter …“