Zurück zu den Anfängen! Dieter Jaeschke über Italien …
1975 ging’s für mich zum ersten Mal nach Ischia, eine kleine Insel im Golf von Neapel – mit Mama, Papa und Schwester Evelyn. In der Salumeria „Sentinella Market” im Ort Casamìcciola deckten wir uns mit Proviant für den Ausflug ein: dicke Weißmehl-Brötchen, die frisch mit Salami und lokalen Käsesorten belegt wurden. Obwohl ich immer wieder Ischia besucht habe, war ich lange nicht mehr in dem kleinen Laden in dem hoch gelegenen Ortsteil Sentinella. Bis letzte Woche. Ich trete ein, die Inhaberin, Signora Peppina, erblickt mich, strahlt – und kommentiert trocken nach über 20 Jahren: “Du bist doch der Bruder von Evelyn!” Ein rührender Moment, der beispielhaft für meine innige Beziehung zu Italien steht …
Rückblende: Ich war sechs, der letzte Sommer vor der Einschulung, meinen noch jungen Vater plagte das Rheuma und die Ärzte Ratlosigkeit. „Fahren Sie doch mal zur Thermalkur nach Ischia“, schlug einer vor. Die Fahrt mit dem Fährschiff der Linee Lauro über den Golf von Neapel. Das betörende Schauspiel dieser Hafenmetropole im flirrenden Licht des Hochsommers, von der Reling aus betrachtet, ein Kapitänsmützchen auf dem Kopf. Salz in der Luft. Der Vesuv als waberndes Kulissenspiel. Dann die Einfahrt in den Hafen von Ischia-Porto. Pastellbunte Häuschen in Rosa, Grün und Blau. Der Kellner Raffaele im Miramare e Castello, der mir im neapolitanischen Singsang die ersten italienischen Worte beibrachte. Ciao. Buongiorno. Buon appetito. Un gelato, ma grande! Cioccolato. Crema. Limone. Lim-mooone! Eis, wie ich es so noch nie zuvor gekostet hatte. Riesige Teller mit dampfenden Spaghetti. Das Castello Aragonese da draußen vor der Bucht, ein verwunschener Ort der Sagen und Legenden. Ich war sechs und hatte Arkadien gesehen.
Der ersten Reise mit Eltern und Schwester folgten weitere, mit 17 die erste Tour auf eigene Faust in diese himmlischen Gestade am Golf von Neapel. Parallel zu meiner Italienliebe entwickelte sich meine Passion für das Schreiben. Ebenfalls mit 17 schrieb ich meinen ersten Beitrag für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, damals für die Lokalausgabe meiner Heimatstadt Hattingen. Dem ersten Artikel folgten Tausende (!) im Verlauf von über 20 Jahren, parallel zur Schule, zum Zivildienst, zur Uni, zum Referendariat, zur Berufstätigkeit. Sieben Reisereportagen, die in der Süddeutschen Zeitung gedruckt worden sind, krönen diese lebensprägende Aktivität. Seit der Kindheit fasziniert mich Italien, seit der Jugend lässt mich das Schreiben nicht mehr los: Es war also höchste Zeit für dieses Buch – eine Hommage an Italien, in der Form meiner schönsten Artikel: „Italienische Reisen“
Was aber fasziniert mich so an Italien, besonders am Süden? Die Magie des Lichts, die Wärme der Farben, die bisweilen gesungene, bisweilen genuschelte, auch schon mal lautstarke Sprache. Der Salzgeruch der eleganten Hafenstädte, die archaischen Regionen des Hinterlandes mit ihren jahrhundertealten Riten und Mythen. Die schmelztiegelhafte Kultur und ihre uralte Geschichte, in der Phönizier, Griechen, Römer, Normannen, Staufer, Franzosen und Spanier ihre Spuren hinterließen. Dass sich dieses Land einmal „Königreich der beiden Sizilien“ nannte, wobei das eine Sizilien das eigentliche war und das andere Festlanditalien südlich von Rom. Von Musik und Küche möchte ich gar nicht erst reden, um nicht Gefahr zu laufen, in gängige Klischees abzudriften. Italia – il mio amore!