»SCHÜTZENKÖNIG« von Katrin Jäger

31. August 2020
dotbooks

vorgestellt von Timothy Sonderhüsken, Programmleiter

Wir sind hier ja unter uns, darum kann ich aus dem Nähkästchen plaudern, oder? In der Buchbranche wird vielerorts befürchtet, dass Netflix & Co. das Aus fürs Lesen bedeuten. Ich glaube nicht, dass das stimmt – denn so entspannend es sein kann, sich vor dem Fernseher berieseln zu lassen, irgendwann erwacht der Hunger auf ein gutes Buch, in dem man auf ganz eigene Art abtauchen kann. Aber natürlich sollte die Branche von den vielen Serien der Streaming-Dienste auch etwas lernen – und zwar Bücher veröffentlichen, die genau die gleiche Sogwirkung entfalten.

Die Krimiautorin Katrin Jäger versteht es meisterhaft, uns Leser in ihre Geschichten zu ziehen – immer wieder hat man das Gefühl, sich mitten in einem Film zu befinden: Schnelle Überblenden verbinden die einzelnen Ebenen und Handlungsorte, die kurzen Kapitel sorgen für hohes Tempo, und noch dazu bietet ihre Spannungsserie rund um eine Großstadtjournalistin in der Provinz neben abgründiger Spannung auch sympathische Figuren und emotionale Tiefe. (Wenn Sie sich an dieser Stelle nun fragen, warum die drei Krimis noch nicht verfilmt wurden: Es ist mir rätselhaft!)

Im Mittelpunkt steht die Journalistin Viktoria Latell, die in Berlin für ihre spitze Feder und ihre aufsehenerregenden Stories bekannt ist – doch direkt zu Anfang von SCHÜTZENKÖNIG verschlägt es sie ausgerechnet in die westfälische Provinz: Auf einem Foto der Lokalzeitung hat Viktoria den entscheidenden Hinweis auf ein bisher ungeklärtes Verbrechen entdeckt, das die Hauptstadt vor Jahren in Atem gehalten hat. Hält sich der Täter im so idyllisch wirkenden Westbevern versteckt? Während sich Viktoria mit Feuereifer in die Ermittlungen stürzt, muss sie gegen das beklemmende Gefühl ankämpfen, dass sie diesen Ort bereits kennt – und dass es eine Verbindung zu ihrer frühen Kindheit gibt, über die ihre Mutter bis heute hartnäckig schweigt …

Obwohl Viktoria eine echte »Großstadtpflanze« ist, zieht es sie auch in FUCHSBEUTE und JAGDGRUND nach Westbevern zurück – denn immer enger verstrickt sie sich in einem Netz aus Zuneigung und Neid, zarten Gefühlen, Abhängigkeiten und Verbrechen. Auch diesen Punkt haben die Krimis von Katrin Jäger mit einer Netflix-Serie gemein: Alles ist miteinander verbunden, aber wie, das zeigt sich manchmal erst am Schluss …

Ich bin sicher: Allen Unkenrufen zum Trotz werden sich Bücher und das Lesen ganz sicher nicht von Streaming-Serien vertreiben lassen – im Gegenteil: Gute Geschichten können wir alle doch wirklich nie genug bekommen, und genau diese liefern nicht nur Disney+ und Amazon Prime, sondern auch Katrin Jäger!